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Den Vertriebseinheiten von Unternehmen, die im B2B-Geschäft tätig sind, fehlt es häufig an Verhandlungskompetenz. Die war in der Vergangenheit auch nicht unbedingt gefragt: In den vergangenen Jahrzehnten kam es im Vertrieb in erster Linie darauf an, gute Beziehungen zu den Kunden zu pflegen.
Bei den früher weitgehend stabilen globalen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und funktionierenden Lieferketten lag der Gewinn der Unternehmen in der Kostenminimierung. Folglich bestand Vertriebskompetenz vor allem im Aufbau partnerschaftlicher Kundenbeziehungen und gezieltem Beziehungsmanagement.
Gefragt waren Persönlichkeiten, die empathisch mit den Kunden umgehen und Konflikte mit ihnen bereits im Keim aus dem Wege schaffen konnten.
Trend zu eskalierenden Verhandlungen
Das ist heute nicht mehr ausreichend. Angesichts der wieder aufgeflammten Inflation stehen die Vertriebsabteilungen auf einmal vor der Aufgabe, höhere Preise durchsetzen zu müssen, will das Unternehmen weiter profitabel arbeiten.
Branchenübergreifend ist deshalb ein Trend hin zu harten und eskalierenden Verhandlungen zu beobachten. Dafür sind die Vertriebsabteilungen derzeit schlecht gerüstet und den professionell strukturierten und ausgebildeten Einkaufsabteilungen meist unterlegen.
Deshalb müssen sich die Unternehmen kulturell und mental neu aufstellen. Gefragt ist nun auch Verhandlungskompetenz.
Das bedingt drei wesentliche Änderungen. Um den Einkaufsabteilungen ihrer Kunden gewappnet zu sein und auf Augenhöhe mit diesen zu verhandeln, müssen die Unternehmen mehr Gewicht auf die Vorbereitung der Verhandlungen legen. Das erfordert:
- die richtige Zusammensetzung des Verhandlungsteams
- eine bessere mentale Einstellung der Verhandler, um mit Konflikten in der Verhandlung zielgerichtet umgehen und auch eine gewisse Härte gegenüber dem Kunden zeigen zu können
- ein besseres Datenmanagement, um der Einkaufsabteilung des Kunden die Notwendigkeit einer geforderten Preiserhöhung detailliert belegen zu können.
In diesem Artikel geht es um die organisatorische Struktur des Verhandlungsteams.
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Mehr lesenWarum der Key Account der falsche Verhandler ist
Aus unserer Sicht als Verhandlungsexperten liegt ein entscheidender Fehler meist schon darin, wer auf der Vertriebsseite die Verhandlung führt. Typisch für die meisten Unternehmen im B2B-Geschäft ist die Key-Account-Struktur für die größeren Kunden. Das heißt, es gibt einen festen Ansprechpartner für den jeweiligen Kunden, der im Binnenverhältnis alle operativen Dinge aus Entwicklung, Vertrieb, Marketing, Qualitätssicherung etc. zusammenführt, die diesen Kunden betreffen.
Der Key Account ist es auch, der dann ein bis zweimal im Jahr die Konditionen mit dem Kunden verhandelt. Das ist der klassische Weg, nach unserem Eindruck verlaufen geschätzt etwa 80 Prozent der Verhandlungen so.
Für die Durchsetzung der eigenen Interessen in den Verhandlungen ist das suboptimal. Denn der Key Account ist in der Regel die Person, die zum Kunden die beste Beziehung auf operativer und menschlicher Ebene aufgebaut hat. Er arbeitet eng und intensiv mit diesem zusammen und daraus hat sich eine funktionierende Arbeitsroutine entwickelt. Seine Stärke ist es, Probleme aus Kundensicht frühzeitig zu erkennen und dafür adäquate Lösungen zu entwickeln.
Durch die enge Zusammenarbeit mit dem Kunden erwächst mit der Zeit auch eine inhaltliche und emotionale Nähe zu und manchmal sogar Abhängigkeit von diesem Kunden. Und jetzt soll der Key Account auf einmal Härte und Konfliktbereitschaft zeigen und Mehrpreisforderungen durchsetzen oder vom Kunden geforderte Preissenkungen abwehren? Dafür ist er mental und inhaltlich schlecht vorbereitet.
Wenn die Konditionsverhandlungen über den Key Account verlaufen, dann ist das aus zwei Gründen falsch:
- Erstens ist er dem Einkauf unterlegen, weil er die Abhängigkeit vom Kunden spürt
- Außerdem würde er, wenn er versucht, Härte zu zeigen, die persönlich gute Beziehung zu dem Kunden riskieren.
Das heißt, wenn der Key Account mit der Vertriebsverhandlung über die Konditionen betraut wird, werden ihm zwei sich widersprechende Rollen übertragen, denen er in seiner Person nur unvollkommen gerecht werden kann.
Vertriebsverhandlungen, die so laufen, sind falsch strukturiert und erreichen kein optimales Ergebnis.
Auch höhere Hierarchiestufen sind schlechte Verhandler
Ein weiteres Risiko: Wenn der Key Account in der Verhandlung nicht weiterkommt, bleibt meist nur die Lösung, dass höhere Hierarchiestufen in die Verhandlung eingreifen müssen, die Vertriebsleitung oder sogar die Geschäftsführung, um eine Lösung zu erreichen. Das ist schlecht, denn in der Regel kommt es dann zu einer Emotionalisierung, keiner behält mehr einen ruhigen Kopf – und das Ergebnis ist dann auch entsprechend kein gutes im Sinne des Unternehmens.
Denn es gelingt einem psychologisch gut ausgebildeten Einkaufsverhandler, möglichst schnell höhere Entscheidungsträger auf der Anbieterseite in die Verhandlungen einzubeziehen, weil der Kunde dann erfahrungsgemäß bessere Deals erzielt. Das klingt auf den ersten Blick überraschend, ist aber einer Kombination aus persönlichem Ego und der Stellung der Chefs geschuldet.
Zugeständnisse, um das Gesicht zu wahren
Diese erweisen sich nämlich am Ende meist kompromissbereiter, als sie es den Verhandlern vom Vertrieb für die Verhandlung vorgegeben haben. Etwa weil sie befürchten, ihr Gesicht zu verlieren, wenn sie persönlich die Verantwortung für ein eventuelles Scheitern der Verhandlung übernehmen müssten. Oder weil aus ihrer Sicht die Differenzen zwischen der eigenen Forderung und dem Angebot des Kunden angesichts des weit größeren Budgets, über das sie verfügen, gar nicht mehr so groß erscheint.
In der Chefposition lässt es sich leichter sagen, wir kommen euch einen Schritt entgegen – was der Key Account selbst gar nicht so machen könnte wie jemand, der über ihm steht.
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Mehr lesenDie richtige organisatorische Struktur des Verhandlungsteams
Wichtig ist deshalb, das Verhandlungsteam so zusammenzusetzen, dass es auf Augenhöhe mit dem Einkauf verhandelt. Das Team sollte aus zumindest zwei Personen bestehen, die neutral und nicht emotional mit dem Kunden verbunden sind und die in den Verhandlungen unterschiedliche Rollen wahrnehmen:
- ein operativer Redeführer, der die Verhandlung leitet
- und ein Beobachter.
Wichtig ist, dass dieses Team vor Beginn der Verhandlung von der Unternehmensführung das Mandat zur Verhandlungsführung erhält mit klaren Leitplanken, innerhalb derer es selbständig entscheiden darf.
Die Arbeitsteilung im Verhandlungsteam
Obwohl der Redeführer die Kommunikation in der Verhandlung führt, ist er nicht der eigentliche Entscheidungsträger. Der Beobachter ist der eigentliche Verhandlungsführer, er achtet auf die weichen Signale, die Körpersprache, die Aussagen und inhaltlichen Optionen, die sich im Verlauf der Verhandlung ergeben und in weiteren Verhandlungsrunden genutzt werden können.
Hinter den beiden verhandelnden Personen steht der eigentliche Entscheider, der niemals selbst in die Verhandlungen gehen sollte und der nur eingreift, wenn Ergebnisse außerhalb der Leitplanken drohen.
Die Zusammensetzung dieses Teams ermöglicht es, dem konfrontativen Vorgehen des Einkaufs standzuhalten, was nicht einfach ist, insbesondere wenn es sich um ein größeres Unternehmen handelt, das gewohnt ist, seine Zulieferer unter Druck zu setzen.
Und weil die Verhandler emotional nicht mit dem Kunden verbunden sind, fällt es ihnen auch leichter, selbst die Verhandlungen gezielt eskalieren zu lassen, um zu sehen, wo die wirklichen Schmerzpunkte der Gegenseite sind – auch auf die Gefahr hin, dass die Verhandlungen erst einmal unterbrochen werden.
Aber Verhandlungen abzubrechen, um dann wieder zurückkommen und die Verhandlung wieder aufzunehmen, das gehört zu den gewohnten Ritualen im Business und muss man aushalten können.
Und sollte ein Verhandler durch falsches Verhalten in der Verhandlung untragbar werden und „verbrennen“, kann der Entscheider diesen problemlos austauschen. Das wäre natürlich weit schwieriger, wenn der Key Account selbst mit der Verhandlung betraut würde.
Fazit der Experten
Diese strukturierte Rollenverteilung entlastet den Key Account und ermöglicht, die eigenen Positionen mit weniger Emotionen effizient zur Geltung zu bringen. Gleichzeitig macht sie die Verhandlung auch für die Gegenseite berechenbarer, da sie weiß, mit wem sie es zu tun hat und sich dadurch auf die Verhandlung konzentrieren kann, ohne Energie auf psychologische Spielchen zu verschwenden.
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Sehr spannender Beitrag, ich bewerte allerdings eine starke Verhandlung, die in der Sache auch hart geführt werden kann, als riesige Vertriebs Chance. Damit liegt die Verantwortung wieder beim KAM. Und warum sollte eine harte Verhandlung das ?kuschelige? Verhältnis zum Kunden gefährden? Natürlich muss ein KAM besonders Entwicklungen beim Kunden antizipueren, aber zu viel Nähe ist immer schwierig. In sehr grossen Organisationen sind Verhandlungsteams klug und sinnvoll. Im Mittelstand sollte die Rolle des KAM so gestaltet werden, dass er ohne Verlust in der Kundenbeziehung hart verhandeln kann.
Ich bin seit 30 Jahren im Vertrieb B2B tätig. Wieder einmal geht es um Positionen anstatt um Personen. Ein guter Verhandler hat bestimmte Eigenschaften, die ihn auszeichnen. Diese machen ihn stark oder schwach in der Verhandlung. Dabei ist es egal ob KAM oder SM. Gleichzeitig möchte unterstreichen, man ist nur dann einer Einkaufsabteilung unterlegen, wenn man schlecht vorbereitet ist und nie ein Training zur eigenen Weiterbildung mit macht.