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Positive und persönliche Erfahrungen wirken sich direkt auf die Loyalität des Kunden gegenüber dem Unternehmen oder der Marke aus. Dies ist insbesondere in den Märkten wichtig, die durch starken Wettbewerb geprägt sind und in denen eine Abhebung von der Konkurrenz über Produkteigenschaften immer schwieriger wird, z.B. in den Branchen Telekommunikation oder Financial Services sowie der Automobilindustrie. Positive emotionale Kundenerlebnisse helfen dabei, sich von der Konkurrenz abzuheben und können zudem nur schwer durch Wettbewerber imitiert werden.
Customer Experience Management (CEM) ist ein strategisches Managementkonzept, das das klassische, eher funktionsorientierte CRM um die Perspektive des Kunden erweitert. Über CEM-Maßnahmen sollen dem Kunden emotionale Erlebnisse im Umgang mit dem Unternehmen, der Marke oder dem Produkt verschafft werden. Finden positive Erlebnisse unerwartet statt, kann ein sogenannter „WOW-Effekt“ beim Kunden erzeugt werden, der dazu beiträgt, eine langfristige emotionale Bindung aufzubauen.
Verlässliche Erbringung von Basisleistungen sicherstellen
Die Basisleistungen eines Produktes oder einer Dienstleistungen entsprechen den Mindestanforderungen eines Kunden. Unternehmen müssen zunächst sicherstellen, dass Basisleistungen zuverlässig und qualitativ hochwertig erfüllt werden. Darin besteht die solide Grundlage zur Gestaltung positiver Kundenerlebnisse. Es gilt, Störungen in der Leistungserbringung und Unzufriedenheit beim Kunden zu vermeiden. Darüber hinaus, sollte das Leistungsniveau stetig gesteigert werden, um beim Kunden eine positive Lernerfahrung hervorzurufen. Identifizieren Sie Defizite in der Leistungserbringung und nehmen Sie Kundenkritik ernst. Leiten Sie daraus Maßnahmen ab, die die Erbringung der Basisleistungen sicherstellen.
Bewusst die Perspektive wechseln
Unternehmen, die Ihren Kunden positive Erlebnisse verschaffen möchten, müssen zunächst die Perspektive des Kunden einnehmen und die Interaktion mit ihrem Service, ihren Produkten und Marken aus dessen Sicht bewerten lernen:
Auseinandersetzung mit Kundengruppen sowie mit dem einzelnen Kunden
Welche Anforderungen, Wünsche, Erwartungen, Bedürfnisse und Beweggründe kennzeichnen Kundengruppen sowie den einzelnen Kunden?
Auseinandersetzung mit der Kundenwahrnehmung
Welche Erfahrungen macht der Kunde im Umgang mit unserem Unternehmen, unseren Produkten? Werden die Erwartungen und Bedürfnisse der Kunden erfüllt? Welches Bild hat der Kunde vom Unternehmen, der Marke oder dem Produkt? Welche Kontakterfahrungen sind für diese Wahrnehmung verantwortlich?
Auseinandersetzung mit der Planbarkeit von Kundenkontakten
Können Kundenkontakte regelmäßig und geplant stattfinden? Wie können diese Kontakte gestaltet werden, um positive emotionale Erfahrungen zu schaffen?
Tipp: Hierbei sollten Sie sich stets an Kundengruppen mit homogener Erwartungsstruktur orientieren und entsprechende Maßnahmen segmentspezifisch einsetzen. So erhöhen Sie die Treffsicherheit Ihrer Maßnahmen.
In der Praxis bieten sich folgende Techniken an, um Kundenerfahrungen nachzuvollziehen:
- Durchführung von Kundenumfragen
- Dokumentieren von Kundenfeedback durch Vertriebsmitarbeiter, Callcenter-Agents
- Analyse der Webseiten-Nutzung durch Kunden
- Analyse von Kundenanfragen, Kundenbriefen auf Textebene
- Analyse von Kundenantworten bei Telefonaten auf Sprachebene
- Analyse des Verhaltens von Call-Center-Agents bei Telefonaten
- Analyse von Kundenfeedbacks im Web (Social Media, Blogs, Foren, etc.)
Die gesammelten Daten aus dem Bereich der Kundenerfahrungen dienen als Basis zur Gestaltung einer zukünftigen Erlebnisstrategie. CEM-Maßnahmen sind dann besonders wirksam, wenn sie passgenau eingesetzt werden, d.h. wenn sie auf die spezifischen Eigenschaften einzelner Kundengruppen oder Produktgruppen ausgerichtet werden.
Kundenerwartungen kennen und verstehen lernen
Nehmen Sie die Perspektive Ihrer Kunden ein und lernen Sie deren Anforderungen und Wünsche an Ihr Unternehmen, Ihre Leistungen und Produkte kennen. Weitere Hinweise finden Sie in Teil 1 dieses Artikels.
Folgende Maßnahmen für Customer Experience bieten sich an, um Kundenvertrauen aufzubauen und darüber Umsatzsteigerungen zu realisieren:
Einsatz der Moments of Truth-Methode
Die sogenannten Moments of Truth stellen besonders sensible Kontaktpunkte zum Kunden dar. In solchen Situationen wendet sich ein Kunde mit einem als wichtig empfundenen Anliegen an das Unternehmen. Positive Erfahrungen sind dann besonders wichtig. Hierzu einige Beispiele:
Grund für die Kontaktaufnahme beim Kunden | Maßnahme |
Unbekannte Rechnungspositionen | Grundsätzlich sollten Rechnungen für Kunden nachvollziehbar sein; Prüfen und optimieren Sie ggf. Ihre Rechnungen oder stellen Sie Ihren Kunden erläuternde Beilagen zur Verfügung |
Fragen während des Bereitstellungsprozesses | Der Kunde sollte die Bereitstellung eines Produktes / Services mitverfolgen können. Stellen Sie entsprechende Informationen zur Verfügung (z.B. online im Kundenportal, via E-Mail oder SMS) |
Beschwerde aufgrund überlasteter Hotline | Vermeiden Sie lange Wartezeiten in der Hotline und bieten Sie Ihren Kunden Alternativen an: z.B. über FAQ-Listen auf Ihrer Webseite oder E-Mail-Kontakte zum help desk |
Beschwerde aufgrund von Leistungsstörung | Stellen Sie sicher, dass Ihre Produkte und Services Ihre Leistungsversprechen erfüllen. Bieten Sie bei Störungen und Reklamationen schnelle und unkomplizierte Hilfe an. |
Kundenerwartungen dokumentieren und analysieren
Lernen Sie Ihre Kunden und deren Erwartungen kennen. Dokumentieren Sie Ihre Erkenntnisse.
Ordnen Sie die Kundenerwartungen – wenn möglich – kategorisch. Hierzu einige Beispiele:
- Erwartungen an Vertriebsmitarbeiter: Kompetenz und Handlungsspielraum, Individualität der Angebote, Freundlichkeit, Dauer der Angebotserstellung
- Erwartungen an Produkte: Funktionsumfang, Basisfunktionen und erweiterte Funktionserwartung, Lebensdauer, Qualität (Optik, Akustik, Haptik)
- Erwartungen an Servicemitarbeiter: Möglichkeiten der Kontaktaufnahme, Kompetenz, Individualität der Antwort, Dauer der Anfragebearbeitung
Interaktionsqualität der Mitarbeiter erhöhen
Wenn Mitarbeiter mit dem erforderlichen Handlungsspielraum ausgestattet sind, können sie im Kundenkontakt individuell und zugleich authentisch reagieren. Vermeiden Sie übermäßige Standardisierung in der Bearbeitung von Anfragen und der Erstellung von Angeboten.
Prüfen Sie zudem die Kundeninteraktion Ihrer Mitarbeiter auf sprachlicher und textlicher Ebene (Telefonate, E-Mails, Briefkontakte).
Ein Beispiel für die Praxis: der Gesprächsleitfaden im Vertrieb
Schaffen Sie Möglichkeiten, den Kaufprozess emotional positiv aufzuladen. Der strategische Ansatz dabei lautet: übermäßige Standardisierung und monotone Bevormundung des Kunden vermeiden, da dies eine emotionale Abwehrhaltung hervorrufen kann.
Ein standardisierter Gesprächsleitfaden gibt dem Vertriebsmitarbeiter konsistente Lösungsvorschläge für Kundenanfragen vor. Sobald jedoch die Anfrage des Kunden vom Standardfall abweicht, muss der Vertriebsmitarbeiter individuelle Lösungsansätze erarbeiten können. Hier ist es wichtig, dass er über entsprechenden Kompetenzen und ausreichenden Handlungsspielraum verfügt, um vorgegebene Lösungen individuell auf den Kunden anpassen zu können. Nur so können dem Kunden überzeugende Erlebnisse verschaffen werden. Ziel ist es hierbei, ein Gleichgewicht zwischen Standardisierung und Individualisierung zu finden.
Leistungsoptionen (z.B. Tarifsystem Mobilfunk) sollten so gestaltet werden, dass die für den Kunden relevanten Produkteigenschaften variabel bleiben, wohingegen die übrigen Eigenschaften standardisiert vorgegeben werden. So erfährt der Kunde den Kaufprozess als selbstbestimmt und individuell.
Kundenkritik analysieren und frühzeitig in Prozesse einfließen lassen
Kundenkritik sollten Sie als Chance verstehen: Dokumentieren Sie kritische Äußerungen und leiten Sie daraus Maßnahmen zur Optimierung Ihrer Produkte und Leistungen ab.
Kundenfreundlichkeit der Produkte und Services steigern
Stellen Sie Ihre Produkte und Services regelmäßig auf den Prüfstand. Lassen Sie hierbei aktuelle Erkenntnisse aus den Bereichen Kundenerwartung und Kundenkritik einfließen. Identifizieren Sie Möglichkeiten zur Optimierung der Kundenfreundlichkeit Ihrer Leistungen.
Customer Experience Management konsequent implementieren
Die CEM-Strategie sollte in den Abteilungen bzw. Organisationseinheiten implementiert werden, die sich durch besondere Nähe zum Kunden auszeichnen.
Ein CEM-Konzept setzt schon in der Produktentwicklung an. Bereits hier werden Produkteigenschaften gestaltet, die sich auf das Kauferlebnis des Kunden auswirken. CEM-Maßnahmen in Marketing, Vertrieb und Service wirken sich auf Leistungsversprechen aus: in der Kommunikation des Vertriebs, im Branding, in der Werbung.
In der Kaufphase werden funktionale Erwartungen des Kunden (z.B. an einen Online-Shop) durch emotionale Elemente bereichert, beispielsweise durch ein markenkonsistentes Shopping-Erlebnis.
In der Servicephase ermittelt das CEM kritische Kontaktpunkte mit dem Kunden. Besonders wichtig ist die Identifikation der sogenannten „Moments of Truth“: Diese beschreiben Situationen, in denen sich der Kunde mit einem wichtigen Anliegen an das Unternehmen wendet. Beispiele hierfür sind Fragen bei Unklarheiten bei Angeboten, Störungen in der Funktion des Produktes oder Beschwerden. Durch den falschen Umgang mit diesen kritischen Situationen kann die Loyalität des Kunden empfindlich geschwächt werden!
Customer Experience Management ganzheitlich verstehen
Beschränken sich CEM-Maßnahmen auf Werbeaussagen, Öffentlichkeitsarbeit und Arbeitsanweisungen für Servicemitarbeiter, dann ist ein Prioritätenwechsel angebracht. Denn bei Customer Experience Management geht es nicht darum, Kundenmeinungen zu formen und zu beeinflussen. Vielmehr sollen Ansichten und Wünsche der Kunden im Unternehmen gehört werden und dort ein entsprechendes Umdenken bewirken.
CEM ist eine eigenständige Disziplin, die das stetige Überdenken des eigenen Unternehmens beinhaltet. Maßnahmenkataloge sind dann erfolgreich, wenn sie Kunden konsequent in den Mittelpunkt stellen. In der nachfolgenden Tabelle stellen wir Ihnen verschiedene Zielsetzungen für die Kundenzentrierung und entsprechende Maßnahmen vor.
Zielsetzung | Maßnahmen |
Die Stimme des Kunden hören |
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Die Perspektive des Kunden einnehmen |
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Den Kunden in den strategischen Mittelpunkt stellen |
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CEM nachhaltig implementieren
Langfristig erfolgreiches Customer Experience Management setzt voraus, dass Maßnahmen und Prozesse regelmäßig kritisch betrachtet und optimiert werden. Ergebnisse von Kundeninteraktionen sollten konsequent dokumentiert und analysiert werden.
Um die Nachhaltigkeit von CEM zu sichern, sollte die positive Leistungsbewertung durch den Kunden dauerhaft gesichert werden. Der Kunde muss das Gefühl haben, dass sich ein Unternehmen, seine Produkte und Dienstleistungen stetig verbessern. CEM-Strategien und –Maßnahmen sollten zudem unternehmensweit implementiert werden und alle Produkt- und Servicebereiche mit einbeziehen. Die genannten Anforderungen an nachhaltiges CEM stellen Unternehmen vor Herausforderungen in Bezug auf interne Kommunikation, Koordination und Kooperation. Im ersten Schritt sollten die Erwartungen des Managements daher nicht allzu ambitioniert ausfallen. Eine radikale Änderung von bestehenden Abläufen und Strukturen innerhalb des Unternehmens steht nicht im Fokus erfolgreichen CEMs, im Gegenteil: hieran scheitert häufig dessen Umsetzung!
Customer Experience Management: eine dauerhafte Reise in die Welt des Kunden
Die Welt der Kunden ist dynamisch und befindet sich in stetigem Wandel. Erfolgversprechend ist Customer Experience Management dann, wenn Unternehmen ihren Kunden gegenüber neugierig bleiben, konsequent deren Perspektive einnehmen und sich selbst regelmäßig aus Kundensicht kritisch betrachten und bewerten.
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