Konkurrenzorientierte Vertriebsorganisation: Aggressivität und Kompetenz

Lothar Stempfle

Wer Wachstum generieren, Wettbewerbsvorteile aufbauen und Marktanteile gewinnen will, benötigt Verkäufer, die mit Biss und Sympathie verkaufen. Die Verdrängung der Konkurrenz darf bei der Vertriebsorganisation kein Tabuthema sein.

Vertriebsorganisation
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Ein engagierter und auf Wachstum ausgerichteter Vertrieb darf keine Scheu haben, mit einer gehörigen Prise Aggressivität und natürlich Kompetenz der Konkurrenz Kunden weg zu schnappen. Was genau heißt das für die Vertriebsorganisation?

Konsequenz 1: Neues Selbstbewusstsein aufbauen

Besprechen Sie mit Ihren Verkäufern, dass Sie über die für die Kunden bestmögliche Problemlösung verfügen. Vielleicht nicht für jeden Kunden, aber doch für die allermeisten. Denn wenn dies so ist, ist es geradezu Ihre Pflicht und Verantwortung, dies den potentiellen Kunden auch mitzuteilen.

Konkret: Verdeutlichen Sie Ihren Verkäufern in den Teamsitzungen und in den Mitarbeitergesprächen, dass es selbstverständlich zu ihren Aufgaben gehört, dem Wettbewerb Kunden abzujagen.

Notwendig ist mithin das Bekenntnis zu einem Unternehmenswachstum auf der Grundlage der intelligenten Verdrängung der Wettbewerber: Wer über gute Produkte und Dienstleistungen verfügt und dem Kunden mehr zu bieten hat als dessen derzeitiger Lieferant, darf sich seiner Stärken nicht schämen, sondern muss sie selbstbewusst präsentieren. Der Verkäufer wird zum entscheidenden Glied in einer Kette von Vertriebskompetenzen, die Sie und das Unternehmen schmieden müssen, um Kunden von der Konkurrenz aktiv und aggressiv abzuziehen.

Konsequenz 2: Neue Kompetenzen aufbauen

Der wachstumsorientierte Vertrieb mit dem festen Willen zur Konkurrenzverdrängung braucht den Verkäufer mit hoher Beratungskompetenz, der als problemlösungsorientierter Anwalt der Belange der Kunden und als Spezialist auftritt, der diesen nach der Problemanalyse eine einzigartige Lösung anbietet. Dies ist möglich, wenn der Verkäufer bestrebt ist, dem Kunden nicht einfach nur ein Produkt zu verkaufen, nicht nur Geld mit und an ihm zu verdienen, ihm nicht nur einen plan-banalen Nutzen zu bieten. Nein – der Verkäufer muss beseelt sein davon, dem Kunden etwas Einzigartiges zu bieten.

Der beseelte Verkäufer geht durchaus aggressiv vor – aber er ist lediglich aggressiv im Geiste, weil er weiß, dass er dem Kunden etwas zu bieten hat, das die Konkurrenz nicht im Produktportfolio führt. Darum berät und verkauft er mit Biss, er ist aber nicht aggressiv in der Vorgehensweise. Er darf nicht mit dem Hochdruckverkäufer verwechselt werden, der mit Hard Selling zu Werke geht.

Vielmehr gilt: Er geht auf den Kunden zu und ein, er hört zu, er lässt den Kunden reden, er selbst argumentiert, präsentiert, berät – immer mit der Überzeugung, der Selbstsicherheit und dem Selbstbewusstsein, den Kunden eine Toplösung bieten zu können.

Mit anderen Worten: Er agiert emphatisch, nicht nüchtern. Weil er jedoch zugleich hochkompetente Beratungsgespräche führt, kommt er nie „missionarisch“, besserwisserisch oder hochmütig beim Kunden an.

Konsequenz 3: Auf Ausstrahlung und Persönlichkeit fokussieren

Der „beseelte“ Verkäufer“ – ist das nicht etwas hochgegriffen? Meine Erfahrung als Vertriebsexperte zeigt, dass der Verkäufer, der in der Lage ist, die Konkurrenz aktiv zu verdrängen, sympathisch „rüberkommen“ und über die entsprechende Ausstrahlung verfügen muss. Wodurch aber zeichnet sich ein Verkäufer aus, der über Ausstrahlung verfügt?

Sicherlich: Es ist leichter, eine handwerkliche Verkaufsfertigkeit wie „Beherrschung der Fragetechnik“ zu definieren und zu schulen. Das enthebt Sie jedoch nicht der Verpflichtung, bei Personal- und Fortbildungsentscheidungen persönlichkeitsorientierte Aspekte zu berücksichtigen und Begriffe wie „Ausstrahlung“ mit konkreten Persönlichkeitseigenschaften zu verknüpfen.

Möglich ist dies, denn Ausstrahlung hat etwas zu tun mit Authentizität, Glaubwürdigkeit und Ehrlichkeit, mit der Übereinstimmung oder Kongruenz zwischen Sprache, Körpersprache und Stimme sowie der Botschaft, die transportiert werden soll. Und die Kompetenz, kongruent zu kommunizieren, lässt sich trainieren.

Des Weiteren ist bei Persönlichkeitsmerkmalen wie „Ausstrahlung“ der emotionale Anteil sehr groß: Kaum jemand wird demjenigen Verkäufer Charme und Charisma attestieren, der kopfgesteuert mit Zahlen, Daten und Fakten agiert. Dies ist wohl eher der Fall beim Problemlösungsentwickler, der das emotionale Kopfkino im Gehirn des Kunden zu starten versteht. Und der emotionale Problemlösungsverkauf lässt sich ebenso trainieren wie ein authentisch-glaubwürdiges Auftreten.

Konsequenz 4: Das Aggressivitätspotential konstruktiv schüren

Wer mit aggressiv-charismatischen Verkäufern auf eine sympathische Art und Weise Kunden von der Konkurrenz abwerben will, darf sich nicht scheuen, den brach liegenden Aggressivitätspotentialen in der Vertriebsabteilung auf die Spur zu kommen. Harald Scharfenorth, der sich „Aggressivitäts-Trainer“ nennt, weist darauf hin, dass aus übertriebenem Harmoniebedürfnis, der Angst vor Konflikten, übervorsichtiger Verhandlungsführung und Entscheidungsinkompetenz ein enormer wirtschaftlicher Schaden erwächst. Demnach entstünden viele dieser Elemente, weil die Menschen sich nicht trauten, ihr angeborenes Aggressivitätspotential auszuleben. Scharfenorth plädiert für faire Auseinandersetzungen mit offenem Visier.

Und tatsächlich: Der wachstumsorientierte Vertrieb hat die Scheu abgelegt, jene Aggressivitätsreserven der Menschen als etwas Schlechtes anzusehen. Vielmehr verfolgen Ihre Verkäufer und Sie Ihre Expansionsziele mit Biss und Selbstbewusstsein.

Der Autor

Lothar Stempfle ist Experte für Neukundenakquisition, Verkauf und ganzheitliche Vertriebssteuerung und leitet seit 1993 die „Stempfle Unternehmensentwicklung durch Training“ in Erlenbach. www.Vertriebsentwicklung.tips

 

Lothar Stempfle

Ein Kommentar zu “Konkurrenzorientierte Vertriebsorganisation: Aggressivität und Kompetenz

  1. Axel John

    Lesenswerter Artikel !
    Besonders die wachen Führungskräfte im Vertrieb werden sich nun intensiver in die Personalauswahl einbringen, um externe Bewerber u n d Mitarbeiter aus dem unmittelbaren Umfeld mit den richtigen Persönlichkeitspräferenzen zum ?pugnatus gratus? (lat. willkommener Kämpfer ? eigene Wortschöpfung)
    zu finden.
    Fortbildungsmaßnahmen aus den Bereichen Persönlichkeitsentwicklung und Neurodidaktik unterstützen einserseits Führungskräfte bei der effizienten Auswahl und andrerseits die Vertriebsmannschaft bei der Umsetzung der Entwicklung zum ?willkommenen Kämpfer?

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