Customer Value Co-Creation im Vertrieb: Design Thinking mit dem Kunden

Die Zeiten, in denen Vertriebler reine Auftragsempfänger waren, sind längst vorüber. Der Kunde ist durch die Digitalisierung selbständiger und mündiger geworden. Neue Konzepte sichern das Überleben des Vertriebs auch in Zeiten von Digitalisierung und Globalisierung. Mit Customer Value Co-Creation lassen sich gemeinsam mit dem Kunden innovative Lösungen erarbeiten. Wie das geht, erklärten die beiden Experten der Siemens Advanta Consulting, Stefanie Reinecke und Dr. Jörg Mütze, auf dem Quadriga Vertriebsmanagementkongress 2020.

Bei der Customer Value Co-Creation erarbeitet man gemeinsam mit dem Kunden innovative Lösungen
Bei der Customer Value Co-Creation erarbeitet man gemeinsam mit dem Kunden innovative Lösungen© emerald_media/stock.adobe.com

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Wie kann man die Digitalisierung am besten gewinnbringend einsetzen?

Durch die Digitalisierung und die Komplexität der Kunden ändert sich das B2B Kaufverhalten grundlegend. Die Vertriebsschwerpunkte verlagern sich. Der Vertrieb wird zunehmend digital. Vor allem einfache Produkte werden zukünftig hauptsächlich über E-Commerce und digitale Kanäle verkauft. Komplexe Produkte bedürfen jedoch laut Reinecke, nach wie vor guter Beratung qualifizierter Verkäufer.

Wichtige Voraussetzungen für erfolgreichen Vertrieb heute

  • Consultative Selling: Kundenbedürfnisse erkennen und neue Erkenntnisse bieten
  • Value Selling: Wertorientierter Lösungsverkauf
  • Technology-driven Selling: Verkauf über Produktfunktionalitäten
  • Vertrieb als Fronted Innovator

Wie auch die langsamsten unter uns sicher schon bemerkt haben, bringt die Digitalisierung auch Chancen mit sich – große Chancen. Vor allem für den Vertrieb, der sich auf dem Markt neu positionieren und bei den Kunden als Trusted Advisor agieren kann.

Der Vertriebler muss in der Lage sein, seinen Kunden nicht nur über analoge, sondern auch über digitale Touchpoints zu finden und zu bedienen. Gleichzeitig muss er fähig sein, Produktfunktionalitäten zu verkaufen und dabei seinen Hauptfokus auf den Kundenwert legen. Kurz gesagt: er muss eine beratende Funktion einnehmen und zum Trusted Advisor werden.

Doch wie wird der Verkäufer zum Trusted Advisor und wie führt man Kunden am besten nahtlos durch digitale und analoge Kanäle?

Beratender Verkauf und Co-Creation

„Siemens ist ein technologieaffines Unternehmen. Wir haben erkannt, dass wir den Verkaufserfolg steigern können, wenn wir einen Mehrwert für den Kunden schaffen, also einen höheren Kundenfokus haben und uns weg vom Preiswettbewerb hin zu beratender Dienstleistung bewegen – dem Kunden also bei der Lösung seiner Probleme helfen.

Als Berater im Verkauf hat man völlig neue Möglichkeiten sich und die Produkte zu positionieren und den Verkauf zu steigern. Den Mehraufwand ist es auf jeden Fall wert,“ so Reinecke.

Wie kann man diesen neuen Ansatz abteilungsübergreifend in komplexen Unternehmen entwickeln und implementieren?

Für diesen Zweck hat Siemens eine bereichsübergreifende Sales Excellence Initiative aufgesetzt unter der Leitung des Vertriebsvorstands. Hierfür wurden Experten aus allen Abteilungen zusammengebracht, um sich in Arbeitsgruppen mit der Zukunft des Vertriebs auseinanderzusetzen. Eines der Ergebnisse davon war die Customer Value Co-Creation.

Co-Creation bedeutet: gemeinsam mit dem Kunden neue und innovative Werte und Lösungen zu entwickeln. Gemeinsames Innovieren fördert die Kundennähe und wirkt damit verkaufsfördernd.

„Es geht um die Schaffung gemeinsamer Werte mit dem Ziel, den Unternehmenserfolg sowohl für Siemens als auch für die Kundenunternehmen zu steigern. Das Ergebnis der Co-Creation sollte unbedingt eine Win-Win Lösung sein – das Ziel ein gemeinsamer Geschäftserfolg,“ so Mütze.

Laut Mütze orientiert sich Siemens dabei an den Prinzipien der etablierten Design Thinking Methode. Hierbei steht der Kunde immer im Mittelpunkt, das Kundenverständnis steht im Fokus und das gesamte Vertriebsteam versucht, die Bedürfnisse des Kunden zu eruieren und zu befriedigen.

Vorbereitung und Planung von Co-Creation-Workshops bei Siemens

Bei der Kundenwahl ist ausschlaggebend, dass diese offen sind für Co-Creation und eventuell auch ein Problem haben, das man gut adressieren kann. So lässt sich das richtige Thema leichter finden, über das man den Kunden erreichen kann.

5 Schritte zur Customer Value Co-Creation

  • Kundenverständnis und Generierung von Ideen innerhalb des kundenzentrierten Ansatzes
  • Entwicklung eines Wertversprechens
  • Ausarbeitung eines gemeinsamen Geschäftsmodells
  • Pilotierung und Umsetzung
  • Skalierung für die Entwicklung neuer Produkte

Da Co-Creation zeitintensiv, ressourcenintensiv und damit teuer ist – immerhin sind mehrere Personen tagelang damit beschäftigt – müssen die Ziele erst einmal klar definiert werden. Was will man erreichen? Bessere Kundenbeziehung, vor allem mit komplizierten Kunden? Oder möchte man die Innovationspipeline füllen? Möchte man den Verkauf eines bestehenden Produkts steigern? Klar ist, dass sich das Ergebnis für beide Parteien lohnen sollte.

Prototypen, Umsetzung und Skalierung

Um nicht zu viel Zeit in Aktivitäten zu investieren, die sich letztlich nicht rentieren, wird versucht möglichst schnell Feedback zu den gemeinsam entwickelten Ideen und Lösungen zu bekommen. Hierfür werden in crossfunktionalen Teams Prototypen für Lösungen erarbeitet – Prototypen können, laut Reinecke, auch einfach nur Skizzen auf einem Blatt Papier sein – welche dann Experten und Entscheidern präsentiert werden, um anschließend möglichst schnell umgesetzt werden zu können.

Der Vertriebsmitarbeiter agiert dabei als Teil einer umfassenden Sales Exzellenzinitiative. Bis zu 150 Experten aller Vertriebseinheiten arbeiten bei Siemens in mehreren Arbeitsgruppen zusammen. Modernes Community Management und virtuelle Zusammenarbeit, divisions- und regionenübergreifend vom Geschäft für das Geschäft. Die Einbindung des Top Managements ist dabei ein wichtiger Erfolgsfaktor.

Dazu Mütze: „Der Vertriebsvorstand und der Lenkungskreis priorisieren gemeinsam die Themen, definieren die Arbeitsgruppen und treffen letztlich die Entscheidungen. Die Siemens Vertriebsmitarbeiter nutzen bereichsübergreifende Synergien, nehmen Best Practices an und steigern letztlich das Wachstum.“

Laut Mütze ist auch eine Community enorm wichtig, in der ein Austausch stattfinden und die Best Practices geteilt und gepflegt werden können. Und last but not least sollten die Erfolgsgeschichten auch intern geteilt werden, am besten in Form von Intranetartikeln.

Ergebnisse

Mütze nannte ein konkretes Beispiel: Ein Flugzeugteile-Hersteller aus den Vereinigten Arabischen Emiraten Strata trat an Siemens heran, um als Experte für disruptive Technologien dazu beizutragen, einen Mehrwert für die Strata-Kunden zu schaffen. Aus dieser Kooperation heraus entstand das erste zertifizierte 3-D gedruckte Luftfahrzeug-Teil in den VAE. Die Zertifizierungszeit konnte von 18 Monaten auf 5 Monate gesenkt werden.

Jeder Workshop führte zu einer verbesserten Kundenbeziehung, zu einer anderen Kundenwahrnehmung. Durch die beratende Funktion sieht der Kunde den Vertriebler nicht nur als Auftragsempfänger, sondern auch als jemanden der sich um seine Probleme kümmert.

„Wir bekamen sehr viel Input darüber, was unseren Kunden wichtig ist. Durch die verbesserte Beziehung haben sich Folgeprojekte ergeben, in denen man das bestehende ProduktPortfolio platzieren konnte. Auch neue Produkte für unser Portfolio haben sich gefunden. Komplizierte Beziehungen konnten durch die Beratertätigkeit vereinfacht bzw. optimiert werden. Außerdem haben wir Ideen für unsere Innovationspipeline bekommen. Darüber hinaus kam es zu einer klaren Umsatzsteigerung,“ so Mütze abschließend.

Fazit der Experten

Wichtige Erfolgskriterien für Customer Value Co-Creation

  • Klar definierte Zielsetzung
  • Trainingsprogramm, Handbuch und Rollenbeschreibung für die Mitarbeiter
  • Bereichsübergreifende Arbeit in crossfunktionalen Teams
  • Community für einen regen Austausch
  • Das Ergebnis der Co-Creation sollte unbedingt eine Win-Win Lösung sein – das Ziel ein gemeinsamer Geschäftserfolg.

Die Personen

Stefanie Reinecke ist Projektleiter Siemens Advanta Consulting und startete 2014 als Leiterin Markt-/Wettbewerbsanalyse für den Infrastructure & Cities-Sektor. Heute verantwortet sie Projekte vor allem im Bereich Customer. Reinecke studierte Natur- und Wirtschaftswissenschaften und konnte davor bereits in der Zusammenarbeit mit  Airbus, McKinsey und Hilti Erfahrung in Industrie und Beratung sammeln.

Dr. Jörg Mütze ist seit 2016 bei Siemens Advanta Consulting in München als Projektleiter tätig. Seine fachlichen Schwerpunkte liegen in den Bereichen Innovation, Digitalisierung, Marketing und Sales. Mütze promovierte auf dem Gebiet der Biophysik am Biotechnologischen Zentrum der TU Dresden und am Janelia Farm Research Campus in Virginia. Als Senior Manager für Innovationen in der Konzernforschung der Carl Zeiss AG in Jena war er von 2011-2016 für das strategische Marketing für Entwicklungen in den Bereichen Mikroskopie und Medizintechnik verantwortlich.

Dr. Lydia Polwin-Plass

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