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Als „Gleicher unter Gleichen“ agil führen
Die fiktive Vertriebsleiterin Andrea P. hat alle Hände voll zu tun: Ein Innovationsteam ist dafür zuständig, ein neues Produkt in den Markt zu pushen. Die Teammitglieder haben kreative Ideen entwickelt, wie das Produkt an die Kunden gebracht werden kann, sie sind für die Umsetzung der Aufgabe zuständig.
In wenigen Minuten findet ein Meeting statt, als „Gleicher unter Gleichen“ steht die Vertriebsleiterin den Teammitgliedern beratend zur Verfügung.
Sie führt das Vertriebsteam agil, die Entscheidungen treffen die Mitglieder selbst – der Grundgedanke des Collective Leadership ist verwirklicht: Alle Mitarbeitenden wollen und sollen Verantwortung für ihr Handeln übernehmen.
Dazu bauen sie Kompetenzen auf, die sie befähigen, als Leader zu agieren, Verantwortung wahrzunehmen und die Konsequenzen zu tragen, die sich aus dieser Verantwortungsübernahme ergeben. Es geht auch um hierarchieübergreifende Partizipation: Andrea P. hat nicht mehr das Sagen – entscheidend ist vielmehr, was der jeweilige Experte im Team zu einem Thema beizutragen hat.
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Doch kurz bevor das Meeting startet, ist die Vertriebsleiterin als Problemlöserin gefragt. Ein wichtiger Kunde drängt auf Lieferung, die Lieferkonditionen sind vertraglich geregelt, es müssen Überstunden anberaumt werden, damit pünktlich geliefert werden kann. Es gibt ein Murren in Mitarbeiterschaft und Betriebsrat, zudem führt das Controlling Qualitätsgründe ins Feld und dringt auf eine spätere Auslieferung, um Regressforderungen vorzubeugen.
Eine verzwickte Situation, aber die Vertriebsleiterin und die anderen beteiligten Führungskräfte können nicht lange herumdiskutieren, sondern fällen eine rasche, hierarchisch legitimierte Entscheidung.
Als Dealmaker Vereinbarungen treffen
Zum Glück verläuft der Nachmittag ruhiger: Die Vertriebsleiterin bespricht sich mit einigen Verkäufern, die im operativen Geschäft eine Akquisitionsoffensive betreuen. Sie motiviert sie entlang des jeweiligen Werte- und Emotionssystems und unter Berücksichtigung der individuellen Motivatoren.
Dabei agiert sie bei einigen Akquisiteuren als „Dealmaker“: Indem sie die konkrete Vereinbarung trifft, „Wenn Sie in den nächsten vier Wochen x Interessenten zu Kunden entwickeln und dabei y Euro Umsatz generieren, winkt Ihnen diese Prämie: …“, wendet sie den transaktionalen Führungsansatz an, bei dem Wenn-dann-Deals in den Fokus rücken.
Hilfe zur Selbsthilfe
Kurz vor Feierabend schließlich steht ein Coaching mit zwei Mitarbeitenden an, denen Andrea P. Hilfe zur Selbsthilfe anbietet, damit sie ihre Stärken noch mehr ausbauen – beide Verkäufer streben den Aufstieg zum Teamleiter an.
Die Vertriebsleiterin stellt die zwei Mitarbeitenden mit all ihren Hoffnungen und Befürchtungen, Erwartungen und Ängsten, Bedürfnissen und Problemen in den Mittelpunkt, findet den jeweiligen Schlüssel zu ihrer Innenwelt und unterstützt sie als Coach dabei, ihre Potenziale und Ressourcen zu entwickeln und zu nutzen, um noch erfolgreicher im Vertrieb zu agieren. Sie hebt auf das ab, was sie tief in ihrem Inneren bewegt und antreibt und ihr Wesen ausmacht.
Führungssouveränität entwickeln
Der Aufbau von Führungssouveränität ist die eine Aufgabe, dass im Zuge des Collective Leadership jeder im Vertriebsteam Verantwortung übernehmen kann und soll die zweite Herausforderung in der modernen Arbeitswelt.
Zentral ist, sich als Vertriebsführungskraft zur Führungspersönlichkeit zu entwickeln und flexibel zwischen den verschiedenen Führungsstilen zu changieren und dabei jeweils das Führungsverhalten an den Tag zu legen, das der Situation, dem individuellen Kontext und vor allem den beteiligten Menschen angemessen ist.
Zuweilen bedeutet das für Vertriebsleitende wie Andrea P. eine gewaltige Kraftanstrengung, tritt sie doch
- beim hierarchischen Stil als direktive Anweisende
- beim transaktionalen als Dealmaker
- beim situativen als empathische Beziehungsmanagerin
- und beim transformationalen Führungsstil als visionäres Vorbild auf.
- Damit nicht genug: Beim agilen Führen ist sie als Enabler, als Ermöglicher
- und beim coachenden Führen als Coach gefragt.
All dies geht nicht ohne ein Set an Souveränitätskompetenzen und ein Menschenbild, das auf der Haltung basiert, jeder Mensch sei ein wertvolles Subjekt, dessen Einzigartigkeit es erforderlich macht, im Führungsprozess individuell auf es einzugehen.
Jedes eindimensionale Führungsverhalten ist kontraproduktiv, weil es der Vielschichtigkeit und Mehrdimensionalität des Menschseins nicht gerecht wird.
Das Ich-Denken in die Wüste schicken
Zu den elementaren Souveränitätskompetenzen gehören beispielsweise Fähigkeiten wie die selbstkritische Infragestellung der eigenen Positionen und das multiperspektivische und flexible Denken und Handeln.
Führungspersönlichkeiten sind in der Lage, von sich selbst abzusehen. Sie wissen, dass sie nicht der Mittelpunkt der Welt sind und können darum Ambivalenz aushalten und in Gegensätzen und Widersprüchen denken.
Zudem sind sie Mitglieder des Picabia-Fanclubs: „Unser Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann“ – dieser Satz wird dem französischen Künstler Francis Picabia (1879-1953) zugeschrieben.
Wo andere Menschen sich gern eindeutig festlegen, fragt die souveräne Führungspersönlichkeit, ob es sich vielleicht nicht ganz anders verhalten könnte.
Führungsfehler durch mangelnden Reifegrad
Zudem gibt es sehr pragmatische Souveränitätskompetenzen – dafür ein Beispiel: Oft will es Vertriebsführungskräften nicht gelingen, in dem erforderlichen Führungsstil zu verbleiben.
Nehmen wir an, unsere fiktive Vertriebsleiterin Andrea P. will in einer Notfallsituation eine Anweisung geben, lässt sich dann jedoch auf einen kontraproduktiven Wenn-dann-Deal ein.
Oder sie möchte im Coachinggespräch die Außendienstmitarbeiterin ihren eigenen Weg finden lassen, leistet aber nicht Hilfe zur Selbsthilfe, sondern äußert eigene Vorstellungen, wie die Mitarbeiterin agieren sollte. Mit dem coachenden Führungsstil hat diese Beeinflussung nichts zu tun.
Dies sind Fehler, die meistens durch einen mangelnden Reifegrad entstehen. Zudem werden die eigenen inneren Präferenzen reaktiv genutzt: Dies geschieht, wenn wir uns in problematischen Situationen auf Verhaltensweisen zurückzuziehen, die sich in der Vergangenheit bewährt haben und gesellschaftlich als etablierte Standards anerkannt sind. Die Folge ist: Das Gespräch verläuft nicht so, wie es sich die Vertriebsleiterin vorgestellt hat, und sie fällt aus der Rolle.
Was können Sie tun?
Gehen Sie in die Selbstreflexion, um zu vermeiden, dass Sie auf jene reaktive Verhaltensweisen zurückgreifen und damit auf einen nicht angemessenen Führungsstil, mit dem Sie Ihren Mitarbeitenden nicht gerecht werden. In dem als richtig erkannten Führungsstil zu verbleiben, lässt sich in Rollenspielen trainieren. So gelingt es Ihnen, souverän in Führung zu gehen und stets das angemessene Führungsverhalten zu aktivieren.
Strategien und Mindset für erfolgreiches Leadership in Zeiten von New Work
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