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Der Vertrieb muss neu organisiert werden
Die Sinnhaftigkeit persönlicher, teurer Kontakte durch den Verkäufer wird aktuell viel intensiver hinterfragt als je zuvor! So werden vom Vertriebs-Management Fragen gestellt wie
- Hat sich das traditionelle vertriebsorientierte Vertriebsmodell überholt, sind wirklich alle Besuche unserer Vertriebsmannschaft vor Ort erforderlich?
- Wie lässt sich die aktive Verkaufszeit besser einsetzen, welche Kunden sollen noch persönlich besucht und wie kann die Qualität der Kundengespräche verbessert werden?
- Welche Vertriebsaktivitäten lassen sich zukünftig über Online-Kanäle abwickeln?
- Wie lässt sich der innendienst verkaufsaktiver einsetzen, wie kann er das Cross-/Up-Selling forcieren und die vielen Kleinkunden professionell managen?
Schlüssige Antworten auf diese Fragen wurden vor Corona nicht konsequent gesucht oder dringend genug eingefordert. Solange die Ergebnisse zufriedenstellend waren, verstellte der Erfolg oft genug den Blick auf die Anforderungen der Zukunft.
Jetzt wird in der Kundenbetreuung jedoch vieles attraktiv, was bisher – wenn überhaupt – eher als lose Gedankenspiele diskutiert wurde. Der Veränderungsdruck für den Vertrieb ist deutlich gestiegen. In diesem Kontext bieten sich über die professionelle Ausrichtung der eigenen Customer Service Organisation erhebliche Potentiale, die eigene Marktbearbeitung produktiver auszurichten.
Die Customer Service Organisation (CSO) bekommt eine stärkere strategische Bedeutung
Die Customer Service Organisation ist in diesem Zusammenhang ein Sammelbegriff für alle unternehmensinternen Funktionen, die in der Kundenbearbeitung mitwirken. Darunter fällt z.B. der klassische Vertriebsinnendienst, die Auftragsbearbeitung, Reklamationsabteilung, der technische innendienst.
Bots erledigen Routineaufgaben
Einige Routineaufgaben des Customers Services werden durch Automatisierung und Digitalisierung künftig entfallen. Kunden werden, in einfachen Fällen bei technischen Fragen und Konfigurationen mit Bots auf der Internetseite kommunizieren, im E-Shop bestellen und den Lieferstatus online prüfen. Selbst einfache Reklamationen können über solche Systeme abgebildet werden.
Was bleibt da noch für den Customer Service?
Zu allererst wird es immer Kunden geben, die mit Menschen kommunizieren und mit ihren komplizierteren Anliegen nicht die digitalen Kanäle nutzen wollen. „Die Kunden wählen, über welchen Kanal sie mit ihren Lieferanten in Verbindung treten. Für alle gilt aber, dass die Service-Ansprüche nicht geringer werden.
Neben den Klassikern wie Freundlichkeit und Professionalität kommt es immer mehr auch auf Schnelligkeit, Flexibilität und „Easy to buy from“-Erfahrungen an. Das bedarf einer synchronen Betreuung zwischen dem Außendienst und allen anderen in die Marktarbeit eingebundenen Abteilungen & Kanälen.
Hier kristallisiert sich die Customer Service Organisation als ein zentraler Anlaufpunkt heraus. Ob es eine Interaktion des Kunden Online ist, eine konkrete Anfrage per Mail, Telefon oder beim Vertrieb persönlich, die weitere Aktivitäten erfordern, um Geschäft zu generieren oder die Kundenloyalität zu steigern: hier wird künftig die Customer Service Organisation orchestrieren und synchronisieren.
Umsetzung des Hybriden Vertriebsmodells durch die CSO
Im Rahmen dieser Entwicklungen spricht man auch immer häufiger vom Hybriden Vertrieb. Hier ist eine vermehrte verkäuferische Ausrichtung aller Kanäle nötig, um die gestiegene Anzahl an Kontaktpunkten mit den Kunden optimal zu nutzen und sich gegenüber dem Wettbewerb zu differenzieren.
Die Betreuungsformen für unterschiedliche Kundenarten werden sich stärker unterscheiden. So werden Kleinkunden in vielen Fällen voll in die Betreuung des Customer Service fallen, unterstützt durch die digitalen Kanäle. Für größere und Key Account Kunden wird das Zusammenspiel zwischen Verkauf und Customer Service immer enger. Dabei wird der Customer Service vertrieblich deutlich aktiver und mehr in die Strategien für die Kunden eingebunden werden. Er wird ein wichtiger Bestandteil des Verkaufsteams.
Zusammenfassend gilt für den Customer Service
- Der Customer Service wird in seinem neuen Aufgabengebiet künftig vor allem die Fälle bearbeiten, die nicht durch Digitalisierung und Automatisierung übernommen werden können, in der Regel sind das also die herausfordernden Fälle
- Die Informationen aus den unterschiedlichen Vertriebskanälen werden beim Customer Service auflaufen und er wird sie orchestrieren und weiterverarbeiten
- Die verkäuferischen Ansprüche an den Customer Service werden steigen, da er selbständig kleinere Kunden betreut und sich wesentlich enger mit dem Marketing und dem Vertrieb abstimmen muss!
Wie lassen sich die Mitarbeiter auf den veränderten Customer Service vorbereiten?
Es werden Konzepte für die Kundenbearbeitung über die unterschiedlichen Funktionen im Vertrieb definiert und optimiert. Dies ist ein wichtiger Schritt, um die Rollen und Aufgaben sowie die Prozesse für alle Beteiligten klar zu definieren. Damit werden auch für die Customer Service-Mitarbeiter die veränderten Anforderungen deutlich.
Neue Aufgaben erfordern auch neue Kompetenzen. In einem nächsten Schritt ist die Erstellung eines angepassten Kompetenzprofils vor dem Hintergrund der neuen Ausrichtung ratsam.
Dabei werden die Herausforderungen für die Umsetzung ersichtlich. Viele Mitarbeiter im Customer Service sind deshalb dort, weil sie nicht verkäuferisch tätig werden wollen. Zudem ist der Customer Service ein neuralgischer Teil des Unternehmens, der nicht mehrere Tage oder sogar Wochen für eine Neuausrichtung heruntergefahren werden kann.
Die künftigen Anforderungen an die Customer Service Organisation werden zu einer weiteren Spezialisierung von Rollen führen und damit auch denjenigen Mitarbeitern einen Platz bieten, die sich mit einer verkäuferischen Ausrichtung nicht anfreunden können. Insgesamt wird jedoch am verkäuferischen und kundenzentrierten Mind-Set gearbeitet werden müssen.
Die Umsetzung der neuen Struktur und die Entwicklung der Kompetenzen werden ein längerer Prozess sein. Mit einem strukturierten Entwicklungsprogram, professionellem Changemanagement, einer ordentliche Portion Ausdauer und Hartnäckigkeit lassen sich jedoch hervorragende Ergebnisse erzielen und die Customer Service Organisation für die künftige gleichberechtigte Rolle neben den Vertrieb vorbereiten.
Die 3 wichtigsten Handlungsempfehlungen für die Customer Service Organisation
- Erarbeiten eines klar definierten Konzeptes für die Rolle des CS in der Vertriebsorganisation – im Rahmen des Hybriden Vertriebes. Dazu gehören: Verstehen der Customer Buying Journey und darauf abgeleitete Prozesse, Aufgaben, Organisation, Betreuungskonzepte für unterschiedliche Kundentypen, sowie die dafür nötigen Kompetenzprofile.
- Systematische Entwicklung der notwendigen Kompetenzen im Kontext der veränderten Aufgaben. Ein maßgeschneidertes, ganzheitliches Programm das effizient die Mitarbeiter entwickelt, ohne das Tagesgeschäft stark zu beeinflussen.
- Maßnahmen zur Nachhaltigkeit, wie kontinuierlichem Coaching und Follow-Up, gepaart mit Geduld und Hartnäckigkeit in der Implementierung.
Im Kampf um profitable Geschäftsbeziehungen und Kundenloyalität wird die Customer Service Organisation künftig strategisch wichtiger. Sie wird zum USP und damit zu einem wichtigen Erfolgsfaktor für den modernen Vertrieb.
Zur Person
Falco Bude ist Partner bei Mercuri International Deutschland, einem auf Vertrieb spezialisierten, internationalen Beratungs- und Trainingsunternehmens. Er ist spezialisiert auf die Branchen Bau, Werkzeuge und Chemie mit einem Schwerpunkt auf der Umsetzung von Sales Excellence Initiativen. www.mercuri.de
Dieser Artikel bringt es echt auf den Punkt was Effizienz betrifft