Die Balanced Scorecard als Steuerungsinstrument im Vertrieb

Die Balanced Scorecard ist für Unternehmen ein wichtiges Steuerinstrument. Sie wurde entwickelt von den amerikanischen Wirtschaftswissenschaftlern Robert S. Kaplan und David P. Norton. Das Tool ermöglicht es, die Grobplanung der Unternehmensleitung detailliert auf die verschiedenen Businesseinheiten herunterzubrechen – bis hin zu den einzelnen Mitarbeitern.

Die Balanced Scorecard zeigt als Tacho Ihre Geschwindigkeit an, aber fahren müssen Sie selbst! 
Die Balanced Scorecard zeigt als Tacho Ihre Geschwindigkeit an, aber fahren müssen Sie selbst! © andranik123/stock.adobe.com

View: 10.333 Kommentieren: 0

Thomas Grimm, Geschäftsführer der Suxxeed Sales for your Success GmbH setzt seit Jahren auf die Balanced Scorecard. „Das Tool macht Leistung messbar und visualisiert sie über ein Ampel-System. So kann sich jeder Manager innerhalb kürzester Zeit einen Überblick verschaffen, wo sein Unternehmen und die einzelnen Geschäftszweige stehen“, erklärt er.

Funktionsweise und Kennzahlen im Vertrieb

Für die Planung und Überwachung des Vertriebserfolgs ist es für Vertriebsleiter beispielsweise wichtig, die Umsatzvorgaben auf Vertriebsgebiete und die Mitarbeiter zu verteilen. Die Zahlen aus der Vorgabe der Unternehmensleitung werden dabei auf die einzelnen Monate und Tage verteilt und entsprechend in die Scorecard übertragen. Anschließend werden Größenordnungen festgelegt und mit einem Rating versehen, bei dem ein Ampelsystem zum Tragen kommt.

Beispiel: Der Vertrieb hat die Vorgabe, 100 Einheiten aus einer Produktserie zu verkaufen. Beim Verkauf von Einheiten in der Größenordnung von 91 bis 100 wird die Farbe Gelb vergeben. Bei  101 bis 110 verkauften Einheiten steht die Ampel auf Grün. Bei Einheiten unter 90 schrillen die Alarmglocken und die Ampel zeigt Rot an. „Die Herausforderung in der Praxis ist es, die Zahlen so vorzugeben, dass sie zwar realistisch sind, aber auch eine Herausforderung in der Erreichung der Ziele liegt“, so Thomas Grimm.

Es bringe nichts, wenn die Ampel durchgängig grün anzeige. Dies bedeute letztlich, dass ein Unternehmen sein Potenzial nicht richtig ausschöpfe. Wichtig ist zudem, die Balanced Scorecard als Tool zur Unterstützung im Arbeitsalltag zu sehen und nicht als statische Zahlenwüste.

Um erfolgreich mit der Balanced Scorecard zu arbeiten, muss sie regelmäßig nachadjustiert werden. „Es ist wichtig, Augen und Ohren immer am Markt zu haben. Sonst verschläft man unter Umständen einen wichtigen Trend oder hält an Produkten fest, die längst obsolet sind“, erklärt Thomas Grimm. Ändern sich also beispielsweise Marktpreise, muss dieser Tatsache in der Zielvorgabe für den Vertrieb Rechnung getragen werden.

Identifizierung von Kleinkunden

Die Balanced Scorecard kann auch als Tool zur Identifizierung von Kleinkunden genutzt werden. Beispiel: Ein Unternehmen will die Marge pro verkaufte Einheit erhöhen. Dazu wird ein Preiskorridor gebildet, der zum einen den Marktpreis beinhaltet und zum anderen den Preis, den ein Kunde für ein Produkt zu zahlen bereit ist. Dann wird eine Range von Minimal- bis Maximalpreisen festgelegt, die dem Ziel „Margenerhöhung“ Rechnung trägt. Von Kunden, die aus dieser Vorgabe herausfallen, kann sich das Unternehmen dann entweder trennen oder mit deren Betreuung einen externen Dienstleister beauftragen.

Die Balanced Scorecard als Tacho im Vertrieb: Sie zeigt Ihre Geschwindigkeit an, aber fahren müssen Sie selbst 

Die Balanced Scorecard (BSC) wird von den meisten Unternehmen als Steuerungsinstrument geschätzt. Doch das Tool kann mehr: so wird es beispielsweise zum Managen von Vertriebseinheiten genutzt. Lesen Sie im Interview mit Suxxeed-Geschäftsführer Thomas Grimm, was die Balanced Scorecard im Vertrieb leisten kann und wo die Grenzen liegen.

Herr Grimm, Sie nutzen die BSC in Ihrem Unternehmen auch, um Vertriebsschwächen aufzuzeigen. Wie funktioniert das?

Wenn die Vorgabe beispielsweise lautet, aus 10 Telefonkontakten drei Verkaufschancen und daraus wiederum einen Auftrag zu machen und das funktioniert nicht, geht man der Sache nach. Liegt es an der Adressqualität bzw. ruft der Verkäufer die falschen Leute an? Eskimos kann man schließlich keine Eisschränke verkaufen. Eine andere Möglichkeit: Die Vorgehensweise ist einfach falsch oder das Produkt ist schlecht. Wenn also die Kennzahl aus dem Rahmen läuft ist die Aufgabe des Vertriebsleiters zu analysieren, was genau da schiefläuft.

Welche Maßnahmen werden denn dann eingeleitet?

Das kann  beispielsweise eine Schulung sein, wenn sich herausstellt, dass inhaltliche Schwächen ausschlaggebend sind. Oder wir greifen ein, wenn die falsche Zielgruppe angerufen wird. Letztendlich nutzen wir die BSC, um aus einer Vertriebsschwäche eine Vertriebsstärke zu machen. 

Womit wir bei einer der vier Dimensionen der BSC sind, nämlich der Mitarbeiter-Komponente. Welche Faktoren fließen da mit ein?

Da schauen wir unter anderem auf den Krankenstand, die Fluktuation, aber auch auf den Zeiteinsatz eines Außendienstlers. Wenn einer jeden Tag 12, 13 Stunden unterwegs ist, dann ist ein Burnout fast schon vorgezeichnet. Das will natürlich niemand. Läuft also die Kennzahl „Zeiteinsatz“ aus dem Ruder, muss der Vertriebsleiter gegensteuern und versuchen, die Effizienz seines Mitarbeiters zu steigern und damit auch einem Burnout vorzubeugen. 

Wie geht man da genau ran?

Es werden Gespräche mit dem Mitarbeiter geführt, um zu analysieren, wie der Zeiteinsatz zustande kommt. Das kann an ganz profanen Dingen wie einer schlechten Routenplanung liegen. Oder an administrativen Dingen. Wir stellen immer wieder fest, dass viele Vertriebler einfach chaotisch organisiert sind. Da kann Dringendes nicht von Wichtigem unterschieden werden. Oder aber, man lässt sich ständig stören und arbeitet an vielen Dingen gleichzeitig, statt erst einmal eine Sache zu Ende zu bringen. Die persönliche Arbeitsorganisation ist im Grunde der Schlüssel zu allem. Alle erfolgreichen Verkäufer, die ich kenne, sind super organisiert. 

Welche Grenzen hat die Balanced Scorecard im Vertrieb aus Ihrer Sicht?

Im Grunde ist es so: Ein wirklich guter Vertriebsmitarbeiter braucht die Balanced Scorecard nicht. Auch als gute Führungskraft hat man meist im Bauch, was funktioniert und was nicht. Mit der BSC ist es wie mit dem Tachometer. Wenn ich mit dem Traktor auf dem Acker unterwegs bin, brauche ich ihn nicht. Im Stadtverkehr hingegen schon, weil er mir anzeigt, ob ich zu schnell bin und deswegen eine Strafe kassiere.  Obwohl ein guter Fahrer auch im Gefühl hat, ob er  50 oder 70 km/h fährt.

Die Balanced Scorecard im Vertrieb ist aber sehr gut, um einen Überblick zu behalten und um zu überprüfen, ob auf lange Sicht Ziele eingehalten, Prozesse verbessert werden. Sie hilft dabei, ein besseres Gefühl für den Vertriebsbereich zu bekommen. Doch rein durch den Einsatz der BSC wird man nicht erfolgreicher. Wer abnehmen will, nimmt nicht deshalb ab, weil er für sich Kennzahlen definiert. Er nimmt ab, weil er es wirklich will. Und im Vertrieb verhält es sich im Grunde genauso.

Thomas Grimm, SUXXEED

Kommentar hinzufügen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert