„Früher war Verkaufen, heute ist Kaufen-Lassen“

Das „Verkaufen“ verändert sich durch durch Einflüsse wie Internet und Social Media, für die Vertriebler heute gerüstet sein müssen. Über die Auswirkungen dieser Einflüsse auf die heutigen Kunden und die Veränderung des Verkaufsprozesses vom Verkaufen hin zum Kaufen-Lassen sprachen wir mit dem als „Umsatz-Maschine“ bekannten Speaker, Trainer, Autor und Unternehmer Andreas Buhr.

Kaufen-lassen bedeutet für Andreas Buhr, dem Kunden mit Kompetenz bei der Kaufentscheidung zu unterstützen.
Kaufen-lassen bedeutet für Andreas Buhr, dem Kunden mit Kompetenz bei der Kaufentscheidung zu unterstützen.© devoevnore/stock.adobe.com

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Herr Buhr, Sie sagen „Vertrieb geht heute anders”. Was geht denn heute im Vertrieb anders als vor beispielsweise 20 Jahren?

Andreas Buhr: Nun in der Zusammenfassung: Früher war Verkaufen, heute ist Kaufen-Lassen. Das bedeutet, dass Kunden früher in Zielgruppen erfasst werden konnten, heute gibt es den Kunden 4.0. Der Kunde 4.0 ist der, der im Internet recherchiert und offline kauft oder offline recherchiert und online kauft, der jedenfalls macht, was er will. Ein Kunde, der selbst entscheiden will, selbst aktiv ist und der weniger Entscheidungshilfen für den Kauf braucht.

Er kann heute Informationen zu einem Produkt oder einer Dienstleistung zu jedem Zeitpunkt und an jedem Ort der Welt vergleichbar machen durch internetfähige Smartphones, mit Hilfe von Apps, die das Leben im Vertrieb fundamental verändern. Ob das nun durch Recherche vorher ist, vor einem Kundengespräch, im Netz, bei Suchmaschinen oder im Social-Media-Bereich, oder ob es um die Kommunikation hinterher geht, über das sogenannte Teilen von guten wie negativen Informationen, das hat sich fundamental verändert.

Für den eigentlichen Beratungsprozess bedeutet das: Kompetenz ist heute viel wichtiger, als das noch vor Jahren der Fall war. Während Menschen im Verkauf sich früher noch herauswinden konnten mit verkäuferischen Tricks, Gegenfragen und Techniken, wird heute nur derjenige in der verkäuferischen Beratung überleben können, der eben auch liefert und der Kompetenz online wie offline hat. Er muss heute mit Transparenz agieren und Kompetenz vermuten lassen.

Das Kundenverhalten hat sich verändert. Das ist auch in anderen Bereichen sichtbar. Wenn Sie heute mit einem Anwalt sprechen, dann wird dieser sagen: „Meine Mandanten haben heute bessere Fragen als früher.“ Das liegt daran, dass sie den Sachverhalt gegoogelt haben. Sie haben vorher nachgeschaut, welcher Fachanwalt der beste Experte ist und was über den Anwalt im Netz berichtet wird.

Der Patient, der seine Knieschmerzen googelt und sich schon mal vorher informiert, was es denn sein könnte, hat heute dem Orthopäden gegenüber auch andere Fragen als noch vor 5 Jahren. Das bedeutet also: Nicht das Internet selbst, aber die Möglichkeit, jederzeit, an jedem Ort, überall, direkt und schnell auf Informationen zuzugreifen, führt dazu, dass Menschen das eben jetzt tun. So wie Sie sich auf so ein Interview vorbereiten können, indem sie einfach mal „Andreas Buhr“ googeln, könnte ich das umgekehrt heute auch getan haben. Ich könnte mich informieren über meine Gesprächspartner, bin viel besser im Thema und kann viel zielgerichteter meine Fragen formulieren, als das noch vor 5 Jahren der Fall war.

Sie haben den Orthopäden angesprochen – das könnte man eher als B2C bezeichnen. Sehen Sie denn Unterschiede beim Kunden 4.0 im Bereich B2B und B2C oder gilt das gleichermaßen?

Andreas Buhr: Es gilt ja im B2B-Bereich dasselbe, dass Firmen sich untereinander besser verständigen und eine breitere Informationsbasis haben und Informationen einstellen und einholen können, viel intensiver als früher. Es ist natürlich so: Wenn da Beziehungen gewachsen sind über Jahre, dann sind die nicht so schnell beeindruckt, wenn im Internet etwas berichtet wird. Im Bereich der Key Accounter stehen die oft langjährigen persönlichen Beziehungen im Vordergrund.

Jetzt sprachen Sie schon das Thema Kompetenz an. Was würden Sie denn Vertrieblern heute raten, was sie anders machen sollten im Vertrieb und wie sie sich auf diesen Kunden 4.0 richtig gut einstellen können?

Andreas Buhr: Das bedeutet zunächst einmal, dass ich meine Berufsvokabeln besser beherrschen muss. Wenn Kunden heute Preisverhandlungen wünschen – und die allermeisten werden das in absehbarer Zeit tun, dann muss ich darauf reagieren. Das ist immer so ein Klassiker: Sie gehen in den Elektronikfachhandel und wollen einen Flachbildschirm kaufen und wollen jetzt mit dem Verkäufer ein Verhandlungsgespräch führen, ob der Preis der endgültige Preis ist oder ob es Sonderpreise gibt. Wenn der sich nicht darauf einlässt, dann nehmen Sie eben Ihren Barcode-Reader, scannen den Strichcode und vergleichen den Preis mit einem Fachhändler im Umkreis von einem Kilometer.

Das können Sie heute alles innerhalb von 2 Sekunden tun und schon haben Sie einen besseren Preis. Wenn Sie den Preis dem Verkäufer dann zeigen, dann muss der ein Argument liefern, weshalb Sie den Flachbildschirm hier kaufen sollen. Wenn der nicht handelt, wenn der keinen Text kennt, wenn der seine Vokabeln, seine Argumente, seine „unique story“ nicht kennt, wenn er das nicht gut verteidigen kann, dann wird er an der Stelle Kunden verlieren.

Das wird der Kunde ihm natürlich nicht sagen. Der wird nur sagen: „Vielen Dank für das Gespräch, ich denke nochmal darüber nach.“, aber er wird dann woanders kaufen. So konnte ich Leute im Textilbereich schon dabei beobachten: Wenn Sie den Mantel nicht jetzt sofort kriegen, dann bestellen Sie den online bei Amazon und am nächsten Tag kommt der kostenfrei nach Hause.

An der Stelle verlieren Unternehmen Geld. Sie können das verhindern, indem die Verkäufer, die dort in der Beratung sind, ihre Berufsvokabeln lernen und anwenden. Preisverhandlung ist ein Thema, Qualität ist ein weiteres, Kompetenz – ich muss ein Stück beraterische Kompetenz auch auslösen im Kopf des Kunden, damit er weiß, wenn er jetzt mehr bezahlt, wofür er den Mehraufwand leistet.

Sie waren selbst 25 Jahre erfolgreich bei einem großen deutschen Versicherungsunternehmen tätig und haben dort den internationalen Vertrieb auf- und ausgebaut. Wenn Sie diese Aufgabe heute nochmal hätten, was würden Sie dann heute selbst im Vertrieb anders machen?

Andreas Buhr: Die Frage ist gut. Ich würde hinsichtlich meines Fleißes, meines Aufwandes und meiner Konsequenz in der Arbeitsweise nichts verändern. Menschen, die wirklich wollen, finden ihren Weg. Früher und heute! Ich würde vieles genauso noch einmal machen. Ich würde nur heute davon ausgehen, dass Menschen im B2B- wie auch im B2C-Bereich in der Branche auf der Kunden- wie auf der Mitarbeiterseite besser informiert sind.

Ich müsste heute viel offener mit Informationen umgehen, auch mit Vergleichszahlen und Brancheninformationen, als das früher möglich war, denn Sie haben ja früher schlicht und einfach keine Informationen bekommen. Da war der Engpass ja die Nachricht. Da kam der neue Stern oder der neue Spiegel heraus, und dann konnten Sie nur hoffen, dass darin irgendetwas berichtet wurde zum Thema Altersvorsorge oder Steuern oder Geldanlage. Dann konnten Sie damit etwas machen. Es gab ja das Internet noch nicht.

Heute ist nicht der Engpass die Nachricht. Heute ist der Engpass, die Relevanz der Nachrichten zu erkennen, diesen ganzen Wust an Nachrichten zu sortieren. Das ist für mich Web 4.0. Die Google-Suchmaschinen-Programmierer halten dazu schon interessante Vorträge. Google ist nach eigenen Angaben bei knapp 10% dessen, was die Suchmaschine bald können wird. Web 1.0 war die Situation, wo Sie Informationen ins Netz hinein gestellt haben. Web 2.0: Da geht es darum, die Dinge zu sortieren – Suchmaschinen lassen grüßen. Web 3.0 ist dann die Ebene, wo Sie Informationen zielgerichtet aus dem Netz wieder herausziehen können. Da können Sie die Frage stellen: „Wie schmeckt der Cappuccino in Orlando in Nick’s Italian Kitchen?“ Und dann kriegen Sie Informationen, die sich nur damit beschäftigen. Und Web 4.0 fügt dem Ganzen noch künstliche Intelligenz für bessere Suchergebnisse hinzu.

Wenn ich also dieselbe Aufgabe heute nochmal machen müsste, würde ich denselben Fleiß, dasselbe Engagement haben – das ist eben Voraussetzung, die Einstellung mitbringen, und ich würde heute viel transparenter mit Informationen des Marktes umgehen. Ich würde mich informieren: Was macht der Mitbewerber in der Produktwelt, in der Karrierewelt? Wo ist der besser? Wo sind wir besser? Wo sind wir angreifbar? Ich würde heute viel, viel breitere Informationen haben müssen, um denselben oder annähernden Erfolg hinzubringen.

Zur Person

Andreas Buhr, „die Umsatz-Maschine“, ist einer der bekanntesten Speaker im Bereich Führung und Vertrieb. Der Experte für Führung im Vertrieb ist Unternehmer und erfolgreicher Referent, Buchautor, Trainer und Vorstand der go! Akademie für Führung und Vertrieb AG. Er studierte Betriebswirtschaftslehre und startete 1980 parallel zum Studium seine berufliche Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche. Anfangs verantwortlich für den Verkauf im Außendienst, zählte er bereits mit 28 Jahren zur Spitze einer der größten Vertriebsorganisationen in Europa. Zu seinen Aufgaben gehörten u.a. das Recruiting sowie die Ausbildung und Entwicklung von Verkäufern und Führungskräften.

Andreas Buhr ist heute Dozent für Leadership und Vertrieb an der ESB Business School, Reutlingen, und an der ZfU International Business School, Schweiz, sowie Lehrbeauftragter an der Steinbeis Hochschule, Berlin. Der vielfach ausgezeichnete Top-Referent trägt die Titel „Excellent Speaker“ der German Speakers Association (GSA) und „Certified Speaking Professional“ (CSP) der National Speakers Association (NSA) und zählt zu den gefragtesten Rednern in Europa www.andreas-buhr.com

2 Kommentare zu “„Früher war Verkaufen, heute ist Kaufen-Lassen“

  1. PatDra

    Wann wurde der Artikel veröffentlicht? Ich finde des Interview nämlich sehr interessant und würde mich daran für meine Bachelor-Thesis bedienen.

    Viele Grüße

  2. Helena

    Sehr interessanter Artikel, es wäre interessant zu wissen, wer der Verfasser ist und wann der Artikel veröffentlich wurde. Ich würde den Artikel gerne als Quelle für eine Hausarbeit nutzen.
    Viele Grüße

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