Customer Journey: So werden Vertrieb und Marketing in 7 Schritten zum Gewinnerteam

In der „Customer Journey“ verändern sich die Aufgabenfelder von Vertrieb und Marketing ständig. Aktuell dehnt sich die Kundenhoheit des Vertriebs auf zusätzliche Bereiche wie Marketing, Inside Sales, Sales Back Office und Service aus.

Wohin geht die customer journey - vor allem bei der Zuammenarbeit von Vertrieb und Marketing?
Wohin geht die selling journey - vor allem bei der Zuammenarbeit von Marketing und Vertrieb? © Andy Ilmberger/stock.adobe.com

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Im Idealfall agieren alle Aufgabenbereiche gemeinsam als funktionierendes Team entlang der Customer Journey. Im Hinblick auf eine kundenzentrierte Marktbearbeitung benötigen Unternehmen unter anderem nicht nur ein abteilungs- und funktionsübergreifendes Vertriebsmanagement, sondern auch übereinstimmende Daten und CRM Systeme, die den Zugriff auf alle relevanten, aktuellen Kundendaten abteilungsübergreifend liefern.

Vom Silodenken zur Zusammenarbeit

  • Vor einigen Jahren war der Vertriebszyklus noch vollkommen vertriebszentrisch ausgerichtet. Die Aufgabe des Marketing bestand lediglich darin, Informationen anzubieten.
  • Der Aufgabenbereich des Vertriebs erstreckte sich von der Informationsphase über die aktive Verkaufsphase bis zum Abschluss. Eine One Way-Single Channel Tour, geleitet durch die Kundenbeziehung.
  • Überschnitten haben sich die Bereiche Marketing und Vertrieb hauptsächlich bei der Bereitstellung von Informationen und Musterproben.

Heute ist das anders. Es herrscht eine deutliche Verschmelzung im Vertriebszyklus. Marketing- und Vertriebsexperten müssen heute Allrounder sein. Denn der Kunde begibt sich auf seine eigene digitale „Customer Journey“ und trifft dabei manche Kaufentscheidung, ohne je mit dem Vertrieb kommuniziert zu haben.

Durch die sozialen Netzwerke sind wir immer vernetzt, bestens informiert und können uns gegenseitig alles und zu jeder Zeit mitteilen. Kampagnen interessieren den Kunden auf seiner „Journey“ nur wenig.

Diese Tatsache birgt Herausforderungen und Chancen gleichermaßen. Die inhaltlichen und fachlichen Anforderungen an die Mitarbeiter, die in die Marktbearbeitung involviert sind, werden immer größer.

Die Anzahl der persönlichen Vertriebsbesuche sinkt bei gleichzeitig höheren Qualitätsanforderungen an die Kontakte.

Den neuen Herausforderungen und Kundenbedürfnissen kann nur entsprochen werden, wenn Marketing und Sales an einem Strang ziehen.

„Die Ansätze für eine erfolgreiche Selling Journey müssen sich ändern, denn die Kundenhoheit erweitert sich auf zusätzliche Bereiche wie z.B. Marketing, Innendienst, Sales Back Office und Service“, erklärt Vertriebsexperte Dr. Matthias Huckemann, Geschäftsführer von mercuri International.

Gemeinsam mit Univ.-Prof. Dr. Christian Schmitz fand er jüngst in einer Studie unter B2B Führungskräften heraus, dass die Abstimmung zwischen Marketing und Sales der Schlüssel für langfristigen Erfolg ist.

Grundsätzlich ist das Verständnis, dass Marketing und Sales kooperieren müssen, vorhanden: Die große Mehrheit der international befragten Führungskräfte, 90 Prozent, ist der Meinung, dass die Vertriebs- und Marketingziele aufeinander abgestimmt sein sollten. Doch die Realität sieht anders aus, denn bisher ist dies nur bei 44 Prozent der Unternehmen bereits der Fall.

Wo die Abstimmung zwischen Marketing und Sales hakt, ist Umsatzrückgang vorprogrammiert

Die Journey des Kunden ist abteilungsübergreifend. Die verschiedenen Phasen wie Bedarf, Suche, Wahl, Kauf, Nutzung und Empfehlung sollten nicht mehr wie früher auf verschiedene Bereiche wie Socials, Mobile Nutzung, Vertrieb, Call Center, Website, eCommerce, etc. aufgeteilt werden, sondern von Marketing, eCommerce, Inside Sales und Service gemeinsam getragen werden. Während der Selling Journey wird eine klare Aufgabenzuteilung benötigt.

Im Vergleich zu Firmen, bei denen Sales- und Marketing effektiv zusammenarbeiten, haben Unternehmen, bei denen die Abstimmung zwischen Marketing und Sales hakt, eine doppelt so hohe Wahrscheinlichkeit, einen 20-prozentigen Umsatzrückgang zu verbüßen. Dazu trägt zum Teil auch das Fehlen von übereinstimmenden Daten über potenzielle Kunden und ein Vertriebsmanagement bei, dessen Struktur zu wenig abteilungs- und funktionsübergreifend ist.

The State of Sales-Marketing Alignment 2021”, eine aktuelle Studie von Freshworks, kam zu einem ähnlichen Schluss: Nur eine gemeinsame Ausrichtung der Unternehmensziele führt zum Erfolg.

Doch wo sollen Führungskräfte ansetzen, um das längst nicht mehr zeitgemäße Silodenken aufzubrechen, Konflikte zu vermeiden und die Zusammenarbeit zu verbessern?

Nicht der technologische Fortschritt bremst uns in der Weiterentwicklung der Marktbearbeitung, sondern das Verhalten unserer Mitarbeiter.

  • Entsprechend sind über zwei Drittel der befragten Führungskräfte der Meinung, dass das Marketing den Kunden am Beginn der Selling Journey nicht konsequent genug begleitet.
  • 67 % kritisieren, dass der Vertrieb heute nur unzureichend Leads aus dem Marketing systematisch nachverfolgt und zum Kauf führt.
  • Laut Huckemann liegt dies wahrscheinlich daran, dass das Marketing versucht, möglichst viele Leads aus dem Markt zu holen, der Vertrieb das aber nicht unbedingt gutheißt.

In 7 Schritten zur neuen Aufgabenverteilung zwischen Marketing und Vertrieb

1 Vergütung

„Zwei Drittel der Befragten meinen, dass der Vertrieb das Monopol auf den Kunden verlieren wird. Die Frage hierbei ist, ob eine variable Vergütung dann noch Sinn macht. Zuerst muss das Marketing dafür sorgen, dass der Kunde die Produkte überhaupt im Netz findet und erst dann beginnt die Betreuung durch den Vertrieb. Also sollten beide variabel vergütet werden – eigentlich sogar alle Abteilungen und Touchpoints. Oder eben gar niemand mehr“, so Huckemann.

2 Kundenbearbeitung

Marketing und Vertrieb müssen nicht nur bei der Informationsbereitstellung zusammenarbeiten, sondern auch während der Verkaufsphase. Manchmal sogar bis zum Abschluss. Allgemein wird ein Arbeitsklima gefordert, das den abteilungsübergreifenden Austausch und Lernprozess fördert. Die Kommunikation muss besser werden, um das gemeinsame Ziel, mehr Leads zu generieren, erreichen zu können.

Der regelmäßige Informationsaustausch zwischen dem Vertrieb als Sprachrohr des Kunden und internen Abteilungen wird als essenziell angesehen. „Immerhin hat der Vertrieb immer noch direkten Kundenkontakt. Es ist extrem wichtig, dass er das Kundenfeedback an die anderen Abteilungen weitergibt. Gemeinsame Ziele für eine gemeinsame Ausrichtung“, so Huckemann.

3 Digitale Kompetenz

Zudem sollten sich Trainings an den einzelnen Elementen der Customer Selling Journey orientieren, um Kampagnen optimal nutzen zu können. Laut Schmitz und Huckemann müssen in der Selling Journey der Zukunft Positionen mit neuen Anforderungsprofilen, wie z.B. Big Data Manager, besetzt werden. Auch die Incentivierung muss an die Veränderungen angepasst werden. Die Erfolgsmessung wird komplexer, da der Erfolg nicht mehr eindeutig einzelnen Personen oder Abteilungen zugeordnet werden kann.

„Man muss die Vertriebsmitarbeiter mitnehmen ins Digitale Zeitalter“, so der Experte in CRM und Marketing Automation bei Oracle Frank Vogt. Um weiter am Markt bestehen zu können müssen die Vertriebsmitarbeiter also dem Kunden ins Internet folgen und sogenanntes Social Selling betreiben.

4 Effektives Datenmanagement zur Stärkung des digitalen Marketing-Vertriebs-Tandems

Laut Vogt ist dabei eine der wichtigsten Strategien das Verstehen der Customer Journey des Kunden. Eine gut durchdachte und effektive Nutzung der gesammelten Kundendaten ist in diesem Kontext von ganz besonderer Bedeutung. Und es muss möglich sein, mit der Kundschaft immer und zu jeder Zeit, über die verschiedensten Kanäle zu kommunizieren.

Dabei sollten die Kundenbedürfnisse im Vordergrund stehen. Unternehmen müssen sich das Vertrauen ihrer Kunden verdienen und deren Historie kennen. Die Kundin will belohnt und repräsentiert werden. „Nurturing“ ist das Zauberwort, das mittlerweile in jedem Unternehmen zur Selbstverständlichkeit geworden sein sollte.

Um zu unterstreichen, wie wichtig effizientes Datenmanagement ist, erinnert Vogt an den Ökonom und Marketingexperten Peter Drucker: “Das Ziel von Marketing ist es, seine Kunden so gut zu kennen und zu verstehen, dass die Produkte oder die Services perfekt passen und sich selbst verkaufen.”

Unternehmen müssen also lernen, die digitale Körpersprache des Kunden zu lesen und zu erheben. “Digital Body Language” ist die Sammlung von Onlineaktivitäten, die genutzt wird, um Interessen, Stimmung, Verhalten und Präferenzen des Kunden auszuwerten. Unternehmen sollten zum Beispiel wissen, welche Websites der Kunde anklickt, für welche Kampagnen er sich interessiert, was er wo kauft oder benötigt und wann, etc.

Hierfür muss man die Kunden sehr genau beobachten, um die Informationen, die man ihnen bieten möchte, so gut wie möglich personalisieren und mit ihnen über deren bevorzugte Kanäle kommunizieren zu können. Um letztlich eine Individualisierung der Produkte zu erreichen, müssen Marketing und Vertrieb als eine Art digitales Tandem auftreten und eng zusammenarbeiten, nur so kann, laut Vogt, „Leadnurturing“ funktionieren.

5 Nurturing– der Erfolgsfaktor im neuen Leadmanagement

„Nurturing“ heißt nähren, anreichern. Man versorgt Interessenten am richtigen Ort und zum richtigen Zeitpunkt mit relevanten, aufeinander aufbauenden Informationen, um diese nach und nach an die Kaufentscheidung heranzuführen.

Zum Beispiel benötigt ein Einkaufsleiter andere Informationen als ein Produktionsleiter. Jemand, der ein Ausschreibungsformular herunterlädt, ist in einer anderen Phase der Entscheidungsfindung als jemand, der zunächst nur ein paar Informationen sucht.

Wettbewerber, die Unterlagen anfordern und Consultants, die Content abgreifen wollen, müssen im Leadprozess aussortiert werden, bevor sie an den Vertrieb gelangen. Daten und Vorinformationen, die der Vertrieb für seine Arbeit braucht, können im Rahmen des Lead-Nurturings abgefragt und optimal angereichert werden.

6 Förderung von Cross-Channel Marketing

Der klassische Channel Marketing-Ansatz ist die Maximierung der Kampagnenkonversion, also der Schritt vom Interessenten zum Käufer, an eine undifferenzierte Zielgruppe. Bis zu 97% ignorieren die Kampagnen-Maßnahmen oder bleiben völlig anonym. Das führt zu einer Konvertierung von nur 3%, also nur 3% der Interessenten kaufen am Ende. Der Fokus liegt dabei auf dem getätigten Kauf und nicht auf persönlichem Dialog.

Individuelle Interaktion, persönliche Kommunikation über die verschiedenen Kanäle hinweg jedoch, erbringt eine bis zu fünf Mal höhere Konvertierung. Angebote basieren dabei auf beobachtetem Kundenverhalten.

Dieser Dialog mit den Kundinnen spielt sich in der Zukunft vermehrt in den sozialen Medien ab. Die Wahl der Wege, auf denen man mit dem Kunden kommuniziert, muss man ihm hierbei vollkommen selbst überlassen. Und ganz wichtig: Man muss der Kundschaft Mehrwert bieten.

7 Content-Marketing – heute geht nichts mehr ohne

Content Marketing ist somit zum wichtigsten Kommunikationsinstrument geworden und stellt für Kunden einen Mehrwert dar. Von der Kundschaft als Service empfunden, macht Content Marketing das Anbieter-Unternehmen sympathisch und verleiht einen persönlichen Touch.

Eine effektive Content Strategie muss gut geplant sein. Erstellten früher einzelne “Content Schreiber” im PR-Team unternehmensbezogene Inhalte, so wird der Content heute von vielen verschiedenen Personen innerhalb und außerhalb einer Organisation erstellt und jeweils für unterschiedliche Kanäle adaptiert. Für effektives Content-Marketing sollten Experten eingesetzt und die Themenmodelle an die konkrete Zielgruppe angepasst werden. Wertvolle Informationen werden dem Kunden meist in Serien zur Verfügung gestellt.

Beliebte Themen:

  • Vordenkerschaft/Meinungsführerschaft, sog. Thought Leadership
  • Kundenstories
  • Produktreviews
  • Best Practices

So werden Marketing und Vertrieb zum Gewinnerteam

Der Wandel interner Prozesse und Kultur ist immer noch im Gange. Die zukünftigen Aufgabenfelder des Vertriebs werden immer vielfältiger. Sein Fokus liegt heute auf dem Verkauf erklärungsintensiver Produkte und dem Angebot von Lösungen und Services:

  • Treffen Sie die Kunden dort, wo sie sich aufhalten und stellen Sie deren Bedürfnisse in den Mittelpunkt.
  • Sammeln Sie wertvolle Daten über deren Interessen und Kaufverhalten und werten Sie diese effektiv aus.
  • Lassen Sie Vertrieb und Marketing als starkes digitales Tandem auftreten.
  • Abteilungsübergreifendes Lernen und regelmäßiger Austausch zwischen Marketing, Vertrieb und anderen in die Customer Journey eingebundenen Abteilungen sind essenziell.
  • Auch funktionierende und von allen gemeinsam genutzte IT gilt als wichtige Rahmenbedingung.
  • CRM-Systeme müssen den Zugriff auf alle relevanten, aktuellen Kundendaten, wie etwa das Bearbeitungsstadium, abteilungsübergreifend liefern.
  • Entwickeln Sie eine effektive Content Marketing Strategie mit einem zentralen Ort für alle Content Marketing Funktionen.
  • Personalisieren Sie die Kommunikation und letztlich die Produkte.

 

Dr. Lydia Polwin-Plass

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