„Spitzenverkäufer werden nicht geboren“

In unserer Serie Vertriebserfolg stellen wir unterschiedliche Vertriebstechniken, -methoden und -ansätze vor, die heute von Vertriebstrainern und -experten propagiert werden. Den Start machen wir mit Verkaufstrainer und Buchautor Martin Limbeck. Was können gestandene Vertriebler noch von ihm lernen?

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Herr Limbeck, Sie beschäftigen sich unter anderem mit dem Selbstbewusstsein von Verkäufern und deren Einstellung zum Verkaufen. Welche Denkanstöße geben Sie Vertrieblern mit auf den Weg?

ML: Die größte Herausforderung der meisten Verkäufer ist die Verlustangst. Sie denken: „Wenn ich mit dem Preis nicht runtergehe, verliere ich den Auftrag.“ Sie denken, sie müssten dem Kunden unbedingt preislich entgegenkommen, damit er zufrieden ist und kauft. Ich sage aber: Raus aus der Verlustangst, rein in die Siegermentalität. Kunden kaufen nur von Siegern, das war schon immer so und das wird auch so bleiben.

Sie wollen einen starken Verkäufer an ihrer Seite und sie wollen, dass sich Verkäufer und Kunde dauerhaft gegenseitig in die Augen schauen können. Der Grund dafür ist relativ einfach nachzuvollziehen: Eine starke Persönlichkeit gibt dem Kunden Sicherheit und die Gewissheit, hochwertige Produkte und Dienstleistungen und einen verlässlichen, guten Service zu erhalten. Es geht um Vertrauen, um Sympathie und in erster Linie natürlich um den Abschluss – mit fairen Mitteln und einer überzeugenden Persönlichkeit.

Schon oft hat man gehört: Erfolgreiche Vertriebler treten ihren Kunden auf Augenhöhe gegenüber. Was heißt das aus Ihrer Sicht?

ML: Nur wer sich langfristig mit seinen Kunden auf gleicher Augenhöhe sieht, wird auch langfristig ein guter Gesprächspartner sein. Kunden machen kein Geschäft aus Mitleid, sondern möchten, dass es einen fairen Handel gibt, von dem beide Seiten profitieren. Der Kunde ist König – dieser Satz gilt heute so nicht mehr ohne Einschränkungen. Er ist nur so lange König, solange er sich als König verhält.

Als Verkäufer haben wir sowohl ein gutes Produkt bzw. eine gute Dienstleistung als auch einen guten Service zu bieten. Das heißt aber nicht, dass wir uns dem Kunden unterwerfen, unter seiner Teppichnarbe hervorkommen und dann versuchen, Fallschirm zu springen. „Anhauen, umhauen, abhauen“ war früher. Spitzenverkäufer sind heute alles andere als Türklinkenputzer und Fußabtreter. Sie sind selbstbewusst, ehrlich und wollen dem Kunden und sich selbst etwas Gutes tun.

Sie sagen, dass Spitzenverkäufer nicht geboren werden. „Der Fleißige schlägt das Talent“, drücken Sie es aus. Wie kommen Sie zu diesem Schluss?

ML: Daniel Coyle bringt es in seinem Buch „Die Talentlüge“ auf den Punkt: Talent ist nicht gottgegeben, sondern erlern- und dauerhaft steigerbar. Und ich stimme ihm zu: Wir können fast alles erreichen, wenn wir den Willen und die Motivation haben, uns klare Ziele setzen und dann die Disziplin aufbringen, diese zu erreichen. Alles, was zählt, ist Training, Training, Training. Coyle belegt seine These auch wissenschaftlich: Es ist ein Mechanismus im Gehirn, der aktiviert werden muss. Myelin, ein Stoff, der sich um die Nervenzellen legt und diese festigt, ist verantwortlich für unseren Erfolg. Wie ein Plastikschutz um ein Kabel bildet er sich um unsere Nervenzellen.

Gleiches besagt auch die 10.000-Stunden-Regel, die Bestsellerautor Malcom Gladwell entlarvt hat. Ein wahrer Experte, ein Champion, ein echter Profi wird nach ca. 10.000 Übungsstunden geboren – das sind etwa zehn Jahre harte Arbeit. Niemand gelangt mühelos, ohne andauernde, konsequente, leidenschaftliche Übung an die Weltspitze. Und ich habe es oft genug erfahren und gesehen: Langfristig überholt der Fleißige immer das Talent.

Glauben Sie denn, wirklich jeder kann ein Top-Vertriebler werden? Oder gibt es eine Vertriebler-DNA, eine Art Genpool, den man schon mal mitbringen muss und auf den man dann aufbaut?

ML: Es ist wie im Profifußball. Schauen Sie, wie viele Nationalmannschaftsspieler es gibt, die keine Talentbolzen sind, es aber über Fleiß, Disziplin und Willen kompensiert haben und heute zu Deutschlands Spitzenfußballern gehören. Genauso ist es im Spitzenverkauf. Wenn ich das A und O, die richtige Einstellung, mitbringe, kann ich alles erreichen. Wenn ich dann noch verkäuferische Fähigkeiten habe und auch rhetorisch sicher und überzeugend bin, starte ich natürlich von weiter vorne.
Spitzenvertriebler müssen sich auch hin und wieder in Konflikt mit dem Kunden und in Konkurrenz mit dem Wettbewerb begeben, um festzustellen, wo sie stehen. Wenn Verkauf genau das ist, was ich machen möchte, dann stimmt auch meine Einstellung. Dann liebe ich das, was ich tue und das überträgt sich auf den Kunden. Also ja: Jeder, der mit Leib und Seele darauf brennt, Top-Verkäufer zu sein, der kann es bis an die Spitze schaffen.

Kunden sind heute durchs Internet deutlich besser informiert als früher. Ist das Verkaufen Ihrer Meinung nach über die Jahre schwieriger geworden?

ML: Ja und nein. Die Kunden sind heute durch das Internet oft aufgeklärter, gleichzeitig aber auch etwas verunsicherter. Das, was im Web geschrieben steht, muss nicht immer richtig und wahr sein. Der Anspruch von Kunden und die Erwartungshaltung hinsichtlich Angebot und fairer Beratung sind schon deutlich gestiegen. Wenn ich heute als Verkäufer meinen Kunden nicht ordentlich abhole, werde ich keine gute Kundenbeziehung aufbauen können. Das hat sich auf jeden Fall geändert. Der Kunde ist mündiger, aufgeklärter und anspruchsvoller geworden.

 

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Text_Esther Lenssen, Vertriebszeitung

Bild: ©Martin Limbeck

Esther Lenssen

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