View: 7.428 Kommentieren: 0
Es ist schon erstaunlich…
Ich habe die Studie selbst nicht gelesen, weiß aber von ähnlichen Untersuchungen und den Ergebnissen aus eigenen Beratungsprojekten, dass die Zeit für qualitative Vertriebsarbeit in der Tat bei vielen Vertriebsmitarbeitern sehr gering ist.
Bevor ich ein paar Anregungen gebe, wie man die produktive Vertriebsarbeit erhöhen und die vertriebsunproduktiven Tätigkeiten reduzieren kann, möchte ich zunächst noch definieren, was aus meiner Sicht das eine und das andere überhaupt ist.
Qualitative Vertriebsarbeit
Qualitative Vertriebsarbeit zeichnet sich durch Tätigkeiten aus, bei denen der Verkäufer proaktiv mit Kunden oder Interessenten in Kontakt tritt. Beispiele hierfür sind das persönliche Kundengespräch, die Telefonakquise, Online-Aktivitäten in XING oder LinkedIn, Kundenveranstaltungen oder auch Vertragsverhandlungen.
Vertriebliche Basisarbeit
Tätigkeiten, die nicht den unmittelbaren Kundenkontakt, sehr wohl aber indirekte Verkaufsaktivitäten betreffen, sind nach meinem Verständnis vertriebliche Basisarbeit und damit durchaus auch sinnvoll im Sinne der vertrieblichen Ziele.
Vertriebliche Basistätigkeiten sind danach die Recherche und Pflege von Adressdaten, Nachfass-Aktivitäten, die Ausarbeitung und Erstellung von Angeboten und Verträgen, die Abstimmung von Terminen oder auch die Bearbeitung von Lasten- und Pflichtenheften.
Vertriebsunproduktive Tätigkeiten
Bleiben noch die vertriebsunproduktiven Tätigkeiten, die es natürlich weitestgehend zu reduzieren gilt. Auch dafür gebe ich Ihnen ein paar Beispiele:
- Zu viele und ineffiziente Meetings
- Fahrzeiten, d.h. schlechte Routenplanung, unnötige Kundenbesuche
- Administrative Tätigkeiten
- Aufgeblähtes Berichtswesen
- Langwierige und übertriebene Vorbereitung von Unterlagen und Präsentationen
- Zu frühe, sinnlose oder Alibi-Angebote
- Sonstige „Schein“-Vertriebsaufgaben
Ich denke, ich muss die einzelnen Punkte nicht näher erläutern, da jeder weiß, was damit gemeint ist. Wer als Verkäufer – bzw. auch in anderer Position mit und ohne Führungsverantwortung – tätig ist und sein eigenes Tun von Zeit zu Zeit kritisch hinterfragt, wird sich vermutlich ertappt fühlen.
Bei meinen Beratungsprojekten geht es eigentlich immer darum, mehr Umsatz zu erzielen als vorher – und zwar am besten deutlich mehr. Und um das zu erreichen, kommt man so gut wie nie daran vorbei, eine Vertriebseffizienz-Analyse durchzuführen.
Ich habe mir für diesen Beitrag die Ergebnisse der letzten von mir beratenen Unternehmen herausgesucht und daraus die Durchschnittswerte gebildet. Die Ergebnisse sind zwar nicht so extrem, wie in der eingangs erwähnten Studie, aber durchaus beeindruckend im negativen Sinne.
Die vertriebsunproduktiven Tätigkeiten lagen ursprünglich im Durchschnitt bei 37,5%, die vertriebliche Basisarbeit nahm 42% ein und für die qualifizierte Vertriebsarbeit blieben demnach noch durchschnittlich 20,5% übrig.
In diesem Zusammenhang habe ich dann auch mal wieder meine eigene Arbeit „kritisch“ hinterfragt und musste mir eingestehen, dass auch ich viel zu viel Zeit mit scheinbar wichtigen Zeitfressern und der einen oder anderen „Alibitätigkeit“ verplempere.
Nun stellt sich natürlich sowohl bei meinen Beratungskunden als auch bei mir selbst die Frage, wie schaffe ich es, die qualitative Vertriebsarbeit und die vertriebliche Basisarbeit zu erhöhen und gleichzeitig die vertriebsunproduktiven Tätigkeiten deutlich zu reduzieren? Ich gehe dabei pragmatisch und logisch vor:
Wie reduziert man die vertriebsunproduktiven Tätigkeiten?
1 Identifizieren der erfolgskritischen Tätigkeiten
Als erstes kläre ich, welches denn die erfolgskritischen Tätigkeiten sind, also die Tätigkeiten, die den größten Hebel für eine Steigerung der Vertriebsproduktivität haben. Das ist immer individuell, sodass es hier schwierig ist, klare Empfehlungen zu geben. Die oben aufgeführten qualitativen Vertriebsaufgaben sind aber schon mal eine gute Basis für die eigenen Überlegungen.
2 Arbeiten in Blockzeiten
Der zweite Schritt ist die Arbeit in festen Blöcken. Das heißt, es gilt, diese Tätigkeiten als feste Zeitblöcke in den Kalender einzutragen und in dieser Zeit auch verpflichtend nur diese Aufgaben zu bearbeiten. Mir ist bewusst, und hier gibt es auch immer die größten Diskussionen, dass das im Tagesgeschäft nicht immer leicht ist und auch nicht immer funktionieren wird. Aber schon die grobe Einhaltung des Planes bringt enorme Produktivitätssprünge.
3 EDA-Filter: eliminieren – delegieren – automatisieren
Natürlich muss man freie Zeit im Kalender schaffen, sodass man um eine kritische Prüfung der bisherigen Arbeit nicht herumkommt. Es gilt zu prüfen, ob die Tätigkeit überhaupt gemacht werden muss. Wenn nicht, dann konsequent eliminieren!
Man sollte sich fragen, ob die Tätigkeit von mir selbst gemacht werden muss. Wenn nicht, dann an Mitarbeiter oder externe Dienstleister delegieren!
Und abschließend sollte man prüfen, ob es möglich ist, einfache und wiederkehrende Aufgaben zu automatisieren. Wenn ja, dann sofort umsetzen!
4 Nutzung von Tools und Hilfsmitteln
Natürlich sind die drei erwähnten Punkte Bestandteile eines, mal mehr und mal weniger umfangreichen Projekts zur Prozessoptimierung. Ich orientiere mich bei meiner Arbeit an der Kanban-Methodik und nutze demzufolge einfache aber hilfreiche Tools zur Unterstützung.
Empfehlen kann ich „Trello“, ein agiles Zeitmanagement-Tool, mit dem man Prozesse visualisieren und gleichzeitig die zu erledigenden Aufgaben sinnvoll abarbeiten kann. Gerne können sie aber auch selbst recherchieren und zielgerichtet suchen.
Bedenken sie aber bitte, „A fool with a tool is still a fool”. Auf den Punkt gebracht möchte ich damit ausdrücken, dass jedes Hilfsmittel natürlich nur so gut und wertvoll ist, wie derjenige, der damit arbeitet. Der Erfolg aller Maßnahmen hängt selbstredend ganz maßgeblich von der Umsetzung und dem Durchhaltevermögen der handelnden Personen ab.
Vertriebseffizienz gestiegen
Sicherlich wollen sie jetzt aber auch noch wissen, wie die Ergebnisse der Vertriebseffizienz-Analyse nach meiner Beratung waren. Dazu muss ich fairerweise erwähnen, dass ich nicht bei allen Unternehmen die Gegenprobe gemacht habe, sodass das Ergebnis ein wenig verfälscht ist. Trotzdem zeigen die Durchschnittswerte aber, dass sich auch oder gerade im Vertrieb die Prozessoptimierung lohnt.
Bei den vorliegenden Wiederholungs-Analysen zum Ende der Beratung lag die durchschnittliche vertriebsunproduktive Zeit bei 24% und die Zeit für vertriebliche Basisarbeit bei fast unveränderten 41%. Die qualitative Vertriebszeit, die für den Vertriebs- und Unternehmenserfolg am wichtigsten ist, hat sich auf durchschnittlich 35% erhöht. In reinen Zahlen bedeutet das, dass bei einer angenommenen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden in der Vergangenheit nur etwas über 8 und nach meiner Intervention immerhin 14 Stunden für qualitative Vertriebsarbeit verwendet werden.
Das ist zwar immer noch weit weg von dem von mir empfohlenen Wert von 60% (24 Stunden), aber schon deutlich besser als vorher. Eine weitere und nachhaltige Verbesserung ist dann tatsächlich nur über kontinuierliche, begleitende Maßnahmen über einen längeren Zeitraum möglich.Aber immerhin. Auch bei den meist nur über wenige Monate laufenden Beratungsprojekten, die ich für diese Auswertung herangezogen habe, konnte die qualitative Vertriebsarbeit um 6 Stunden erhöht werden. 6 Stunden pro Woche, die für die Neukundenakquise oder die Erhöhung der Umsätze bei den Bestandskunden aufgewendet und nicht mit vertriebsunproduktiven Tätigkeiten verschwendet wurden.
Für mehr Umsatz, höhere Erträge und bessere Deckungsbeiträge braucht es beides. Zeit und sinnvolle Prozesse für qualitative Vertriebsarbeit sowie die entsprechende Methodenkompetenz im B2B-Verkauf.
Kommentar hinzufügen