Kaufverhalten: Was passiert, wenn Kunden Produkte nicht berühren dürfen?

Viele Unternehmen ermutigen die eigenen Kunden dazu, die eigenen Produkte zu sehen und zu berühren. Welchen Einfluss hat es jedoch auf das Kaufverhalten, wenn man Kunden verbietet, Produkte zu berühren? Christine Ringler fand gemeinsam mit weiteren US-amerikanischen Wissenschaftlern heraus, dass auch dieses Vorgehen effektiv sein kann.

„Nur gucken, nicht anfassen!“ Wie verändert sich das Kaufverhalten der Kunden?
„Nur gucken, nicht anfassen!“ Wie verändert sich das Kaufverhalten der Kunden, wenn sie ein Produkt nicht berühren dürfen?© eric/stock.adobe.com

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„Nur gucken, nicht anfassen!“ Wie verändert sich das Kaufverhalten der Kunden?

In der im „Journal of Retailing“ veröffentlichen Studie kamen die Forscher zu dem Ergebnis, dass Kunden sich eingeschränkt fühlen, wenn bestimmte Produkte nicht berührt werden dürfen. Allerdings hat dies positive Auswirkungen auf die Kaufwahrscheinlichkeit anderer Produkte, mit denen interagiert werden darf.

Der Handel inszeniert den Kundenwunsch nach Berührung der Produkte

Immer mehr Produkte werden online gekauft. Aber obwohl der Online-Handel bereits einen großen Anteil aller Transaktionen – insbesondere im Konsumentengeschäft – ausmacht, spielt der stationäre Handel weiterhin eine große Rolle. Kunden haben das Bedürfnis, Produkte zu sehen, zu berühren und auszuprobieren, bevor sie sie kaufen. Daher ist es für Unternehmen wichtig, in diesem Bereich kontinuierlich Optimierungen vorzunehmen, um das Kaufverhalten positiv zu beeinflussen, Verkaufszahlen zu maximieren und konkurrenzfähig zu bleiben.

Geschäfte berücksichtigen hierfür jedes Detail, um einen Kauf wahrscheinlicher zu machen. So sind Lichtverhältnisse, Geräusche und Produktplatzierungen im Handel gut durchdacht. Daneben haben die Vertriebsmitarbeiter in den Geschäften häufig Anweisungen, wie sie Kunden ansprechen sollen.

Außerdem werden Kunden häufig dazu angeregt, mit Produkten zu interagieren. So werden beispielsweise Laptop-Bildschirme so geneigt, dass der Kunde den Neigungswinkel korrigieren muss, um den Laptop ausprobieren zu können. Die Effektivität der Kundeninteraktion mit Produkten wurde in der Forschung ausführlich untersucht. Wenn Kunden Produkte berühren, wird eine Bindung aufgebaut und das Produkt wird unterbewusst als Eigentum gesehen, das Kaufverhalten positiv beeinflusst.

Kann es sinnvoll sein, Kunden die direkte Interaktion mit Produkten zu untersagen?

Ein US-amerikanisches Forscherteam um Christine Ringler ging dieser Frage nach. Hierfür wurde eine Reihe von Studien durchgeführt. Den potenziellen Kunden der ersten Gruppe wurde gesagt, dass das Produkt nicht berührt werden durfte. Einer anderen Kundengruppe wurde der Zugang zum Produkt durch einen Schaukasten verwehrt und eine Kontrollgruppe durfte das Produkt berühren.

Darf man das eine Produkt nicht berühren, berührt man andere intensiver

Die Forscher kamen zu dem Ergebnis, dass Kunden, die durch einen Mitarbeiter abgehalten wurden, das Produkt zu berühren, die stärkste Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit empfanden. Um den Verlust dieser Freiheit auszugleichen, berührten die Kunden andere Produkte deutlich häufiger und intensiver. Dadurch stieg auf das gesamte Sortiment bezogen die Interaktion mit Produkten und damit gleichzeitig auch die Kaufwahrscheinlichkeit.

Doch führt eine solche Einschränkung zu negativen Gefühlen seitens der Kunden?

Auch dieser Frage ging das Forscherteam nach. Sie fanden heraus, dass es vorkommen kann, dass Kunden negative Emotionen gegenüber dem Mitarbeiter empfinden, der das Verbot ausspricht. Es kam jedoch zu keiner wirklichen Unzufriedenheit gegenüber dem Mitarbeiter und dem Unternehmen. Vielmehr ist die Einschränkung kein schlechtes Gefühl in Bezug auf das Kaufverhalten, sondern ein zeitlich begrenztes Stadium, dem der Kunde entfliehen möchte.

Darauf sollten Unternehmen achten, die Zugangseinschränkungen in ihren Geschäften nutzen wollen

1. Es sollten viele Produkte angeboten werden

Grundsätzlich kann es für jeden Händler sinnvoll sein, Kunden davon abzuhalten mit den eigenen Produkten zu interagieren. Besonders effektiv ist dieses Instrument jedoch bei Geschäften, die ein breites Sortiment anbieten. Die Käufer können den empfundenen Freiheitsverlust so durch mehr andere Produkte kompensieren.

2. Die richtigen Produkte wählen und platzieren

Die Wissenschaftler fanden im Rahmen ihrer Studien heraus, dass der Effekt auch auftritt, wenn die Berührung von Produkten, die ohnehin von eher wenigen Kunden gekauft werden würde, untersagt wird.

Unternehmen könnten Vertriebsmitarbeiter daher anweisen, dass insbesondere unbeliebte Produkte nicht berührt werden dürfen, damit die Kunden mit Produkten interagieren, die begehrt sind und eine höhere Kaufwahrscheinlichkeit aufweisen.

Wichtig ist zudem die Platzierung des Produkts. Direkt im Anschluss an das Produkt, das nicht berührt werden darf, sollten Geschäftsbereiche folgen, in denen Kunden frei mit jeglichen Produkten interagieren können.

3. Sich über mögliche negative Auswirkungen beim Kaufverhalten im Klaren sein

Obwohl in den Studien allgemein positive Ergebnisse gezeigt wurden, sollten Vertriebsleiter wissen, dass die Praktik auch negative Auswirkungen auf das Kaufverhalten zur Folge haben könnte. Es wird durchaus vorkommen, dass ein kleiner Anteil von Kunden das Geschäft vorzeitig verlässt, wenn ihnen untersagt wird, bestimmte Produkte zu berühren. Die Wissenschaftler fügen jedoch an, dass es sich hierbei nur um einen kleinen Anteil handelt.

Fazit der Experten

Unternehmen setzen alles daran, um Kunden dazu zu bewegen, die eigenen Produkte zu erwerben. Hierfür werden zahlreiche Details, von der Beleuchtung bis zur Bewegungsrichtung, akribisch beachtet. Eine weit verbreitete Methode ist es, Kunden dazu zu ermutigen mit den Produkten zu interagieren. Dass der Zugang zu Produkten hingegen eingeschränkt oder verwehrt wird, ist daher auf den ersten Blick eine ungewöhnliche Idee.

Christine Ringler und ein US-amerikanisches Forscherteam veröffentlichten nun eine Studie im „Journal of Retailing“, die genau diese Strategie und die Wirkung auf den Kunden untersucht. Das Verbot, bestimmte Produkte zu berühren, kann ein starkes Mittel sein, den Kunden dazu zu animieren mit anderen Produkten zu interagieren und diese zu kaufen.

Von Jan Helge Guba und Thomas Marquardt

Information: Der Artikel basiert in Teilen auf der 2019 im Journal of Retailing erschienenen Studie von Christine Ringler, Nancy J. Sirianni, Anders Gustafsson und Joann Peck mit dem Titel „Look but Don’t Touch! The Impact of Active Interpersonal Haptic Blocking on Compensatory Touch and Purchase Behavior“.

Dr. Jan Helge Guba

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