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Wie kommt man zu einem agilen Vertrieb?
Antworten von Anne-Rose Raisch, Geschäftsführerin des Raisch Instituts im schwäbischen Waldenbuch.
Amazon, Google & Co. geben den Takt vor. Denn die globalen Digital-Giganten sind vor allem eins: Großmeister in Sachen Agilität. Auf Basis der von ihnen permanent erhobenen Daten über Vorlieben, Erwartungen und Verhalten ihrer Kunden ziehen sie in rasender Geschwindigkeit ihre Schlüsse und setzen sie ebenso konsequent und rasch um. Gelebte Kundennähe nennt man das.
Nichts anderes ist das, was eine gute Vertrieblerin, einen guten Vertriebler seit jeher auszeichnet: Die Bedürfnisse des Kunden kennen, sie geradezu erspüren – und diesen Bedürfnissen im Idealfall proaktiv gerecht werden.
So weit, so bekannt. Allerdings ändern sich die Rahmenbedingungen derzeit dramatisch: Die Dynamik, mit der sich die Bedürfnisse des Kunden verändern und seine Ansprüche steigen, wächst. Ein Trend übrigens, der sich nach Lage der Dinge in den kommenden Jahren noch verstärken wird. Denn die digitale Transformation, die diesen Trend maßgeblich befeuert, wird sich weiter beschleunigen.
Digitalisierung im B2B-Vertrieb: So nutzen Sie erfolgreich Sales-Technologien
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Zu den Gewinnern des Wandels gehören Unternehmen und Menschen, die selbstbewusst und kreativ damit umgehen. Die der Veränderung nicht hinterherhecheln, sondern sie aktiv mitgestalten. In denen das quirlige Marktumfeld keine Abwehr-Reflexe auslöst, sondern im Gegenteil: für die es Ansporn und Lebenselixier ist.
Der moderne Vertrieb benötigt einen speziellen Typ Mensch
Der Vertrieb von morgen braucht deshalb einen ganz speziellen Typus Mensch, der sich deutlich vom egozentrischen Erfolgsmenschen und Einzelkämpfer der Vergangenheit unterscheidet.
„Wer seinen Kunden auch in Zukunft ein guter Vertriebspartner sein will, muss sein Mindset am gemeinsamen Erfolg ausrichten und sein Ego hintanstellen“, beobachtet Anne-Rose Raisch, die Gründerin und Geschäftsführerin des Raisch-Instituts, die seit vielen Jahren Führungskräfte und Mitarbeitende im technischen Vertrieb schult.
Eifersüchteleien und Machterhalts-Spielchen sind für den Erfolg im agilen Zeitalter kontraproduktiv. Gefragt sind mehr denn je echter Teamgeist und Orientierung an der Sache und den verfügbaren Fakten.
Was bedeutet Agilität im Vertrieb?
Agilität im Vertrieb heiße nicht zuletzt, sich schnell und vorbehaltlos auf neue Situationen einstellen zu können und lösungsorientiert zu denken. Das erfordere ein offenes Menschenbild, Selbstreflexion und Selbstkontrolle, Einfühlungsvermögen, Kritik- und Fehlertoleranz, emotionale Balance und die Bereitschaft zu kooperativer Zusammenarbeit. Wichtig sei auch eine Art der Kommunikation, bei der hinhören und mitdenken wichtiger ist als sich mitzuteilen.
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Mehr lesenSoft Skills als Erfolgsfaktoren für agilen Vertrieb
Das stellt viele Vertriebsverantwortliche vor eine keinesfalls triviale Aufgabe: Sie müssen ihre Vertriebsteams mit Menschen bilden, die über Soft Skills verfügen, die über weite Strecken dem widersprechen, was wir alle über Jahrzehnte gelernt haben.
Für bestehende Teams und etablierte Mitarbeiter stellt sich dabei die Frage: Lassen sich diese Fähigkeiten und Eigenschaften antrainieren – und wenn ja, wie und in welchem Maße?
Und wo stößt ein solches Training an seine durch die Persönlichkeit der jeweils Beteiligten gesetzten Grenzen? „Ob es um die Bildung neuer Teams geht oder darum, bestehende Teams mit dem Prinzip agilen Verhaltens vertraut zu machen – am Anfang steht immer eine diagnostische Standortbestimmung, wie wir das nennen.“
Dabei geht es darum auszuloten, welches Verhalten und welche Kompetenzen die einzelnen Mitglieder eines Vertriebsteams – oder potenzielle neue Mitarbeitende – im Hinblick auf agiles Arbeiten mitbringen. „Das erfordert neben guter Menschenkenntnis Zeit und eine ganze Reihe von zielgerichteten Gesprächen, die allerdings nicht in eine Art Benotung münden, sondern ein möglichst stimmiges Gesamtbild von der ganzen Persönlichkeit zeichnen sollen. Das ist von zentraler Bedeutung.“
Die Vertriebler erzählen beispielsweise, welche Projekte sie besonders inspirierend fanden oder finden. Welche Erfahrungen ihnen nach eigener Einschätzung besonders viel Erkenntnisgewinn gebracht haben, wie sie bestimmte Herausforderungen angehen, wie sie planen und mit „Niederlagen“ umgehen. Aber auch, wie sie ihre und die Zukunft ihres Unternehmens sehen und vieles mehr.
Kooperativ denken in agilen Teams
„Wenn man diese Gespräche und Workshops richtig steuert, sind der Prozess und seine Ergebnisse nicht zuletzt für die Probanden sehr erhellend. Sie führen ein Stück weit dazu, sich selbst, seine Stärken und Begrenzungen zu erkennen und öffnen das Bewusstsein für eine neue, kooperative Art zu denken – eine wichtige Voraussetzung für agiles Handeln.“
In anschließenden Workshops und Coachings lassen sich die wichtigsten Eigenschaften und Verhaltensweisen eines agilen Vertrieblers einüben und in neue Routinen gießen. Neben der Fähigkeit zu Multitasking und einer ebenso kreativen wie effizienten Arbeitsorganisation gehören dazu Dinge, die bislang im Wirtschaftsleben eher unterrepräsentiert sind.
Wer es zum Beispiel gewohnt ist, Wissen als Herrschaftsinstrument einzusetzen, wird Schwierigkeiten mit agilem Handeln haben. Denn das lebt vom genauen Gegenteil: dem stressfreien Teilen von Wissen und dem intuitiven Agieren.
Natürlich kommt es laut Anne-Rose Raisch vor, dass sich jemand mit der neuen Art der Zusammenarbeit so schwer tut, dass es schlicht nicht funktioniert. „Aber sehr vieles kann man sich tatsächlich aneignen und zur Gewohnheit machen – guten Willen und Offenheit für Neues vorausgesetzt.“
Neue agile Unternehmenskultur etablieren
Nicht minder groß ist die Umstellung für die beteiligten Organisationen. Sie müssen eine agile Unternehmenskultur erlernen, einführen und etablieren, die die oben beschriebenen Verhaltensweisen unterstützt und fördert.
Eine Notwendigkeit allerdings, die nicht nur den Vertrieb betrifft, sondern alle Unternehmensbereiche. Anne-Rose Raisch:
Agiles Denken und Handeln ist kein Selbstzweck und erst recht keine Option, die man ergreifen oder ignorieren kann. Es entspreche vielmehr dem Wandel der Märkte und den Anforderungen der Kunden.
„Ich bin überzeugt, Unternehmerinnen, Unternehmer und Vertriebsleute, die das begreifen und entschlossen umsetzen, werden gestärkt aus dem derzeitigen Umbruch hervorgehen. Wer hingegen weiterhin an Strukturen und Verhaltensweisen festhält, die im vorigen Jahrhundert funktioniert haben, inzwischen aber zunehmend kontraproduktiv werden, wird massive Probleme bekommen.“
Für die Umsetzung in der Organisation empfiehlt die Vertriebs-Expertin ein klar definiertes Vorgehen: „Je weicher die Faktoren, desto wichtiger ist es, sie in strukturierte Prozesse einzubinden, damit das Ganze nicht ins Unverbindliche abdriftet und im Tagesgeschäft untergeht.“
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Mehr lesenStatus und Ziele für die agile Transformation definieren
Dazu sei es hilfreich, zunächst den aktuellen Status und die Ziele des eigenen Unternehmens möglichst detailliert zu definieren. Etwa, wie das Unternehmen in seinem Markt steht und wo es in einigen Jahren stehen soll. Nicht zu vergessen: Was Agilität konkret für das Unternehmen und seine verschiedenen Bereiche bedeutet – von der Produktentwicklung über das Produktmanagement bis hin zu Service und Vertrieb.
„Die Ergebnisse dieser Definitionsrunden sollten schriftlich festgehalten und verbindlich kommuniziert werden. Denn nur dann können sie ihre Wirkung entfalten.“
Im nächsten Schritt gelte es, die Organisation an den definierten Zielen auszurichten, hierarchische Strukturen aufzubrechen und den Teams mehr Eigenständigkeit zu geben. Aus den gewonnenen Erkenntnissen über das Unternehmen und seinen Weg in die Zukunft lassen sich Impulse ableiten, die wiederum in die Strategie einfließen und in konkrete Maßnahmen gegossen werden sollten.
Detaillierter Projektplan fürs Changemanagement
Das Ergebnis ist ein Projektplan, in dem detailliert festgehalten ist, wer was mit wem umsetzt und bis wann. Dabei sollte der Zeithorizont für die zu treffenden Maßnahmen und Aktionen dreigeteilt werden: in kurz-, mittel- und langfristig.
Diesen Projektplan gilt es kontinuierlich in Meetings und gemeinsamen Workshops fortzuschreiben. Dabei gleichen die Teams ihre Ziele regelmäßig mit den bisherigen Fortschritten ab und passen beides bei Bedarf an eventuelle neue Entwicklungen und Erkenntnisse an.
Wichtig: Oberste Instanz und Mittelpunkt bei den Definitions- und Abstimmungsrunden ist weder die Führungskraft noch das Unternehmen, sondern der Kunde und dessen konkreter Nutzen. Ein solches iteratives Vorgehen sorgt zum einen dafür, dass das Projekt nicht in Blindflug übergeht.
Das Prinzip der Agilität im Vertrieb
Visionen entwickeln und Ziele setzen, kleine Schritte gehen, immer wieder offen prüfen, ob der eingeschlagene Weg noch zum definierten Ziel führt und bei Bedarf nachjustieren – den Weg oder das Ziel.
Unsere Erfahrungen mit solchen Prozessen sind eindeutig: Sobald sie in Gang gesetzt sind und man ernsthaft und kontinuierlich dran bleibt, zeigen sich meist relativ rasch erste Erfolge. Entscheidend ist allerdings: Die Führungsebene muss den Wandel wollen, den Sinn dahinter sehen und die geforderte Offenheit vorleben.
Je mehr Klarheit, Mut und Vertrauen die Mitarbeiter bei diesem Veränderungsprozess spüren, desto mehr bringen sie sich ein und wollen ihren Teil beitragen, um das Unternehmen voranzubringen. Daraus entsteht letztlich eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.
Fazit der Expertin
Agilität und digitale Transformation sind zwei Seiten einer Medaille. Die Digitalisierung beschleunigt und verändert die Märkte und unsere ganze Gesellschaft, Agilität ist die professionelle Antwort auf die damit verbundenen Herausforderungen.
Beides erfordert ein grundlegendes Umdenken und Umsteuern. Denn es ist allemal besser, den Umbruch mitzugestalten, anstatt ihm mit innerem Widerstand zu begegnen. Wer diesen Weg gehen will, muss offen sein für unvorhergesehene Ereignisse und Entwicklungen. Und bereit, auf neue Situationen mit neuen Ideen zu reagieren statt mit dem Recycling überkommener Routinen.
Die Autorin
Anne-Rose Raisch ist Vollblut-Verkäuferin und Gründerin des RAISCH-Instituts. Als Trainerin und Coach hat sich auf den technischen Vertrieb spezialisiert. Ihre Spezialgebiete sind seit mehr als 20 Jahren proaktiver InsideSales, Außendienst und virtuelle Sales-Calls. Außerdem beherrscht sie die komplette Servicepalette guten Vertriebs. Anne-Rose Raisch versteht sich als Praktikerin mit Bodenhaftung und dem Sinn für das Nützliche und Machbare. www.raisch-institut.de
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