Telesales: Der heisse Draht zum Kunden

Johanna Schott

Heute halten viele Unternehmen fast ausschließlich via Telesales den persönlichen Kontakt zu ihren Kunden. Entsprechend wichtig ist es, dass an den Telefonen fachlich kompetente sowie kundenorientiert denkende und handelnde Mitarbeiter sitzen, die Menschen für sich und ihr Unternehmen begeistern können.

Qualifizierte Mitarbeitende lassen sich nicht in starre Gesprächsvorgaben pressen. Damit wäre auch keine individuelle Beratung der Kunden per Telesales möglich.
Qualifizierte Mitarbeitende lassen sich nicht in starre Gesprächsvorgaben pressen. Damit wäre auch keine individuelle Beratung der Kunden per Telesales möglich.© Fotolia_66813494_XS_copyright.jpg

View: 5.193 Kommentieren: 0

„Guten Tag. Hier ist das Unternehmen xy. Mein Name ist Paula Maier. Was kann ich für Sie tun?“ Solche Begrüßungsformeln hörten Anrufer früher oft, wenn sie bei Unternehmen anriefen. Dann war den Anrufern nach wenigen Worten klar: Mein Gegenüber hat ein Telefontraining durchlaufen.

Vieltelefonierer nervten solche langen Begrüßungsfloskeln auf Dauer. Bis die Agents, so die offizielle Bezeichnung der Telefondamen und -herren, ihre Begrüßungsformel heruntergespult hatten, verstrichen oft scheinbar Minuten. Und war nur eine Rezeptionistin an der Leitung, hatte der Anrufer schnell das Gefühl: „Warum redet die so lange, wenn sie mich ohnehin nur weitervermitteln darf?“

Das haben viele Unternehmen erkannt. Deshalb geben sie ihren Agents heute meist statt ausformulierter Begrüßungsfloskeln nur noch die Kernelemente der Begrüßung vor. Wie sie diese auskleiden und die Beziehung zu den Telefonpartnern herstellen, überlassen sie ihren Mitarbeitern. Auch, ob sie sich nur mit ihrem Nachnamen oder zudem mit ihrem Vornamen melden, stellen viele Unternehmen ihren Agents frei. Denn nicht immer ist das Nennen des Vornamens von Nutzen.

Gewandeltes Kommunikationsverständnis

Hierin dokumentiert sich ein Wandel im Verständnis der Kommunikation per Telefon. In der Vergangenheit ging es den Unternehmen beim Telefonkontakt häufig primär darum, sich nach außen einheitlich zu präsentieren. Heute soll sich in der Kommunikation per Telefon das Selbstverständnis des Unternehmens widerspiegeln. Und worüber definiert sich dieses in einem Zeitalter, in dem sich die meisten Firmen als Dienstleister verstehen? Über den Kundennutzen! Er soll sich in allen Kundenkontakten, also auch in der Telefonkommunikation, widerspiegeln.

Die Unternehmen achten auch stärker auf die Qualität der Telefonate – unter anderem, weil sie erkannt haben, dass man mit dem Telefon nicht nur schnell und kostengünstig, sondern auch persönlich mit Kunden kommunizieren kann. Sie haben zudem erkannt, welche Chancen zur Kundenbindung und zur langfristigen Sicherung des Unternehmenserfolgs ein effizienter Umgang mit dem Telefon bietet. Eine entsprechende Bedeutung messen sie heute der Telefonkommunikation bei. Das zeigt sich auch darin, dass heute bei vielen Dienstleistungsunternehmen Vorstandsmitglieder für die im Telefonbereich praktizierten Strategien verantwortlich sind.

Oft Herzstück der Organisation

Die Aufwertung zeigt sich auch darin, dass die Telefonabteilungen beziehungsweise Callcenter der Unternehmen heute in diesem kein Inseldasein mehr fristen. Bei vielen serviceorientierten Unternehmen sind sie das Herzstück der Organisation. Um sie gruppieren die anderen Unternehmensbereiche. Denn die Herren und Damen am Telefon haben den direktesten Draht zum Kunden.

Entsprechend wurden die Callcenter der Unternehmen in den zurückliegenden Jahren technisch und personell aufgerüstet. Und eine entsprechende Aufmerksamkeit schenken die Verantwortlichen den Prozessen, die in den Callcentern, die heute oft Kunden-Servicecenter heißen, ablaufen; außerdem deren Zusammenarbeit mit den anderen Unternehmensbereichen. Denn die per Telefon gewonnenen Informationen müssen adäquat verarbeitet werden. Nur dann wird aus dem qualifizierten Kundenkontakt ein qualifizierter Service.

Spezialisten gefragt

Mit der wachsenden Bedeutung der Telefonkommunikation stiegen auch die Anforderungen an die Agents. Heute sitzen in den Servicecentern nur noch selten „Ungeschulte Kräfte mit angenehmer Telefonstimme“ am Telefon. Vielmehr arbeiten an den Kunden-Kontaktpunkten oft fachlich hochqualifizierte Mitarbeiter, vom Bankkaufmann bis zum Ingenieur, die eine sehr hohe Beratungskompetenz haben. Diese brauchen die Agents auch, weil ihnen die Unternehmen immer komplexere Serviceaufgaben übertragen.

Sichtbares Zeichen hierfür sind die zahllosen Hot- und Service-Lines, die neben den klassischen Dienstleistern, inzwischen auch fast alle Technikproduzenten für ihre Kunden geschaltet haben. Über sie nehmen die Agents nicht nur Aufträge entgegen. Über sie werden auch Reklamationen bearbeitet sowie Anwendungs- und Wartungsprobleme gelöst.

Hierfür brauchen die Agents ein Fachwissen, das sich auf dem neusten Stand befindet – unter anderem, weil sich die Merkmale der Produkte und Systeme oder deren technische Features oft ändern. Deshalb bilden die meisten Anbieter komplexer sowie erklärungsbedürftiger Produkte und Dienstleistungen ihre Agents trotz qualifizierter Erstausbildung und Berufserfahrung kontinuierlich weiter – nicht nur in Seminaren. Auch im Arbeitsalltag werden sie kontinuierlich trainiert und gecoacht – meist durch ihre unmittelbaren Vorgesetzten oder durch Kollegen, die häufig eine Trainer- oder Coachingausbildung durchlaufen haben.

Leitfäden statt Skripts

Gut qualifizierte Mitarbeiter(innen) lassen sich nicht in starre Gesprächsmuster pressen. Mit ihnen wäre auch keine individuelle sowie persönliche Beratung der Kunden per Telefon möglich. Deshalb haben inzwischen die meisten Unternehmen ihre ausformulierten Telefonskripts durch offene Gesprächsleitfäden ersetzt.

Und ihre Telefontrainings? Sie sind weniger mechanistisch als früher. Die Kerninhalte der Trainings haben sich zwar nicht verändert. Weiterhin spielen in ihnen solche Themen wie Begrüßung, Gesprächsaufbau, professionell fragen, aktiv zuhören sowie Gespräche eröffnen und abschließen eine zentrale Rolle. Doch der Fokus hat sich verschoben. Den Mitarbeitern werden heute keine starren Gesprächs- und Verhaltensmuster mehr vermittelt. Sie sollen vielmehr lernen, die Struktur und den Ablauf ihrer Gespräche selbst zu planen und zu steuern – und zwar so, dass sie einen Draht zum Kunden finden und dessen Ohr sowie das Ziel des Gesprächs erreichen.

Als Team agieren

Zudem wurden die klassischen Trainingsinhalte ergänzt. Denn heute müssen die Agents oft alle servicerelevanten Abläufe und Prozesse im Unternehmen kennen, damit sie mit den anderen Bereichen effektiv zusammenarbeiten und den Kunden zum Beispiel keine unrealistischen Versprechen geben. Nicht nur deshalb gewinnt in den Trainings der Agents das Thema Team- und Zusammenarbeit an Bedeutung. Auch mit ihren unmittelbaren Kollegen müssen sie verstärkt kooperieren. Denn aufgrund der stets komplexeren Serviceaufgaben, die die Unternehmen ihren Call- oder Servicecentern übertragen, kann heute kein Agent mehr auf alle Kundenanliegen oder -fragen gleich kompetent reagieren. Er muss Anrufer vielmehr häufig weitervermitteln oder Kollegen um Rat fragen.

Teamarbeit erfordert auch die Arbeitssituation. Agents müssen sich in der Regel im Drei-, Vier-Minuten-Takt auf neue Kunden einstellen. Und stets sollen sie ein kundenorientiertes Verhalten auf hohem Niveau zeigen. Das erzeugt Stress; speziell dann, wenn die Anrufer selbst unter Spannung stehen. Zum Beispiel, weil ihre Computer nicht funktionieren oder der Geldautomat ihre Karte schluckte oder ein wichtiges Ersatzteil bei ihnen noch nicht eintraf. Dann müssen die Agents die Nerven behalten und durch ein freundliches, aber gezieltes Nachfragen den Kunden zur schnellst- und bestmöglichen Lösung des Problems führen.

Die Kollegen brauchen einander auch als „mentale Unterstützer“, denn Call- und Servicecenter ticken anders als „normale“ Fachabteilungen – auch weil in ihnen die Fluktuationsrate meist höher ist, weshalb die Agents stets neue Kollegen integrieren müssen.

Hinzu kommt: Die meisten Callcenter arbeiten mit Kommunikations- und Informationssystemen, die fast jede Reaktion des Mitarbeiters messen und registrieren. Und für Außenstehende nur schwer vorstellbar ist, welcher Stress bei den Mitarbeitern entsteht, wenn bei jedem Telefonat in der Warteschleife der Anlage schon -zig weitere Anrufer warten. Deshalb ist eine gezielte Teamentwicklung in den Telefonabteilungen beziehungsweise Callcentern der Unternehmen oft erfolgsentscheidend.

Denn so wie die Mitarbeiter miteinander umgehen, gehen sie meist auch mit den Kunden um. Oder anders formuliert: Im Kundenkontakt spiegelt sich die Zufriedenheit der Mitarbeiter wider.

Zur Person

Johanna Schott ist Geschäftsführende Gesellschafterin des Trainings- und Beratungsunternehmens study & train, Stuttgart www.study-train.de, das den Mitarbeitern von Unternehmen unter anderem die kommunikativen Fähigkeiten vermittelt, die diese im Arbeitsalltag brauchen.

Johanna Schott

Kommentar hinzufügen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert