Hat der Vertriebstrichter ausgedient?

Für alle im Verkauf tätigen Menschen ist es sehr wichtig, sich mit Modellen wie dem Vertriebstrichter oder dem Flywheel zu beschäftigen, um zu verstehen, wie Vertriebsprozesse gestaltet werden können.

Wie bilden Sie Ihre Marketing- und Vertriebsprozesse ganzheitlich und kundenzentriert aus?
Wie bilden Sie Ihre Marketing- und Vertriebsprozesse ganzheitlich und kundenzentriert aus?© tomertu/stock.adobe.com

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Für alle im Verkauf tätigen Menschen ist es sehr wichtig, sich mit Modellen wie dem Vertriebstrichter oder dem Flywheel zu beschäftigen, um zu verstehen, wie Vertriebsprozesse gestaltet werden können.

Simpel und anschaulich: Der Vertriebstrichter

Durch das Verständnis, wie Vertriebsprozesse gestaltet werden können, ist eine gute Steuerung sowohl von außen – durch die Führungskraft – als auch von innen – im Self-Leadership – möglich.

Seit vielen Jahren gilt dabei der Vertriebstrichter oder Sales Funnel als DAS Führungsinstrument für die Ausrichtung der Vertriebsprozesse vieler Unternehmen. Der Funnel-Begriff hat sich ebenso im Marketing etabliert und wird dort mittlerweile auch im B2B-Geschäft fast schon inflationär verwendet. Aber ist das weit verbreitete Vertriebstrichter-Modell wirklich das Maß aller Dinge, um sämtliche Vertriebsaktivitäten in die gewünschte Richtung zu lenken?

Im Sales Funnel werden die verschiedenen Phasen von Leads bis zu kaufenden Kunden anschaulich dargestellt. Oft wird dabei auch versucht, die sogenannte Customer Journey abzubilden. Das Gute an einem Vertriebstrichter ist die Einfachheit der Darstellung: Jeder versteht sofort, in welcher Ebene sich der Kunde gerade auf dem Weg zum Auftrag befindet. Dieser lineare Prozess lässt sich auch hervorragend in CRM-Systemen abbilden.

Schwächen des Vertriebstrichter-Modells

1 Komplexe Verkaufsprozesse sind unübersichtlich

Aber gerade die simple Linearität ist eine große Gefahr bei der Funnel-Darstellung, da dadurch viele mögliche Synergie- und Akzelerator-Effekte außer Acht gelassen werden. Die Analogie mit realen physischen Trichtern passt zudem leider nur bedingt, denn bei denen kommt am Ende irgendwann alles heraus, was man oben hineinkippt. Der Sales Funnel hingegen hat Löcher.

Wie groß die Austrittsstellen sind und wie hoch die Verlustrate von Phase zu Phase ist, versucht man mit Statistiken – durch sogenannte Conversion-Rates – zu quantifizieren. Das mag im Produktverkauf bei überschaubaren Sales-Zyklen funktionieren, aber wie sieht es im hochkomplexen Lösungsvertrieb mit hohen Auftragswerten und großen Buying-Centern aus?

2 Nach dem Kauf fällt der Kunde aus dem Verkaufstrichter heraus

Meine Bedenken gegenüber dem klassischen Vertriebstrichter gehen aber noch einen Schritt weiter und richten sich auf das Ende des Funnels: Nach erfolgtem Auftrag bzw. neu gewonnenem Kunden ist der Prozess zu Ende. Doch es ist schließlich immens wichtig, nicht nur den Auftrag ordentlich abzuwickeln, sondern sich z.B. um Zusatz- und Anschlussgeschäfte zu kümmern.

Laut diesem Modell sind keine weiteren Schritte oder Aktivitäten vorgesehen. Dabei geht die Kundenbeziehung ab diesem Zeitpunkt doch erst so richtig los.

Welche Alternativen zum Verkaufstrichter gibt es?

Die Vertriebspipeline

Schon ebenfalls recht lange gibt es neben dem Trichter das Bild mit der Betrachtungsweise als Vertriebspipeline. Eine Pipeline verläuft in der Regel nicht von oben nach unten, sondern horizontal. Außerdem kann sie Ventile und Abzweigungen enthalten. Somit scheint das Pipeline-Modell die Vertriebsprozesse etwas realistischer darzustellen.

Aber wenn man das Ganze nüchtern betrachtet, ist die Vertriebspipeline meist nur ein quer gelegter Vertriebstrichter, denn tatsächlich wird sie in der Praxis oft genau so dargestellt.

Grundsätzlich gefällt mir rein von der bildlichen Betrachtung her die Darstellung der Vertriebsprozesse als Treppe recht gut: Auf dem Weg zum Kundenauftrag muss man verschiedene Stufen erklimmen. Der Weg geht also bergauf und bedarf einiger Anstrengungen. Mit dem Auftrag ist man schließlich oben angekommen.

Aber was ist, wenn man die höchste Stufe erreicht hat, also die Zusage vom Kunden?

Das Flywheel: Vertrieb als Kreislaufmodell statt Punkt-zu-Punkt-Betrachtung

Es scheint also gar nicht so einfach zu sein, die richtige Darstellungsform für die Vertriebsprozesse zu finden. Als Alternative bieten sich Kreislauf-Modelle an, ohne festen Anfang und ohne fest definiertes Endziel. Eines davon ist die Betrachtungsweise als Flywheel.

Ursprünglich von Jim Collins, einem Management-Vordenker und Jeff Bezos, dem Amazon-Gründer erfunden, wurde das Flywheel-Konzept von Brian Halligan, dem Gründer von Hubspot auf die Vertriebs- und Marketingprozesse adaptiert.

Was ist das Flywheel in Vertrieb und Marketing?

Beim Flywheel werden die gesamten Marketing-, Vertriebs- und Service-Aktivitäten ganzheitlich betrachtet, während der Kunde stets im Mittelpunkt steht. Diese Customer-Zentrierung führt dazu, dass immer ein „Anziehen“, „Interagieren“ und/oder „Begeistern“ beim Kunden stattfindet. Im Idealfall kommt das Schwungrad also ordentlich in Bewegung.

So richtig durchgesetzt hat sich das Flywheel-Modell aber bisher nicht. Vermutlich lieg das daran, dass man die Prozesse dabei nicht so einfach abstufen kann wie beim Trichter. Viele Menschen denken nun mal gerne linear, und Vertriebssoftware funktioniert nach ähnlichen, nämlich eher gerade verlaufenden Strukturen.

Wie bekommt man das Thema der ganzheitlichen, aber dennoch einfachen Darstellung von Vertriebsprozessen und Customer Journeys möglicherweise trotzdem in den Griff?

Mein Vorschlag ist, das Kreislaufmodell mit den Prozess-Schritten des Funnels zu verknüpfen. Diese Darstellungsform ergänzt die Stufen des klassischen Vertriebstrichters um weitere Phasen nach dem Auftrag, also z.B. Projektdurchführung oder Kundenservice.

Es geht hier schließlich um die Betreuung und Weiterentwicklung des Kunden. Ein zufriedener Kunde kauft idealweise erneut und empfiehlt weiter. Diese neuen Verkaufschancen tauchen beim Vertriebskreislauf dann wieder als Lead entweder beim gleichen oder im Falle einer Empfehlung bei einem anderen Kunden auf.

Viel wichtiger als die reine Darstellungsform des Modells ist allerdings, dass folgende Grundsätze beim Umsetzen der Vertriebsprozesse beachtet werden, um den ganzheitlichen Ansatz auch wirklich zu leben.

So setzt man den Vertriebsprozess erfolgreich um

  1. Vermeiden Sie die klassischen Bruchstellen an den Übergangspunkten zwischen Marketing, Vertrieb und Service! Was spricht z.B. dagegen, dass das Online-Marketing nicht nur für die Leadgenerierung verantwortlich ist, sondern den Prozess weiter begleitet und die Menschen im Vertrieb und Service bei Bedarf mit seinen Werkzeugen unterstützt?
  2. Machen Sie die vollständigen Prozesse für alle Beteiligten auch in Ihren Systemen transparent! Nur durchgängige Datenflüsse garantieren die gleichen Informationen für alle. Vermeiden Sie daher Tool-Ansammlungen für einzelne Abteilungen und Bereiche, die nicht gut miteinander verknüpft sind.
  3. Machen Sie auch nach Vertragsabschluss weiterhin Sales bei Ihren Kunden! Dabei ist es unerheblich, wie Sie das organisieren. Wenn nach einem gewonnenen Auftrag die Hunter z.B. an das Customer-Success-Team oder an den Kundenservice übergeben, sollten Sie darauf achten, dass es auch hier Vertriebsziele gibt und diese erreicht werden.

Fazit des Experten Bei der Umsetzung der Vertriebsprozesse können Hilfestellungen z.B. in Form von grafischen Modellen eine wertvolle Unterstützung sein. Egal für welche Darstellungsform Sie sich entscheiden: Viel wichtiger ist, dass alle mit dem Kunden in Kontakt stehenden Personen die Zusammenhänge und Gesamtziele verstanden haben und nicht nur ihre eigene und möglicherweise eingeschränkte Sicht auf die Kunden haben.

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Oliver Büchel

Ein Kommentar zu “Hat der Vertriebstrichter ausgedient?

  1. Thorsten Michael Rau

    Das ist schon eine wichtige Überlegung. Für mich ist der Sales Funnel für die Akquise nutzbar. Ist der Kontakt dann zum Kunden geworden, dürfen Vertriebsaktivitäten nicht abreißen, aber auch die Kundenpflege ist ein wichtiger Punkt. Vertrauen behalten und ausbauen. Dafür braucht es ein anderes Verhalten und eine andere Ansprache. Der ?Hunter? wird mehr zum ?Farmer? damit weitere Verkäufe eine Art Selbstverständlichkeit erreichen bzw. erweitert werden.

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