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Während manche Menschen in Verhandlungen glauben, dass sie mit kühler Logik und harter Rationalität die besten Ergebnisse erzielen, zeigen zahlreiche wissenschaftliche Studien und Erfahrungen aus der Praxis, dass Emotionen oft den entscheidenden Unterschied machen.
Die Frage ist nicht, ob Emotionen in Verhandlungen eine Rolle spielen – das tun sie immer. Vielmehr kommt es darauf an, wie sie an verschiedenen Stellen und zu unterschiedlichen Zeitpunkten in einer komplexen Verhandlung gesteuert und genutzt werden können, um einen Verhandlungserfolg zu erzielen.
Emotionen als Risiko: Wenn Gefühle die Kontrolle übernehmen
Alle haben es bestimmt schon erlebt: Ein Gespräch eskaliert, weil ein Teilnehmer die Geduld verliert, sich angegriffen fühlt oder schon von Beginn an einfach die Nerven blank liegen.
In solchen Momenten übernehmen Emotionen das Ruder, oft mit negativen Konsequenzen. Wut, Enttäuschung oder Frustration führen zu unüberlegten Aussagen, impulsiven Entscheidungen oder in Verhandlungen plötzlich zum Abbruch – manchmal, ohne dass es dafür eine echte Notwendigkeit gibt.
Ein klassisches Beispiel: Eine Einkäuferin konfrontiert einen Lieferanten mit der Forderung nach deutlichen Preisnachlässen. Der Lieferant fühlt sich direkt unter Druck gesetzt und reagiert mit Empörung: „Das ist völlig unrealistisch! Sie erwarten, dass wir unsere Margen auf null reduzieren?“
Statt die Forderung sachlich zu hinterfragen oder ein Gegenangebot zu machen, lässt er sich spontan von seinem Ärger leiten. Die Folgen sind eine Verhärtung der Fronten, eine ins Stocken geratene Verhandlung, Ratlosigkeit und Barrieren, die eine konstruktive Lösung erschweren. Besonders problematisch bei Emotionen ist, dass sie oft unbewusst und automatisch auftreten.
Wenn wir uns angegriffen oder ungerecht behandelt fühlen, aktiviert unser Gehirn den in uns verankerten sogenannten „Fight-or-Flight“-Modus, die „Kampf-oder-Flucht-Reaktion. Hierbei reagieren wir entweder mit Gegenangriff oder ziehen uns aus der Situation zurück. Beides ist in einer Verhandlung selten hilfreich.
Auch weitere Emotionen wie Angst, Unsicherheit oder Euphorie helfen in Verhandlungen nicht. Wer sich einschüchtern lässt, gibt schneller nach und verpasst möglicherweise bessere Alternativen. Wer direkt begeistert ist, freut sich vielleicht zu früh über eine Einigung und übergeht dabei wichtige Details, die sich später als nachteilig erweisen können.
Emotionen können uns also in eine Falle locken. Doch sie können auch gezielt als Werkzeug in Verhandlungen genutzt werden.
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Mehr lesenEmotionen als strategisches Werkzeug in Verhandlungen
Emotionen sind nicht per se schlecht – im Gegenteil. Wer es versteht, Emotionen gezielt in Verhandlungen einzusetzen, kann sie als mächtiges Instrument nutzen, um Einfluss zu nehmen. Denn, wenn zwei sich schätzen oder sympathisch sind, kommen sie auch in einer schwierigen Verhandlungssituation zu einem guten Ergebnis.
Ein bewusst gezeigtes Maß an Enttäuschung über ein Angebot kann den Verhandlungspartner dazu bringen, nachzubessern. Ein Lächeln zur richtigen Zeit kann Vertrauen aufbauen und Türen öffnen.
Auch dazu ein Beispiel: Eine erfahrene Verkäuferin, die mit einem skeptischen Einkäufer spricht, wird möglicherweise gezielt Emotionen einsetzen, um Vertrauen und Sympathie zu erzeugen.
Sie könnte sagen: „Ich verstehe vollkommen, dass Sie ein besseres Angebot wollen. Auch ich stehe unter Druck, meine Zahlen zu erreichen. Lassen Sie uns sehen, wie wir eine Lösung finden, mit der wir beide zufrieden sein können.“ Damit signalisiert sie Verständnis und öffnet die Verhandlung für weitere Perspektiven und Strategien.
Ein weiteres Beispiel ist die bewusste Nutzung von Stille. Viele Menschen haben Angst vor Schweigen – sie empfinden es als unangenehm und fühlen sich gezwungen, die Stille mit Worten zu füllen.
Wer bewusst schweigt, nachdem das Gegenüber ein Angebot gemacht hat, erzeugt subtilen Druck. Der andere fühlt sich möglicherweise unsicher und fängt an, das eigene Angebot zu hinterfragen oder Zugeständnisse zu machen.
Es gibt auch Situationen, in denen eine gezielte emotionale Reaktion hilfreich sein kann. So könnte eine erfahrene Verhandlerin auf eine besonders unfaire Forderung mit gespielter Überraschung oder Betroffenheit reagieren: „Das hätte ich nicht erwartet. Ich bin wirklich überrascht, dass Sie so wenig Spielraum sehen.“ Eine solche Äußerung zwingt das Gegenüber dazu, die eigene Position zu überdenken, ohne dass eine offene Konfrontation entsteht.
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Mehr lesenEmotionale Intelligenz als Schlüssel zum Verhandlungserfolg
Erfolgreiche Verhandler wissen nicht nur, wie sie ihre eigenen Emotionen regulieren, sondern auch, wie sie die Emotionen des Gegenübers deuten und gezielt darauf eingehen. Hier kommt das Konzept der emotionalen Intelligenz ins Spiel.
Emotionale Intelligenz umfasst vier zentrale Fähigkeiten
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Selbstwahrnehmung
Wer seine eigenen Emotionen nicht erkennt, kann sie auch nicht steuern. Jemand, der spürt, dass er wütend wird, kann bewusst eine Pause einlegen, um sich zu beruhigen.
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Selbstregulation
Im Fokus steht die Fähigkeit, Emotionen zu kontrollieren, anstatt sich von ihnen überwältigen zu lassen. Dazu gehört beispielsweise, bewusst ruhig und sachlich zu bleiben, auch wenn das Gegenüber provoziert.
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Empathie
Beim Einfühlungsvermögen geht es darum, die Emotionen und Perspektiven des anderen zu verstehen. Wer erkennt, dass sein Gegenüber unter Druck steht, kann diese Information gezielt für sich nutzen.
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Soziale Kompetenz
Wer Beziehungen aufbaut, mit anderen effektiv interagiert und einen akzeptablen Kompromiss zwischen sozialer Anpassung und den eigenen Bedürfnissen verwirklicht, gilt als sozial kompetent. Dazu gehört auch zu entscheiden, wann Vertrauen aufgebaut, wann Dominanz gezeigt wird und wann es Zeit ist, nachzugeben.
Ein Beispiel für emotionale Intelligenz in Verhandlungen ist der geschickte Umgang mit Ärger. Statt sofort mit Gegenangriff zu reagieren, könnte ein Verhandler sagen: „Ich verstehe, dass Sie mit unserer aktuellen Liefersituation unzufrieden sind. Lassen Sie uns sehen, ob es eine kreative Lösung gibt, die für beide Seiten funktioniert.“ Damit wird eine Eskalation vermieden.
Wer andere kennt, ist klug. Wer sich selbst kennt, ist weise. – Laozi
Praktische Tipps für den Umgang mit Emotionen in Verhandlungen
- Erkennen Sie Ihre eigenen Emotionen: Nehmen Sie sich einen Moment Zeit, um zu reflektieren, wie Sie sich fühlen. Wenn Sie sich wütend oder frustriert fühlen, nehmen Sie sich bewusst eine Pause.
- Atmen Sie bewusst durch: Tiefes Atmen hilft, Emotionen zu regulieren und einen klaren Kopf zu behalten.
- Nutzen Sie gezielt Stille: Lassen Sie Pausen zu, um Druck aufzubauen und dem Gegenüber Zeit zum Nachdenken zu geben.
- Lesen Sie die Körpersprache Ihres Gegenübers: Emotionen werden oft nonverbal ausgedrückt. Achten Sie beispielsweise auf Kopfnicken, Kopfschütteln, Stirnrunzeln, keinen oder intensiven Blickkontakt, Lächeln, hintere oder vordere Sitzposition.
- Setzen Sie Emotionen bewusst ein: Ein strategisch eingesetztes Lächeln oder eine gespielte Überraschung kann die Verhandlung in die gewünschte Richtung lenken.
- Vermeiden Sie persönliche Angriffe: Auch wenn die Verhandlung hitzig wird, bleiben Sie sachlich und professionell.
- Nutzen Sie Empathie: Zeigen Sie Verständnis für die Situation Ihres Gegenübers – das kann zu besseren Ergebnissen führen.
Fazit der Experten
Emotionen steuern, nicht unterdrücken
Emotionen sind in Verhandlungen unvermeidlich – sie können entweder ein Hindernis oder ein Vorteil sein. Wer sich von ihnen leiten lässt, läuft Gefahr, impulsiv oder defensiv zu reagieren. Wer sie jedoch bewusst steuert und gezielt einsetzt, kann Verhandlungen aktiv beeinflussen und bessere Ergebnisse erzielen. Bereiten Sie sich auf dieses Vorgehen vor.
Wenn etwa ein Verhandlungspartner in der Vergangenheit emotional reagiert hat, überlegen Sie sich Strategien, wie sie diese Situation in Zukunft mildern können. Denn die geschickte Steuerung von Emotionen – sowohl der eigenen als auch der des Gegenübers – ist oft effektiver ist als eine direkte Konfrontation.
Die Kunst erfolgreicher Verhandler und Verhandlerinnen liegt nicht darin, Emotionen auszublenden, sondern sie zu verstehen und strategisch zu nutzen. So wird aus jeder Verhandlung nicht nur ein sachlicher Austausch, sondern ein dynamischer Prozess, in dem psychologische Faktoren ebenso entscheidend sind wie Zahlen und Fakten.
Zu den Personen
Jörg Pfützenreuter ist Diplom-Ingenieur, Diplom-Kaufmann sowie selbständiger Trainer, Coach und Autor.
Thomas D. Veitengruber ist Diplom-Wirtschaftsingenieur sowie selbständiger Trainer, Unternehmensberater und Autor. Beide verfügen über langjährige Praxiserfahrung in Einkauf, Verkauf und Geschäftsleitung.
Gemeinsam leiten sie die VerhandlungsWerkstatt®, in der sich das erfolgreiche Verhandeln wie ein Handwerk solide erlernen lässt. www.verhandlungswerkstatt.com/
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