Einführung einer neuen variablen Vergütung: Praxisbeispiel Medizintechnik

Viele Unternehmen arbeiten in ihrer variablen Vergütung immer noch mit klassischen Provisionen. Das Wettbewerbsumfeld hat sich in den letzten 10 Jahren allerdings nachhaltig geändert. Die variable Vergütung der Unternehmen hat diesen Wandel häufig aber nicht mitvollzogen und entspricht nicht mehr der Rolle, die den Mitarbeitern zukommt.

Damit es bei der variablen Vergütung für alle Mitarbeiter in der Kasse klingelt
Damit es bei der variablen Vergütung für alle Mitarbeiter in der Kasse klingelt© Pavel Kurbakov/stock.adobe.com

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Typische Defizite der traditionellen variablen Vergütung sind

  • Die falschen Ziele vergütet, zum Beispiel Umsätze statt Erträge
  • Die variable Vergütung ist oft „langweilig“ und motiviert nicht zur Mehrleistung
  • Die Vergütung ist unflexibel und kann schlecht an neue Anforderungen angepasst werden
  • Sie beschränkt sich meist auf den Außendienst und entspricht damit nicht mehr den teamorientierten Strukturen, die heute im Vertrieb von höchster Bedeutung sind
  • Die variable Vergütung wird von den Mitarbeitern als ungerecht empfunden. Leistungsstarke Mitarbeiter (High Performer) verdienen zu wenig, leistungsschwache (Low Performer) dagegen zu viel
  • Die variablen Anteile am Gesamteinkommen sind entweder zu niedrig, um Wirkung entfalten zu können oder zu hoch, so dass sie aus arbeitsrechtlicher Sicht anecken.

Im vorliegenden Praxisbeispiel wird eine variable Vergütung dargestellt, die 2018 bei einem in der Schweiz ansässigen Hersteller für medizintechnische Geräte eingeführt wurde. Der Vertrieb der Produkte fand an Kliniken und Krankenhäuser statt, teilweise auch an niedergelassene Ärzte. Drei der vier Mitarbeiterbereiche, die im Folgenden dargestellt werden, verfügten zum Zeitpunkt der Umstellung  bereits über variable Einkommen. Diese wurden im Wesentlichen auf der Basis von traditionellen Umsatzprovisionen vergütet.

Das Unternehmen beklagte vor Umstellung die fehlende Dynamik der bestehenden variablen Vergütung: 80% des Umsatzes wurden im Wesentlichen als stabil betrachtet, die variable Vergütung bestand damit gewissermaßen zu 80% aus Bezügen, die den Charakter einer Fixvergütung hatten.

Die restlichen 20% der variablen Vergütung waren aber zu wenig, um damit eine nachhaltige Wirkung erzielen zu können. Das „Grundrauschen“ bestimmte das variable Einkommen der Mitarbeiter stärker als ihre eigentliche Leistung.

Außerdem wurde das Fehlen von Zielen in der variablen Vergütung bemängelt, was die Mitarbeiterführung und -steuerung erschwerte. Zudem wurde das Fehlen von Ertragsgesichtspunkten als nachteilig betrachtet. Weiterhin wurde der Zustand bemängelt, dass in der bisherigen Vergütung einige Verkäufer mit einem großen Kundenpotenzial bei insgesamt schwacher Leistung mehr verdienten als andere Verkäufer, die eine ausgesprochen gute Performance erbrachten, jedoch über ein kleineres Kundenpotenzial verfügten.

Umstellung der Fachberater im Außendienst

Der bestehende variable Einkommensanteil in der variablen Vergütung von durchschnittlich 27% wurde beibehalten, wobei auf folgende Vergütungskriterien umgestellt wurde:

  • Umsatz des Mitarbeiters: Diese Größe erhielt nur noch eine relativ geringe Gewichtung, da den übrigen Leistungskriterien eine größere strategische Bedeutung zuerkannt wurde
  • Deckungsbeitrag des Mitarbeiters: Diesem Kriterium wurde ein hohes Gewicht eingeräumt. Bereits im ersten Jahr nach der Einführung der neuen Vergütung ergab sich im Vertrieb eine spürbare Steigerung sowohl der prozentualen wie der absoluten Deckungsbeiträge. Die Mitarbeiter verkaufen nicht nur preisstabiler, sondern achten stärker auf den Ausbau der renditeträchtigen Produkte und Kunden
  • Team-Deckungsbeitrag aus dem Gesamtvertrieb: die neue variable Vergütung sah erstmalig ein Teamelement vor
  • Deckungsbeitrag mit After-Sales-Produkten/Wartungen: Dieser Geschäftsbereich war ausgesprochen ertragsstark und sollte deshalb  gefördert werden
  • Aktivitäten: Mit diesem Vergütungskriterium sollten  Maßnahmen gefördert werden, die zu mittel- und längerfristigen Erfolgen führen. Vergütet wurden z.B. Präsentationen bei wichtigen Kunden, Identifikation eines neuen Projekts, Generierung von Leads, Erstellung von Kunden-Potenzialanalysen etc.
  • Persönliche Leistungsbeurteilung: Mit diesem Vergütungskriterium sollten die Kompetenzen des Fachberaters entwickelt werden, z.B. Einsatz von IT-Tools bei der Kunden-Präsentation, Pflege des CRM-Systems, Kooperation mit Kollegen aus der Produktberatung, Fähigkeit zur Kosten-Nutzen-Argumentation etc.

Umstellung der Vertriebsleiter Regionen

Die insgesamt sechs Vertriebsleiter für Regionen im In- und Ausland führten sechs bis sieben Fachberater. In der neuen Vergütung wurden vier Gruppen von Leistungskriterien vorgesehen:

  • Die Zusammenfassung der Vergütungskriterien der Fachberater, die den Vertriebsleitern unterstellt waren, z.B. Umsatz, Deckungsbeitrag, Forcierung After-Sales-Produkte
  • Leistungskriterien aus der Führungsverantwortung, z.B. Ziele zu Projekten bzgl. der Weiterentwicklung des Geschäfts
  • Beteiligung am Unternehmensergebnis, um den „Blick für das Ganze“ zu schärfen: Die variable Vergütung enthielt für jeden Mitarbeiterbereich ein solches ganzheitliches Element
  • Persönliche Leistungsbeurteilung mit Aspekten wie Führungskompetenz, Führungsqualität etc.

Umstellung der Produktfachberater

Die Produktfachberater agierten als Produktspezialisten für verschiedene Produktbereiche mit der Funktion, die Fachberater im Außendienst zu unterstützen und spezielles Produkt-Know-how einzubringen.

Die Produktfachberater hatten bis zur Umstellung auf die neue variable Vergütung einen 20%igen variablen Einkommensanteil auf Basis einer Umsatzprovision. Dieser variable Anteil wurde in der neuen variablen Vergütung beibehalten.

Allerdings sollten die Produktfachberater in komplett neue Vergütungskriterien eingebunden werden:

  • Umsatz des Produktbereichs in Verantwortung: Diese Größe wurde zwar aus der bisherigen variablen Vergütung übernommen, erhielt in der neuen aber nur noch ein relativ kleines Gewicht
  • Deckungsbeitrag des Produktbereichs in Verantwortung: Hier handelte es sich um ein stark gewichtetes Vergütungskriterium in der variablen Vergütung der Produktfachberater, auf das diese vielfältigen Einfluss nehmen können, z.B. entspannt sich durch eine kompetente Fachberatung die Preissituation, die rentableren Lösungen/Produkte können im Beratungsgespräch beim Kunden herausgestellt werden
  • Ausbau strategisch wichtiger Produktbereiche: Hier wurden die Produktfachberater z.B. über einen Produkt-Deckungsbeitrag in die Forcierung bestimmter strategisch wichtiger Produkte eingebunden. Die drei Vergütungskriterien „Umsatz“, „Deckungsbeitrag“ und „Ausbau strategisch wichtiger Produkt- und Kundenbereiche“ vernetzten die Interessen der Verkäufer/Fachberater und der Produktfachberater in der neuen variablen Vergütung miteinander. Beide profitieren wechselseitig von einer guten Performance des jeweils anderen
  • Team-Deckungsbeitrag Gesamtvertrieb
  • Aktivitäten: Die Produktfachberater sollten über die variable Vergütung von Aktivitäten dazu angehalten werden, z.B. Produktschulungen sowohl beim Kunden als auch intern durchzuführen, als Referenten bei Ärztetagungen aufzutreten, Artikel in Fachzeitschriften zu veröffentlichen etc.
  • Persönliche Leistungsbeurteilung: Die Aufnahme „weicher“ Vergütungskriterien für Produktfachberater sollte helfen, deren Kompetenzen zu entwickeln. Dabei ging es z.B. um Weiterbildungsmaßnahmen, um den Ausbau der Markt- und Wettbewerbskenntnisse etc.

Einbeziehung VerkaufsInnendienst

Die Mitarbeiter/innen im VerkaufsInnendienst hatten zum Zeitpunkt der Umstellung auf das neue Vergütungssystem noch keine variable Vergütung. Ein neuer variabler Einkommensanteil wurde geschaffen, in den die Mitarbeiter einen kleinen Teil (7,5%) ihres Fixums einbrachten. Auf der anderen Seite legte das Unternehmen nochmals den gleichen Betrag in den Topf der variablen Vergütung ein, sodass die Mitarbeiter mit Start des neuen Vergütungssystems über einen spürbaren variablen Einkommensanteil von 15% verfügten.

Gleichzeitig waren sie im Rahmen der neuen variablen Vergütung für eine Übergangszeit von drei Jahren gegen Einkommenseinbrüche abgesichert, das alte Fixum galt als Mindesteinkommensgarantie.

Die Innendienstmitarbeiter wurden in folgende Leistungskriterien eingebunden:

  • Umsatz der Fachberater in Zuständigkeit =Teamkriterium; ein Innendienstmitarbeiter betreute zwei bis drei Fachberater
  • Deckungsbeitrag der Fachberater in Zuständigkeit
  • Deckungsbeitrag Gesamtvertrieb
  • Anzahl qualifizierter Termine für die Fachberater: Eine wichtige Aufgabe der Innendienstmitarbeiter war es, qualifizierte Besuchstermine für die Fachberater zu vereinbaren, die sie jeweils betreuen
  • Kontakt-Treffer-Quote: Um ein effektives Arbeiten der Innendienstmitarbeiter zu gewährleisten, wurde die Relation zwischen der Anzahl der vereinbarten Kontakte und der Gesamtzahl der dafür erforderlichen Anrufe zum Kriterium der variablen Vergütung erhoben
  • Persönliche Leistungsbeurteilung: Bei der Vergütung von „weichen“ Kriterien geht es wieder um die Kompetenzentwicklung der Mitarbeiter. Dies betrifft Aspekte wie z.B. die Pflege von Datenbeständen, die Einhaltung der Prozessregeln, die Kommunikation im Team etc.

Das Ergebnis

Das Unternehmen berichtet, dass mit Einführung der neuen variablen Vergütung die Managementqualität im Vertrieb deutlich zugenommen hat. Die Herausforderung aller am Vertrieb Beteiligten, sich auf klare Ziele zu verständigen, hat die Transparenz im Unternehmen erhöht. Durch die Vernetzung der Ziele mit der variablen Vergütung seien die Ziele für Mitarbeiter wie Führungskräfte verbindlich geworden. Die Fokussierung auf Erfolg sei deutlich gestiegen. Die Rentabilität des Unternehmens habe sich ausgesprochen positiv entwickelt.die leistungsorientierte Vergütung im Vertrieb entscheidet sicherlich in hohem Maß über den Vertriebserfolg in 2020. Allerdings sind nach neuesten Erhebungen über 70% der Vertriebsverantwortlichen und Führungskräfte im Vertrieb mit dem variablen Vergütungssystem, das sie für ihre Mitarbeiter anwenden, unzufrieden.

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