Heiss auf Kaltakquise – ist das wirklich möglich?

Im Rahmen unserer Serie Vertriebserfolg geht es diesmal um Kaltakquise. Sie zählt meist nicht gerade zu den Lieblingsthemen von Vertrieblern, wird gerne aufgeschoben, oft sogar gefürchtet.

Heiss auf Kaltakquise
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Aber geht es auch anders? Kann Kaltakquise sogar Spaß machen? Darüber sprachen wir mit dem Vertriebstrainer und Kaltakquise-Experten Tim Taxis.

Herr Taxis, Ihr Thema ist „Heiß auf Kaltakquise“, und Sie sagen, man könne seine Erfolgsquote am Telefon um ein Vielfaches steigern. Wie soll das denn gehen? Ist das nicht viel zu hoch gegriffen?

Tim Taxis: Ja, da versteh ich Sie. Denn „Kaltakquise“, allein das Wort, ist bei fast allen Vertrieblern noch mit allen möglichen Bedeutungen belegt, nur mit nichts Positivem. Oder in den Worten meines Kollegen Martin Limbeck: „Die meisten Verkäufer stellen sich lieber eine Stunde unter die eiskalte Dusche, als ein Kaltakquise-Telefonat zu machen“. Gleichzeitig bin ich aus Erfahrung der festen Überzeugung: Das muss nicht sein! Kaltakquise kann einfach und sehr erfolgreich sein. Und zudem Spaß machen – dem Anrufer und dem Angerufenen!

Sorry, aber das klingt mir jetzt etwas zu schön, um wahr zu sein. Wie soll das gehen?

Tim Taxis: Indem Sie genau das Gegenteil von dem machen, was alle anderen tun. Das ist das offensichtliche „Geheimnis“. In der Praxis machen wir Vertriebler am Telefon nämlich genau das, was dann zu dem führt, was wir am meisten fürchten: Ablehnung und Misserfolg. Wir selbst provozieren den Widerstand des Kunden. Oder mögen Sie etwa Anrufe á la „Guten Tag, mein Name ist Markus Müller von der Fa. XY. Haben Sie gerade kurz Zeit für mich?“ oder „…wir bieten innovative XY an und ich wollte mal fragen, ob die Möglichkeit besteht, sich vorzustellen.“? Der Kunde, egal ob Vorzimmer oder Entscheider, denkt dann automatisch „Ach je, wieder so einer, der mir was verkaufen will“ – und schon kommt sein „Kein Interesse, keine Zeit, kein Bedarf“. Das sind dann alles sogenannte „Ablehnungs-Neins“, also Ablehnung auf der Beziehungsebene. Der Kunde hat schlicht keine Lust auf so ein Gespräch. Dadurch ist das Telefonat zu Ende, bevor es wirklich angefangen hat. Es kommt erst gar nicht zum Fachgespräch auf Augenhöhe.

Wenn Sie sich allerdings von jetzt an von Ihren bisherigen Verhaltensmustern lösen und neue Wege gehen, dann brechen Sie das Muster in der Wahrnehmung des Kunden – und dadurch öffnet er sich, er wird das Gespräch mit Ihnen als angenehm empfinden und sich mitteilen. So wird es einfach und angenehm – für Sie und den Angerufenen!

Worauf sollten Vertriebler beim Gesprächseinstieg mit dem Entscheider achten? Haben Sie hierfür ein paar Beispiele?

Tim Taxis: Ja. Stellen Sie sich vor, auf welche Situation Sie beim Angerufenen treffen, wenn Sie anrufen. Er wird mit allem Möglichen beschäftigt sein und sicherlich kaum Zeit haben. Daher ist ein „Ich hoffe, ich störe nicht“ bzw. ein „Haben Sie grade Zeit für mich“ eben auch wenig zielführend. Versuchen Sie es mal ganz einfach mit „Guten Tag Herr Kunde, mein Name ist Tim Taxis.“ Nennen Sie immer seinen Namen in Ihrer Begrüßung! Und lassen Sie unbedingt eine Pause nach Ihrer Begrüßung, so dass der Kunde Sie seinerseits grüßen kann. Die meisten Anrufer sprechen nach der Begrüßung gleich nahtlos weiter. Es entsteht kein Dialog. Das mag keiner. Lassen Sie also bewusst immer eine kurze Pause. Sie werden merken, der Anrufer nutzt die Pause und antwortet á la „Grüß´ Sie“.

Dann holen Sie seine Aufmerksamkeit und seine Bereitschaft fürs Gespräch, indem Sie ganz einfach sagen: „Herr Kunde, darf ich gleich zum Punkt kommen?“ Ein vermeintlich simpler Satz, der aber den Unterschied macht und die Qualität Ihrer Gespräche gleich zu Beginn ins Positive dreht, denn: Seine Antwort ist immer „Ja, bitte.“ oder „Gerne!“, begleitet von einem Lächeln und einer positiven Emotion. Probieren Sie es aus – ich verspreche Ihnen, es funktioniert immer! Und jetzt überlegen Sie mal, was das für Ihre Akquise-Telefonate künftig bedeutet, wenn Sie schon vor jedem Anruf wissen, dass Sie immer die Zustimmung zum Gespräch und eine positive Emotion vom Kunden geschenkt bekommen…

Und wie geht’s dann weiter? Wie kann ich so weitermachen, dass ich meine Erfolgsquote am Telefon deutlich steigern kann?

Tim Taxis: Es gibt sehr viele Möglichkeiten; ich gebe Ihnen jetzt einfach mal meinen persönlichen Lieblingsgesprächseinstieg. Dazu eine Vorab-Überlegung: Der Anrufer stellt sich unbewusst 5 Fragen:  1. Wer ist das?  2. Wie lange dauert es?  3. Was will er?  4. Handelt er in meinem Interesse – oder anders gesagt: Will er mir nur was verkaufen?  Und schließlich 5. Was bringt es mir?

Wenn Sie diese 5 unbewussten Fragen in Ihrer Eröffnung nicht direkt beantworten, werden diese Fragen von allein in das Bewusstsein des Kunden kommen, und von dem Moment an ist er ungeduldig oder sogar schon genervt. Wenn Sie sie allerdings beantworten, wird er sehr interessiert am Gespräch sein… Daher empfehle ich Ihnen den „TT-Special“, meinen Lieblingseinstieg, der am Stück so geht:

„Guten Morgen Herr Kunde, mein Name ist Tim Taxis.“

„Grüß´ Sie.“

„Herr Kunde, darf ich gleich zum Punkt kommen?“

„Ja gerne.“

„Wie Ihr Außendienst Ihre Neukunden verdoppeln kann, dazu möchte ich Ihnen eine Lösung vorschlagen, aber nur, wenn das für Sie Sinn macht – und damit Sie das beurteilen können, hab‘ ich eine kurze Frage, ist das ok?“

Sie werden staunen, schon beim ersten Ausprobieren funktioniert es!

Sie sprechen von „Ja-, Nein- und Jain-Kunden“. Warum liegt das größte Akquise- und Steigerungspotenzial bei den Jain-Kunden?

Tim Taxis: Ja-Kunden sind Kunden, die vorbestimmt „Ja“ sagen zu Ihrem Wunsch nach einem Termin oder einer Anfrage. Ja-Kunden sagen ohne einen einzigen Einwand zu bringen „Ja“. Die Zahl der Ja-Kunden liegt meistens zwischen 1 und 5 %. Umgekehrt haben Sie bei Nein-Kunden vorbestimmt keine Chance. Nein-Kunden sagen schon früh im Gespräch „Nein“. Jede Einwandbehandlung endet wieder bei einem „Nein“. Und mit einem „Nein“ endet auch Ihr Akquisegespräch. Deren Zahl liegt meist bei rund 10 %.

Jain-Kunden haben beide Qualitäten. Sie geben uns erst mal ein „Nein“, sagen im selben Telefonat vielleicht zunächst ein zweites „Nein“. Spätestens dann allerdings können Sie ihre Mauer zum Bröckeln bringen, sie für sich gewinnen und erhalten ein „Ja“. Deshalb heißen sie Jain-Kunden. Die Jain-Kunden machen meist 85 bis 89% aller Kunden aus! Aber: In der Praxis verwechseln die meisten Vertriebler Jain-Kunden mit Nein-Kunden. Sie hören ein „Nein“ und gehen aus dem Gespräch – obwohl sie doch einen Jain-Kunden vor sich haben. Sie geben auf, obwohl die Chance auf ein „Ja“ noch bestanden hätte. Deshalb liegt das größte Akquise- und Steigerungspotenzial bei den Jain-Kunden bzw. Ihrem entsprechenden Umgang mit ihnen. Holen Sie sich von deren großer Zahl mit entsprechenden Techniken mehr und mehr und steigern Sie Ihre Erfolgsquote dadurch kontinuierlich!

Bezogen auf die Kaltakquise sagen Sie: „Briefe schreiben nur diejenigen, die nicht top telefonieren können und keine wirklich guten Gesprächseinstiege haben.“ Sie drücken es auch so aus: „Briefe sind Alibi-Aktivitäten.“ Was meinen Sie damit, und was empfehlen Sie?

Tim Taxis: Schauen Sie sich an, wer Vorab-Briefe bzw. -Emails schreibt und warum? Das sind diejenigen unter uns, die – und das ist nachvollziehbar – einen Anknüpfungspunkt für ihren Gesprächseinstieg am Telefon suchen. Ein Vorab-Brief als Anknüpfungspunkt soll Sicherheit geben. Das verstehe ich. Ein Vorab-Brief oder eine -Email kann aber immer nur eine Krücke sein – eine lahme noch dazu, wenn Sie so einsteigen: „Ich wollte mal fragen, ob Sie unseren Brief bekommen haben“ oder „Hatten Sie schon Gelegenheit, meine E-Mail zu lesen?“ Reflektieren Sie mal, wie diese Gespräche verlaufen…

Sie brauchen keinen Brief als Pseudo-Anknüpfungspunkt, wenn Sie effektive Gesprächseinstiege an der Hand haben, mit denen Sie sofort das Interesse des Angerufenen wecken. Wenn der Kunde aber vorab informiert ist, dann ist das eine ganz unglückliche Situation. Warum? Weil er sich beim Lesen – ohne Ihr Dabeisein – bereits eine eigene Meinung bildet, auf die Sie dann treffen.

Wenn er den Brief liest und denkt „Ah, interessant, darüber will ich mehr erfahren!“, dann ist es ein Ja-Kunde und Sie haben Glück gehabt. Die positive Reaktion eines Ja-Kunden bekommen Sie aber auch bei einem guten Gesprächseinstieg beim Ersttelefonat, was den Brief überflüssig macht.

Vielfach wird der Kunde aber denken „Ah, wieder so ein Werbeschreiben“ oder „Ach, dieses Thema, naja, brauch ich nicht wirklich …“. Durch ihren Vorab-Brief haben Sie sich dann selbst die Türe vor der Nase zugeschlagen. Ohne Vorab-Brief im Ersttelefonat, wenn der Kunde einen Einwand hat, können Sie im direkten Austausch jedoch damit umgehen, seine Gedanken ergründen, ihn und seine Meinung im Gespräch in Ihre Richtung führen. Das alles geht im Brief nicht.

Mein Fazit: Entweder brauchen Sie einen Vorab-Brief oder eine -Email also ohnehin nicht oder er schadet Ihnen sogar. Deshalb sage ich: Briefe sind Alibi-Aktivitäten. Eine Fehlallokation von Ressourcen. Oder einfach gesagt: Zeitverschwendung.

Lesen Sie auch Teil 2 unseres Interviews mit Tim Taxis, So geht’s übers Vorzimmer ran an den Entscheider


Zur Person:

Tim Taxis ist der Experte für nachhaltige Geschäftskunden-Akquisition und Dozent an der ESB Business School der Hochschule Reutlingen. Der diplomierte Betriebswirt war viele Jahre in verschiedenen Vertriebspositionen in der Industrie und im komplexen Dienstleistungsgeschäft tätig. 2007 gründete er sein Unternehmen Tim Taxis Trainings und zählt heute zu den renommiertesten Verkaufstrainern und Speakern im deutschsprachigen Raum. Zu seinen Kunden gehören DAX-Konzerne, klassische Mittelständler sowie internationale Marktführer. www.tim-taxis-trainings.de

Esther Lenssen

Ein Kommentar zu “Heiss auf Kaltakquise – ist das wirklich möglich?

  1. Benjamin Höschele

    Tim Taxis ist jedem Vertriebler zu empfehlen. Da fast jeder Vertriebler das 1×1 der Kaltakquise kennen und beherrschen muss, tut es jedem gut sich hier optimal aufzustellen.

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