Sind Gesprächsleitfäden im Vertrieb Schnee von gestern?

In der telefonischen Akquise und im Pre-Sales sind Gesprächsleitfäden Gang und Gäbe. Sie sind hier wichtiges Handwerkszeug, um ein Telefonat zielführend auf den Punkt zu bringen. Sind sie aber auch für persönliche Verkaufsgespräche sinnvoll?

"Nur für Anfänger", hört man oft von erfahrenen Vertriebsprofis, wenn es um Gesprächsleitfäden geht. Dennoch können Sie eine Stütze im Gesprächsverlauf darstellen.
"Nur für Anfänger", hört man oft von erfahrenen Vertriebsprofis, wenn es um Gesprächsleitfäden geht. Dennoch können Sie eine Stütze im Gesprächsverlauf darstellen.© contrastwerkstatt/stock.adobe.com

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Viele Vertriebler stören sich schon an dem Wort „Leitfaden“. Das klingt in ihren Ohren nach Schema F, nach auswendig Gelerntem und ohne Sinn und Verstand Heruntergeplappertem. Diese Ansicht beruht oft auf bereits selbst Erlebtem: Fast jeder musste schon Anrufe von Call Centern entgegen nehmen, bei denen er das Gefühl hatte, es werde einfach ein Band abgespult.

Hiervon distanzieren sich die meisten Vertriebsprofis. „Nur für Anfänger“, hört man oft von erfahrenen Vertriebsprofis oder: „Wer einen Gesprächsleitfaden braucht, hat im Vertrieb nichts zu suchen.“ Dabei sind Verkaufsgespräche wie Kraftsport. Individuelles Vorgehen und Eingehen auf den jeweiligen Kunden ist angesagt. Diese selbst entwickelten Vorgehensweisen sind im Grunde auch Gesprächsleitfäden, nur dass sie meist nicht schriftlich festgehalten werden.

Dennoch haben alle Verkäufer ihr eigenes System. Mal basiert es auf Leitfäden, die sie als Vertriebsneuling erhalten haben. Mal haben sie sich ihr Handwerkszeug bei erfahrenen Vertriebskollegen abgeguckt und dann über die Jahre angepasst. Und viele sind einfach ins kalte Wasser gesprungen und haben sich durch Learning by Doing die Techniken angeeignet, die in ihrem Vertriebsalltag funktionieren.

Verkaufsgespräche sind wie Kraftsport

Ganz egal, wie man sein eigenes Verkaufsgespräch-Einmaleins gelernt hat – mit der Zeit ergeben sich auch hier Routinen, die man selbst nicht mehr unbedingt hinterfragt. Es ist im Grunde wie beim Kraftsport: Wer hier ständig die gleichen Übungen in der gleichen Reihenfolge und der gleichen Anzahl von Sätzen wiederholt, baut weniger Muskelmasse auf als Sportler mit wechselnden Übungsroutinen.

Probieren Sie es einfach aus: Halten Sie Ihre eigenen Vorgehensweise beim Ersttelefonat oder beim persönlichen Verkaufsgespräch einmal im Nachhinein schriftlich fest. Bei Telefonaten helfen eine Videokamera oder das Feedback eines Kollegen. Wenn möglich nehmen Sie auch Termine gemeinsam mit einem Vertriebskollegen wahr, um eine neutralere Sicht zu erhalten. Was lief gut? Wo wurde es schwierig? Beobachten Sie im Gegenzug auch einen Vertriebskollegen.

Setzen Sie im nächsten Schritt an den Punkten an, die sich optimieren lassen. Das beste Mittel ist: Ausprobieren.

Legen Sie Ziele und Struktur fest.

Es ist erstaunlich, wie oft Verkaufsgespräche ohne echtes Ergebnis enden oder zeitlich so ausufern, dass potenzielle Kunden am Ende völlig entnervt sind. In den Worten von Mark Twain:

„Wer nicht weiß, wo er hin will, darf sich nicht wundern, wenn er woanders ankommt.“

  • Schreiben Sie auf, was Sie konkret bei diesem Gespräch erreichen wollen.
  • Notieren Sie sich eine Struktur (z.B. Gesprächseröffnung, Bedarfsermittlung, Präsentation, Abschluss oder Begrüßung, Präsentation, Angebot, Abschluss) mit Zeitgerüst.

Arbeiten Sie am Gesprächseinstieg.

Suchen Sie sich zum Beispiel für Ihre Ersttelefonate einen aktuellen Aufhänger.

  • Recherchieren Sie für eine Reihe von Neukundentelefonaten noch gründlicher und umfassender als zuvor alles, was Sie über Ihren Ansprechpartner, das Unternehmen und die Branche Ihres potenziellen Kunden herausfinden können. Beziehen Sie diese Informationen in Ihre Ansprache ein.
  • Gratulieren Sie z.B. dem neuen Geschäftsführer bzw. IT-Leiter zur neuen Aufgabe und erfahren Sie so, welche Veränderungen er in dem Unternehmen angehen wird. Fragen Sie nach der größten Herausforderung, die er aktuell sieht, und überlegen Sie, wie Sie ihm dabei helfen können.
  • Testen Sie Ihren Erfolg bei telefonischen Terminvereinbarungen mit zeitlichen Fixpunkten, z.B.: „Ich bin am Donnerstag in Hamburg. Die Gelegenheit würde ich gerne nutzen und auch bei Ihnen vorbeischauen, um Sie kennenzulernen und um zu sehen, wie ich Ihnen helfen kann.“

Kürzen Sie Ihre Präsentation gnadenlos.

Die meisten Sales-Präsentationen sind viel zu lang und aus Kundensicht viel zu langweilig. Die Aufmerksamkeit Ihres Gegenübers lässt typischerweise nach 20 Minuten schlagartig nach. Alles Wichtige müssen Sie also schon vorher kommuniziert haben.

  • Überfrachten Sie Ihre Präsentation nicht mit Inhalten. Verwenden Sie max. 10 Folien (+ Titel- und Danke-/Kontaktdaten-Folie).
  • Starten Sie nicht mit „Über uns“-Folien. Noch besser: Verbannen Sie diese austauschbaren Inhalte ganz aus Ihrer Präsentation. Hinterlassen Sie für die Selbstdarstellung Ihres Unternehmens lieber eine Broschüre.
  • Konzentrieren Sie sich auf die Probleme und Herausforderungen des Kunden und zeigen Sie den Nutzen auf, den Ihre Produkte oder Dienstleistungen bei der Lösung bringen. Ein alter Hut, aber in der Praxis gelingt es nur guten Vertrieblern, wirklich die Kundenbrille aufzusetzen und rein aus Kundensicht zu argumentieren.

Testen Sie Ihre neue Vorgehensweise über mehrere Wochen. Wenn Sie jetzt noch erfolgreicher sind als vorher, dann lohnt sich die Anpassung Ihres persönlichen Gesprächsleitfadens.

Esther Lenssen

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