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Taylorismus 2.0 im Vertrieb
Frederick Taylor würde sich die Hände reiben. So etwas wie die Digitalisierung hätte auch von ihm erfunden werden können. Wie erinnern uns. 1911 erscheint sein Hauptwerk über die Prinzipien des wissenschaftlichen Managements. Taylor war der Überzeugung, dass durch genaue Beobachtung und Messung der jeweils beste Weg gefunden werden könnte, eine Arbeit zu erledigen. Kontrolle, Standardisierung und Effizienz war das Mantra seines Managementverständnisses.
„In the past, the man has been first, in the future the machine must be first“. Ist es so abwegig, bei diesem Zitat sofort an die Entmündigung von Mitarbeitern durch künstliche Intelligenz zu denken?
Taylor wäre höchstwahrscheinlich ein Pionier der Digitalisierung gewesen, weil sie ihm die benötigten Instrumente zur Perfektionierung seines Managementverständnisses und den daraus abgeleiteten Methoden geliefert hätte. Stoppuhr ade. Management by Dashboard.
Zum Taylorismus gehört auch die Trennung von Mitarbeitern und Management, die Unterscheidung zwischen Menschen, die entscheiden, weil sie den Überblick und die Daten haben und den Arbeitern. Diese sind erst unter Anleitung in der Lage, die zugewiesenen, klar abgesteckten und am besten standardisierten Aufgaben in hoher, gleichbleibender Qualität zu erledigen.
Taylorismus ist nicht nur Wirtschaftsgeschichte, sondern Gegenwart. Taylors Ideen und sind in vielen Vertriebsorganisationen sehr lebendig. Immer höhere Ziele vorgeben, Prozesse standardisieren, Arbeit delegieren, die nach klaren Regeln zu erledigen ist, messen, überwachen und bewerten. Leistung durch Geldanreize sicherstellen und permanent Kosten optimieren, das beschreibt die Handlungsmaximen in vielen Vertriebsorganisationen. Sie sind oftmals stärker Leistungs-, Ziel- und Geld-gesteuert als die meisten anderen Bereiche in einem Unternehmen.
Taylorismus, das ist die kurze Leine der transaktionalen Führung. Und die Digitalisierung enthält das Potenzial, diesen Management-Typus noch zu befördern, weil sie die Mittel liefert, um die Prinzipien des Taylorismus immer konsequenter umzusetzen.
Digitalisierung bedeutet häufig mehr Kontrolle, mehr Standardisierung, mehr Automatisierung, mehr Einflussmöglichkeiten und Machtkonzentration an der Spitze von Organisationen. Wer Verhaltensdaten seiner Mitarbeiter hat, nutzt diese sehr wahrscheinlich auch.
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Die 6 wichtigsten Sales-Technologien im Kontext des digitalen B2B-Vertriebs geben Ihnen einen praxisnahen Überblick, welche Technologien Ihre B2B-Vertriebsorganisation bei unterschiedlichen Aufgaben unterstützen können.
Mehr lesenNach Meinung des Sozialwissenschaftlers Harald Wenzler handelt es sich beim Einsatz digitaler Technologien häufig weniger um Innovationen als um die Zukunft von gestern. Die digitale Transformation im Vertrieb birgt daher immer auch das Risiko der Einführung von Taylorismus 2.0 im Vertriebsmanagement.
Zurückhaltung und Autonomie in der Vertriebsführung
Zufriedene und engagierte Vertriebsmitarbeiter sind eine zentrale Voraussetzung für zufriedene Kunden. Entsprechend sollte das Nachdenken über Vertriebsorganisation und sinnvolle Formen des Vertriebsmanagements bei den Vertriebsmitarbeitern beginnen. Nicht der Kunde ist die Quelle von Vertriebserfolg, sondern die Vertriebsmitarbeiter. Nicht die Technik verkauft, sondern Menschen unter sinnvoller Nutzung digitaler Vertriebsinstrumente.
Das ist nicht neu: Das wichtigste Gut eines Unternehmens sind dessen Mitarbeiter. Und gerade im Vertrieb, an der Schnittstelle zwischen Unternehmen und Kunden, sind nicht nur kompetente Produktexperten, sondern am Kunden wirklich interessierte Mitarbeiter ein entscheidender Erfolgsfaktor. Begeisterung begeistert. Und nur wer selbst zufrieden ist, hat eine hohe Bereitschaft, andere – sprich Kunden – zufrieden zu stellen.
Wenn die Vertriebsleitung sich – neben den Kundenanforderungen – ernsthaft mit Mitarbeiterbedürfnissen beschäftigen würde, zu welchen Erkenntnissen würde dies führen?
Die Motivationsforschung gibt viele Hinweise dazu:
- Niemand möchte permanent kontrolliert und bewertet werden.
- Mitarbeiter haben Gestaltungssucht. Sie wollen Ergebnisse erzielen und sich beweisen, Kompetenz zeigen und selbstbestimmt handeln.
- Mitarbeiter möchten sich sicher fühlen, gesehen und wertgeschätzt werden und spüren, dass ihnen vertraut wird.
- Sie wollen sich nicht nur als kleines Rädchen fühlen, bei dem es vor allem darauf ankommt, dass es funktioniert.
- Sie wollen nicht um Erlaubnis fragen müssen, wenn sie ein Kundenproblem lösen möchten und es selbst viel besser entscheiden können als ein Vorgesetzter.
- Und sie möchten sich nicht ständig rechtfertigen müssen und Angst davor haben, Fehler zu machen.
- Sie möchten nicht an Zielen gemessen werden und Planungen realisieren müssen, die unrealistisch sind und an deren Festlegung sie kaum Anteil hatten.
Diese kurze Liste kann im Selbstcheck leicht überprüft werden. Im Grunde wissen wir es alle, aber in vielen Vertriebsorganisationen dominiert dennoch eine anderes Führungsverständnis und ein entsprechend anderer Umgang mit Mitarbeitern.
Der Managementberater Reinhard Sprenger stellt in diesem Zusammenhang die interessante Frage: Wie lautet das Problem, für das Führung die Antwort ist?
Das Problem in vielen Organisationen ist ein Defizit and Motivation, Engagement und Kooperation. Das sind die drei Leistungstreiber, die auch im Vertrieb gelten.
Es geht also beim Vertriebsmanagement darum, organisatorische Rahmenbedingungen zu schaffen, die Vertriebsmitarbeiter motivieren und es ihnen ermöglicht, sich einzubringen, eigenständig zu agieren, ihre Fähigkeiten und ihr Wissen kontinuierlich zu erweitern und zum Nutzen von Kollegen wie Kunden anzuwenden.
Der Führungsexperte Hans Wüthrich empfiehlt daher Managern, regelmäßig die folgende Kontrollfrage zu stellen: Was trage ich dazu bei, dass Mitarbeiter organisiert, verwaltet, bevormundet und damit demotiviert werden?
Darin steckt die Aufforderung zu mehr Zurückhaltung und mehr Vertrauen gegenüber Mitarbeitern, als Grundlage dafür, deren Bedürfnissen gerechter zu werden.
Was Vertriebsmitarbeiter von einer guten Vertriebsführung erwarten
Eine Vielzahl an Forschungsarbeiten im Bereich des Vertriebsmanagements beschäftigt sich mit der Wirksamkeit unterschiedlicher Stile und -verhaltensweisen bei der Vertriebsführung. Dabei sind diejenigen, um die es eigentlich geht – …
Mehr lesenGenauso wie der Kundenorientierung immer ein mehr oder weniger ehrlich kommuniziertes Vertriebsverständnis zu Grunde liegt, ist dies auch der Fall bei der Wahrnehmung von Führungsaufgaben im Vertrieb.
- Möchte ich Kunden unterstützen oder verkaufen?
- Sehe ich Kunden primär als Umsatzquelle oder als Menschen in einem komplexen Problemlösungs- und Entscheidungsprozess, in dem ich unterstützen kann?
- Fokussiere ich mich auf die Erreichung eine Umsatzziels und der Einhaltung eines Kostenbudgets oder auf die Zufriedenheit strategischer Zielkunden?
Diese Fragen können leicht abgewandelt auch in Bezug auf Vertriebsmitarbeiter gestellt werden.
Vertriebsmitarbeiter wünschen keine Vorgesetzten, die auf ihr Dashboard blicken, in dem die Aktivitäts- und Bewertungsdaten aller Mitarbeiter dargestellt werden und die dann kennzahlenbasiert auf Probleme hinweisen, steuernd mit Anweisungen eingreifen und Kritik oder Belohnungen verteilen.
Sie wünschen sich Chefs, die sich mit ihnen als Mensch und nicht als Messwert beschäftigen, Wertschätzung und Empathie zeigt, sie in ihrer Entwicklung unterstützt, Freiräume gewähren und sinnvolle Strukturen der Zusammenarbeit schaffen, in denen die Leistungsfähigkeit des Einzelnen durch konstruktives Miteinander – auch mit dem Marketing – gesteigert wird. Nur Vertriebsmitarbeiter mit einem hohen Selbstwertgefühl sind in der Lage, Kunden das Gefühl zu geben, Könige zu sein.
Sackgasse Dashboard Management
Klassisches Vertriebsmanagement mit digitalen Mitteln führt nicht zu noch größerer Kundenorientierung oder zu einem Attraktivitätsgewinn für die Arbeit im Vertrieb, als eh schon vorhanden, Stichwort 360 Grad Überwachung: Wenn Freiräume für Mitarbeiter durch standardisierte und automatisierte Prozesse und „Entscheidungshilfen“ mittels künstlicher Intelligenz verloren gehen.
Wenn Arbeit aus Vorgaben und Standard-Best Practices besteht und dadurch Attraktivität, Vielfalt und Sinn verliert. Und wenn als vielfach zu beobachtender Nebeneffekt der Digitalisierung der bürokratische Aufwand steigt, weil immer aufwendigere Datenmanagement-Systeme gepflegt werden müssen und die digitale Kommunikation sich unvermindert vervielfältigt.
Fazit des Experten
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