Anreizsysteme im Vertrieb: Sollte schlechte Leistung bestraft werden?

Sozialer Druck gehört zu den effektivsten aber auch umstrittensten Instrumenten zur Steigerung von Vertriebsperformance. So gibt es Unternehmen die etwa auf sogenannte „Rennlisten“ als Anreizsystem im Vertrieb schwören, um Mitarbeiter in einen direkten Wettbewerb zueinander zu setzen und damit zu motivieren – und andere Vertriebsorganisationen, die solche Instrumente vermeiden, um negative Folgen wie etwa psychische Belastung zu verhindern. Aus wissenschaftlicher Perspektive ist das Phänomen jedoch hoch interessant. Und wurde nun von einem internationalen Forscherteam um US-amerikanischen Forscher Jeffrey Boichuk eingehend untersucht.

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Gute Leistungen belohnen oder nicht ausreichende Performance bestrafen?

Vor dieser Frage stehen die meisten Vertriebsleiter. Gute Leistungen können auf verschiedene Weise gewürdigt werden: Materielle Anreize wie Provisionen oder ein Firmenwagen und immaterielle Anreize wie Beförderungen oder Mentorings können die Motivation und letztlich die Leistung von Vertriebsmitarbeitern steigern. In der Vergangenheit wurden diese unterschiedlichen positiven Anreizsysteme im Vertrieb ausführlich untersucht. Im Gegensatz dazu sind Bestrafungen nicht nur in der Vertriebspraxis umstritten, sondern auch in der Forschung stark unterrepräsentiert.

Anreizsystem im Vertrieb: Bench-Programm – Der Schwächste fliegt raus

Mit einer ganz besonderen Form der Bestrafung, die auf sozialem Druck basiert, hat sich ein internationales Forscherteam beschäftigt – mit dem sogenannten „Bench-Programm“. In diesem Artikel fassen wir wichtige Erkenntnisse dieser komplexen wissenschaftlichen Studie* zu zusammen.

Hierbei wurde in einem US-amerikanischen Unternehmen ein Anreizsystem im Vertrieb aufgesetzt, das wie folgt funktionierte: Zunächst wurde ein Ziel für einen Zeitabschnitt festgelegt. Erreichte ein Vertriebsmitarbeiter dieses Ziel nicht und belegte dieser Mitarbeiter zudem den letzten Platz in seiner Region, wurde der Mitarbeiter sofort ersetzt. Bereits während des untersuchten Zeitraums wurden potenzielle Nachfolger für die Vertriebsmitarbeiter geschult und eingearbeitet. Klingt hart – wurde für diese wissenschaftliche Studie aber genauso umgesetzt.

Und das Programm brachte tatsächlich positive Effekte auf die Verkaufsleistung hervor. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass die Performance in den Gebieten mit dem Programm im Schnitt um 4% höher als in anderen Gebieten war. Insbesondere eher unterdurchschnittlich agierende Vertriebsmitarbeiter wiesen ein stark verbessertes Ergebnis auf, da sie durch eine mögliche Letztplatzierung und die drohende Entlassung besonders motiviert wurden. Nachdem das Programm vom Unternehmen wieder eingestellt wurde, sank die Performance in den Gebieten wieder. Dies betraf abermals vor allem die Vertriebsmitarbeiter, die sich unter den performanceschwächeren Verkaufsberatern befanden.

Zumindest einen negativen Effekt konnten die Forscher ebenfalls zeigen: War ein von den Kollegen für seine Hilfsbereitschaft sehr geschätzter Mitarbeiter derjenige, der das Unternehmen verlassen musste, hatte dies einen stark negativen Effekt auf die Gesamtleistung seines Teams in der Folgezeit. Und welche Schlüsse kann man aus der Studie für die Vertriebspraxis ziehen?

Ist so ein Anreizsystem im Vertrieb also insgesamt sinnvoll?

1. Sozialer Druck ist ein wirksames Mittel

Bereits frühere wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass sozialer Druck im Vertrieb zumindest kurzfristig positive Effekte auf die Performance haben kann. Insbesondere Mitarbeiter mit unterdurchschnittlicher Leistung können dadurch stark motiviert werden. Dieser Effekt scheint in der Studie durch die unmittelbare Präsenz des potenziellen Nachfolgers sogar noch gesteigert worden zu sein. Doch ebenso wichtig wie die positiven Effekte, sind auch teilweise erst verzögert auftretende negative Effekte.

2. Sozialer Druck kann auch blockieren und krank machen

Auch wenn die negativen Folgen in der oben beschriebenen Studie nur in geringem Maße auftraten, gibt es genügend Beispiele und wissenschaftliche Belege dafür, dass sozialer Druck auch zu Überforderung und psychischen Krankheiten führen kann. Er sollte also nur sehr dosiert und auch nur dort eingesetzt werden, wo die Mitarbeiter damit auch umgehen können. Spielerische Elemente wie etwa Wettbewerbe können hierzu ein gutes Mittel sein.

3. Mit einem Fachkräftemangel im Vertrieb kann man sich derartige Maßnahmen meist ohnehin nicht leisten

Nur die wenigsten Unternehmen werden überhaupt in der komfortablen Situation sein, dass sie für jeden Mitarbeiter gleich einen passenden Ersatz parat haben. Der Vertriebsjob wird immer anspruchsvoller und erfordert meist eine lange Einarbeitung. Das bedeutet: Das „Bench-Programm“, das in dieser Studie getestet wurde, wird ohnehin in der Realität kaum umsetzbar sein.

Gute Leistungen belohnen oder schlechte Leistungen bestrafen? – oder beides gleichzeitig?

Die Frage nach dem besten Anreizsystem im Vertrieb lässt sich pauschal nicht beantworten. Vor allem Vertriebsmitarbeiter, die eher schwächere Ergebnisse vorweisen sind häufig schwer zu motivieren. Ein „Bench-Programm“ kann in Kombination mit einem Bonussystem helfen, über die gesamte Vertriebsmannschaft für eine bessere Performance zu sorgen. Man sollte jedoch beachten, dass dieses System nur selten überhaupt eingesetzt werden kann und potenziell langfristig stark negative Folgen haben kann.

Von Jan Helge Guba und Thomas Marquardt

Information: Der Artikel basiert in Teilen auf der 2019 im Journal of Marketing Research erschienenen *Studie von Jeffrey P. Boichuk, Raghu Bommaraju, Michael Ahearne, Florian Kraus und Thomas J. Steenburgh mit dem Titel „Managing Laggards: The Importance of a Deep Sales Bench”.

Dr. Jan Helge Guba

Ein Kommentar zu “Anreizsysteme im Vertrieb: Sollte schlechte Leistung bestraft werden?

  1. Nicole Schläpfer

    Guten Tag Herr Dr. Guba

    Besten Dank für diesen spannenden Beitrag!

    Meines Erachtens lohnt es sich, einen sehr differenzierten Blick auf die Anreizsysteme im Vertrieb zu lenken. Longitudinalstudien wären sinnvoll, um eben die langfristigen Effekte zu untersuchen.

    Was in diesem Beitrag leider zu kurz kommt, ist die differenzierte Betrachtung von Männern und Frauen im Verkauf. Das Motivationsschema einer Frau weicht in aller Regel grundsätzlich von dem eines Mannes ab. Jeder Frau im Verkauf ist klar, dass das gesetzte monetäre Ziel zu erreichen ist. Die Vorgehensweise zur Zielerreichung weicht oftmals jedoch sehr stark von der eines Mannes ab. Sind Anreizsysteme rein monetärer Natur und basieren auf Druck, verlieren die meisten Frauen die Freude am Verkauf, performen schlechter oder kündigen gar. Das kann nicht im Sinne eines Unternehmens sein, zumal man heutzutage weiss, dass gemischte Teams insgesamt eine bessere Performance aufweisen. Bei weiteren Fragen, insbesondere zum Thema Frauen im Verkauf, stehen wir gerne mit Know-how zur Verfügung: https://target-sales.ch

    Beste Grüsse

    Nicole Schläpfer
    Target Sales GmbH

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