Marketing-Inhalte für den Vertrieb? Lösungen für ein klassisches Problem

Sascha Tobias von Hirschfeld

60-70% aller Inhalte, die im B2B Marketing entstehen, werden vom Vertrieb nicht genutzt. Kein Wunder, denn allzu oft geht der Content am Bedarf des Vertriebs vorbei. Lesen Sie hier, wie Sie vom Marketing die Inhalte bekommen, die Ihnen beim Verkaufen wirklich helfen.

B2B Marketing
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Als ich vor vielen Jahren die Marketingabteilung eines mittelständischen Software-Unternehmens leitete, stieß ich auf ein Phänomen, dass mir lange Kopfzerbrechen bereitete. Unsere Produktprospekte, Broschüren und Mailings, die wir mit viel Liebe und Aufwand produzierten, wurden vom Vertrieb kaum genutzt. Viele der Vertriebsmitarbeiter arbeiteten überhaupt nur mit Materialien der Marke Eigenbau. „Nicht schön, aber nützlich“, versicherte mir der Vertriebsleiter damals.

Der Vertrieb stellte die Herrschaft des Marketings über die Kommunikation des Unternehmens in Frage! So meine erste Reaktion. Doch dann begann ich mit meinem Team nach den Ursachen zu forschen: Wir werteten zahllose Vertriebsunterlagen aus und führten Gespräche mit Vertrieblern. Daraus entwickelte sich für uns eine echte Chance, den Elfenbeinturm des Marketings zu verlassen und Content zu schaffen, der beim Verkaufen vor Ort wirklich hilft.

Wir haben damals drei wesentliche Ursachen dafür identifiziert, dass Marketing Content vom Vertrieb nicht genutzt wird. Ich möchte Ihnen diese im Folgenden kurz erläutern und praktische Empfehlungen geben, wie Sie die Situation verändern können.

3 Ursachen, warum Marketingunterlagen nicht vom Vertrieb genutzt werden

1 Zu oberflächlich für den Verkauf

Die Aufgabe des B2B Marketings ist es, Aufmerksamkeit im Markt zu schaffen und Leads zu generieren. Dementsprechend ist der Inhalt, den das Marketing produziert, für den oberen Teil des „Verkaufstrichters“ bestimmt, den „ToFu“ (Top of Funnel). Aus Sicht des Marketings funktioniert der Content, wenn er eine Zielgruppe erreicht und Interessenten gewinnt.

Ganz anders sieht das im Vertrieb aus: Für die Qualifizierung von Interessenten sind Inhalte gefragt, die den Wert des eigenen Angebotes herausstellen, offene Fragen beantworten und Einwände ausräumen. Und zwar passend zur Zielperson des jeweiligen Interessenten. Inhalte aus dem Marketing sind für den unteren Teil des Trichters, „BoFu“ (Bottom of Funnel) oft zu oberflächlich, als dass er im konkreten Fall beim Verkauf unterstützen könnte.

Empfehlung: Marketing Inhalte konkretisieren

Um zu vermeiden, dass jeder Vertriebsmitarbeiter seine eigenen Infos zusammenstellt, sollten sich Marketing und Vertrieb regelmäßig über Ziele, Zielpersonen und den konkreten Bedarf an Content im Verkauf verständigen. Beauftragen Sie zum Beispiel einen Mitarbeiter an der Schnittstelle zwischen Marketing und Vertrieb damit, diesen Prozess zu moderieren und als interner Reporter den Content laufend für den Vertrieb aufzubereiten.

2 Kein „Futter“ für zwischendurch

Besonders in Branchen, in denen lange Verkaufszyklen die Regel sind, hängt der Verkaufserfolg stark davon ab, den Kontakt zu potentiellen Kunden am Laufen zu halten. Das gilt besonders für die Zeit zwischen zwei persönlichen Terminen. Denn in dieser Zeit besteht die Gefahr, dass Leads abkühlen und ein Wettbewerber seine Chance nutzt.

Für Kontakte „zwischendurch“ sind E-Mail oder Businessnetzwerke wie Xing oder LinkedIn das Mittel der Wahl. Jedoch bewirkt das eintönige Wiederholen von Verkaufsphrasen auf Dauer eher das Gegenteil von dem was beabsichtigt ist: Interessenten wenden sich ab und sind plötzlich nicht mehr erreichbar. Daher empfiehlt es sich, jeden Kontakt möglichst werthaltig zu gestalten.

Empfehlung: Jeden Kontakt veredeln

Damit Ihr Vertrieb auch Kontakte zwischen den „offiziellen“ Terminen werthaltig gestalten kann, sollte das Marketing Inhalte zur Verfügung stellen, die für potentielle Kunden relevant sind. Inhalte, die einen vorhergehenden Kontakt weiterentwickeln, indem Sie bilden, inspirieren oder unterhalten. Hier bieten sich vor allem aktuelle Fachartikel, Studien oder Fallbeispiele aus der Branche, aber auch Interessantes jenseits des Business an.

Eine gute Plattform um inhaltlich spezieller auf bestimmte Branchen oder gar Zielpersonen einzugehen ist der Unternehmensblog. Die hier veröffentlichten Artikel können vom Vertrieb sehr zielgerichtet für die Qualifizierung von Leads eingesetzt werden. Entscheidend ist, dass bei diesen Inhalten nicht Ihr Produkt sondern der Bedarf der Zielperson im Mittelpunkt steht.

3 Für den Vertrieb unsichtbar

Ein weiterer häufiger Grund, warum Marketinginhalte vom Vertrieb nicht genutzt werden, liegt darin, dass es das Marketing versäumt, seinen Content intern richtig zu vermarkten. Das beginnt schon damit, dass es in vielen Unternehmen keine Richtlinien dafür gibt, wo und wie Content für den Vertrieb bereitgestellt wird.

Ein Vertriebsmitarbeiter, der erst auf verschiedenen Servern suchen muss, um Inhalte für einen Termin mit einem Interessenten zu finden, greift auch hier schnell zu pragmatischer Selbsthilfe und erstellt sich eigene Inhalte.

Empfehlung: Content-Hub für den Vertrieb

Damit Content vom Vertrieb schnell gefunden werden kann, sollte dieser auf einer eigenen Content-Plattform im Unternehmen abgelegt werden. Zudem sollte er nach bestimmten Kriterien gefiltert werden können: Zielperson, Branche, Typ (Case Study, ROI Rechner, Einwandsbehandlung etc.) Dies ermöglicht eine schnelle und gezielte Suche und steigert die Akzeptanz der Nutzer.

Idealerweise bekommt jeder Vertriebsmitarbeiter zudem die Möglichkeit, Inhalte oder Themen für seine Zielkunden zu abonnieren, um regelmäßig und automatisch über neuen oder überarbeiteten Content informiert zu werden.

Abschließende Bemerkung zum Thema „Content Marketing“

Viele Marketer im B2B haben erkannt, dass man mit klassischen Werbephrasen keine Kunden mehr gewinnt. Gefragt sind Inhalte, die potentielle Kunden dabei unterstützen, eine Kaufentscheidung fundiert vorzubereiten. Und zwar in jeder Phase des Kaufprozesses.

Es empfiehlt sich daher, eine integrierte Content-Strategie für den gesamten Verkaufstrichter zu entwickeln. Denn nur so können Sie sicher stellen, dass jeder potentielle Kunde vom Erstkontakt mit Ihrem Unternehmen bis zum Kaufabschluss konsistent und bedarfsgerecht betreut wird.

Leider steht dem in vielen Unternehmen das Nebeneinander von Marketing und Vertrieb im Wege. Denn Content für den Verkauf kann nur so gut sein wie das Zusammenwirken beider Bereiche. Meine Erfahrung hat gezeigt, dass Content hier Bindeglied und Motor sein kann. Vorausgesetzt, er stiftet einen echten Nutzen im Verkauf.

Der Autor

Sascha Tobias von Hirschfeld, Content-Architekt für B2B Marketing & Sales, bezeichnet sich selbst als „Vertriebler im Körper eines Marketers“ und unterstützt Unternehmen in den Bereichen B2B Content Strategie, Leadgenerierung und Social Selling. Zusammen mit Tanja Josche hat er das Fachbuch „Lean Content Marketing“ veröffentlicht. www.lean-content-marketing.com

Sascha Tobias von Hirschfeld

Ein Kommentar zu “Marketing-Inhalte für den Vertrieb? Lösungen für ein klassisches Problem

  1. Günter Heini

    Guter Artikel. Aus meiner Zeit als Vertriebsleiter bei einem mittelständischen Maschinenbauer kann ich das bestätigen. Die Zusammenarbeit zwischen Vertrieb und Marketing war nicht unbedingt konstruktiv.

    Doch Fakt ist: Jetzt muss ein Umdenken her. Und zwar schnell. Denn der Vertrieb hat jetzt ein riesengroßes Problem. Er bekommt gerade jetzt keine Termine. Oder nur Online-Termine.

    Doch ich bin mir sehr sicher, das wird auch nach der Krise ähnlich bleiben. Ein Online-Meeting von einer Stunde kann man schnell organisieren und notfalls auch verschieben. Aber einen Termin vor Ort kann man nicht so leicht verschieben, vor allem dann nicht, wenn der Verkäufer 500 km mit dem Auto angefahren kommt.

    Und plötzlich braucht der Vertrieb hochwertigen Content, den er jetzt seinen Kunden und Leads zur Verfügung stellt. Das Marketing wird jetzt mit einem Schlag wichtig, wichtiger denn je!

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