KI im Vertrieb – Wichtige Einsatzgebiete und ihre Grenzen

Künstliche Intelligenz macht immer noch Angst, doch der Nutzen überwiegt ganz klar – auch für den Vertrieb. Wie man mit KI im Vertrieb weg von Reports, Excel und hohem Verwaltungsaufwand hin zu intuitiven Lösungen für den Verkauf gelangt, erklärt Geschäftsführer & Co-Founder des Softwareentwicklers Hadoco, Armin Hagemeier, in seinem Vortrag auf dem Vertriebsmanagementkongress 2020.

KI im Vertrieb hilft dabei, im Kundendschungel richtig agieren zu können.
KI im Vertrieb hilft dabei, im Kundendschungel richtig agieren zu können.© Olivier le Moal/stock.adobe.com

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Datengetriebener Vertrieb ist heute ein sehr wichtiges Thema und sollte in jede Vertriebsabteilung Einzug finden. Das Ziel von Hadoco, einem auf die Analyse von Vertriebsdaten im B2B Verbrauchsgütermarkt spezialisierten Unternehmens ist es, Datadriven Selling, beziehungsweise die künstliche Intelligenz für den B2B Verbrauchsgütermarkt mit innovativen Lösungen zu unterstützen. Geschäftsführer Hagemeier: „Der Weg von diesem Thema zu KI im Vertrieb ist unglaublich klein und gleichzeitig extrem groß. Und immer noch gibt es dafür nur sehr wenige bis gar keine Lösungen.“

Vertriebler brauchen Orientierungshilfen, um im Kundendschungel erfolgreich agieren zu können. Zwar sind auch Reports eine Art Navigationshilfe, die bis zu einem gewissen Grad Unterstützung bietet, jedoch sieht Hagemeier darin folgendes Problem: „Unternehmen machen ABC Analysen und konzentrieren sich dabei hauptsächlich auf die A- Kunden, maximal noch auf ein paar B-Kunden aber die C-Kunden übersieht man bereits komplett.“

Predictive Maintenance am Kunden

KI bietet hier eine ganzheitliche Orientierungshilfe. Aus Kunden-Transaktionen lassen sich wertvolle Informationen sammeln. ERP, Warenwirtschaft und Infos aus dem CRM sind wertvolle Informationsquellen. Alle Transaktionen und jede Kommunikation kann ein Hinweis auf zukünftige „Fehlentwicklungen“ sein.

Welcher Kunde kauft welches Produkt, zu welchem Preis, in welcher Menge, zu welcher Zeit. Das sind die 5 wichtigsten Informationen, die man aus jeder Rechnung holen kann – und das von tausenden Kunden. Und wenn man weiß, welcher Kunde wann abgewandert ist, kann man einen Algorithmus erstellen, der darauf hinweist, wenn ein Kunde „ausfällt“.

Der Algorithmus lernt aus historischen Daten und prognostiziert bzw. projiziert die Informationen auf andere Kunden. Er erkennt gewisse Muster und beobachtet, ob sich ein Kunde auf bestimmte Weise verhält und ob die Gefahr besteht, dass der Kunde in naher Zukunft abwandern könnte. Das nennt sich Churn Analyse und ist vor allem in der Telekommunikation weit verbreitet.

Eine Alternative dazu ist die deskriptive Analyse: wenn ein Kunde nicht mehr kauft oder länger nicht mehr gekauft hat, fordert eine Ampel dazu auf, den Kunden zu kontaktieren.

Bei Unternehmen im B2B Verbrauchsgütermarkt findet man ein ähnliches Nutzungsverhalten wie bei Privatanwendern im Telekommunikationsmarkt. Es bilden sich Muster, es gibt regelmäßige Transaktionen, viele Produkte und viele Kunden.

KI hat den Vorteil, dass sie wiederholte Aufgaben extrem gut erledigen kann, unermüdlich analysiert und für jeden einzelnen Kunden eine Wahrscheinlichkeit berechnen kann. 100 % aller Kunden kann jedoch auch KI nicht richtig identifizieren. Sie ist nur ein grobes Werkzeug, das die Arbeit der Vertriebsmitarbeiter erleichtern soll.

„Ein Bagger ist nicht so präzise wie eine Schaufel aber effizienter. Ein Vertriebsmitarbeiter wird beim einzelnen Kunden wahrscheinlich immer besser sein als jede KI, der Unterschied: ein Vertriebsmitarbeiter kann nur einen Kunden analysieren, mit KI kann man im gleichen Zeitraum tausende Kunden überwachen. KI macht aber immer nur die grobe Arbeit, die Feinarbeit macht immer noch der Vertriebler.“

Was kann KI im Vertrieb?

  • sich wiederholende Aufgaben erledigen
  • permanent analysieren
  • Wahrscheinlichkeiten berechnen
  • Handlungsempfehlungen oder zumindest Hinweise geben
  • Datenpunkte in Wissen übersetzen
  • Arbeit erleichtern
  • überflüssige Handlungen reduzieren
  • Churnanalysen machen
  • N-B-O: Next best Offer
  • Forecasting: Vorhersagen machen
  • Dynamic Pricing unterstützen

Wie startet man am besten?

Data Science ist keine Raketenwissenschaft. Man sollte klein beginnen und erst einmal folgende 4 Aufgaben bewältigen:

  1. Ein Problem identifizieren
  2. Daten und Quellen identifizieren, die das Problem widerspiegeln
  3. Mögliche Zusammenhänge suchen
  4. Hypothesen überprüfen

Die Grenzen von KI

1. Das Hauptproblem sind schlechte Daten

Bei schlechter Datenqualität muss man diese erst bereinigen. Daher lieber wenige valide Daten als viele schlechte.

2. Mangelnde Kooperationsbereitschaft der Mitarbeiter

Viele Mitarbeiter haben Angst davor, dass ihnen KI den Job streitig machen könnte. Aus diesem Grund weigern sich manche, damit zu arbeiten. Da ist es die Aufgabe der Vertriebsleiter hier entgegenzuwirken. Denn die Sorge ist völlig unberechtigt – der Vertriebler ist und bleibt die letzte Instanz.

3. KI kann nur erkennen, was sie bereits kennt

KI arbeitet prinzipiell mit „Vor-Urteilen“. Sie kann im Endeffekt nur lernen, was sie schon mal gesehen hat bzw. kennt.

4. Neue Märkte sind schwierig, da keine Vergleichswerte vorhanden sind

Wenn ein Kunde sich extrem anormal verhält oder ein Markt sehr volatil ist, dann lassen sich Vorhersagen nur sehr schwer machen. Ihr Einsatz in neuen Märkten ist daher schwierig.

Für einen deutschen Schleifmittelhersteller konnte KI zum Beispiel die Absatzvorhersagen im europäischen Markt viel besser machen als jeder Vertriebler. In Lateinamerika hingegen handelt es sich um einen extrem schnell wachsenden Markt, daher brachte dieselbe Analyse fehlerhafte Ergebnisse. Eine solche Dynamik ließ sich von KI nicht abbilden, da es noch keine Vergleichswerte zu neuen Märkten gab. Optimalerweise kommt von KI aber zumindest eine Handlungsempfehlung oder ein Hinweis. KI soll letztlich niemals eine Entscheidung treffen. Der Vertriebler ist die letzte Instanz und trifft die Entscheidung – nicht die Maschine.

Die 5 Use Cases für maschinelles Lernen

  • Verbrauchsprognose (forecasting), Vorhersage von zukünftigen Absatzmengen in Abhängigkeit von mehreren Variablen
  • Abwanderungsanalyse (Churnanalyse), Identifikation von Kunden mit individuellem Abwanderungsrisiko in der Zukunft, die sich an mehreren Variablen orientiert
  • Cross-Selling (Next-best-offer), Identifikation von Produkten, die für ähnliche Kunden interessant sind. „Kunden, die dies kauften, kaufen auch…“. Amazon konnte damit den Umsatz um 12 % steigern.
  • Dynamic Pricing, Ermitteln von Orientierungspreisen für bestimmte Kundengruppen entsprechend der sich eher selten ändernden Rahmenbedingungen wie z.B. Branche, Absatzmenge und Region. Ergänzt um flexiblere Variablen wie z.B. Zeit, Rohstoffpreise, Verfügbarkeit, aktuelle Nachfrage und Aufrufe der Website.
  • Potenzialanalyse, Ermittlung von Absatzpotenzialen pro Kunde und in ganzen Regionen anhand homogener Kundengruppen und historischer Absatzzahlen. Die Potenzialanalyse ist bereits eine Art Hybrid zur deskriptiven Alternative.

Deskriptive Alternative nach Hagemeier

  • Gleitender oder kundenorientierter Mittelwert, Schätzung der Absatzmenge anhand der bekannten Absatzmengen mit Neigung zu deutlich verspäteten Reaktionen. Nicht jeder Kunde präferiert dasselbe Produkt, dennoch kann es ganze Kundengruppen geben, die zu einem Produkt tendieren.
  • Kaufabrissanalysen, deskriptives Ergebnis mit beschränkter Flexibilität und verzögerter Reaktion
  • Productbundle, händisches Gruppieren von Produkten nach logischen Zusammenhängen. Nach dem Konzept: „Wer Stifte kauft, braucht auch Papier“.
  • Kundengruppenorientierte Mittelwerte, ermitteln von Orientierungspreisen für bestimmte Kundengruppen entsprechend der sich selten ändernden Rahmenbedingungen wie z.B. Branche, Absatzmenge und Region
  • Ermitteln eines Standardkäuferprofils, der typische Kunde und sein Potenzial

Potenzialanalyse durch Vertriebsmitarbeiter oder Hadoco – der Unterschied

Um Potenzial zu ermitteln, würde sich ein Vertriebler zum Beispiel seine eigenen Kunden und Umsätze ansehen, vergleichbare Kunden suchen mit Infos aus dem Internet, Handelsregister, Bundesanzeiger oder Datenbanken wie Echobot, mit Kollegen darüber sprechen. Das ist sehr zeitaufwändig und komplex.

Hadoco optimiert die Stammdaten, indem diese per Datencrawler bei Google, beim Handelsregister und bei anderen Datenbanken abgeglichen werden. Dazu kommen die Transaktionsdaten, ähnliche Kunden werden ermittelt und deren Potential geprüft. Dazu Hagemeier: “Wir bereinigen die Daten, sagen automatisiert auf Postleitzahlenebene wieviel Umsatz in einer Region gemacht werden kann. Und wir geben noch eine Liste an potenziellen Interessenten, Minderleistern, Zielerfüllern und Übererfüllern raust, mit der man wieder aktiv in eine neue Aktion gehen kann. Wichtig dabei ist: es muss eine Handlungsempfehlung abgeleitet werden können.“

Fazit des Experten

KI ist letztlich eine Navigationsunterstützung für den einzelnen Vertriebler. Sie soll schnell arbeiten, den Vertrieb unterstützen, die Arbeit erleichtern, aber keine Arbeit komplett übernehmen.

Mein Tipp an Sie: Sie müssen nicht unbedingt künstliche Intelligenz nutzen aber verwenden sie Ihre Daten intelligent. Stellen sie einfach gute Daten für ihre Vertriebsmitarbeiter bereit, um damit vernünftig arbeiten zu können und ihnen wertvolle Zeit zu ersparen. Es ist extrem viel möglich, man muss sich einfach nur trauen, den ersten Schritt zu machen.

Zur Person

Armin Hagemeier ist Geschäftsführer & Co-Founder von Hadoco. Sein Ziel: weg von Reports, Excel und hohem Verwaltungsaufwand hin zu intuitiven Lösungen für den Vertrieb. Nach seinem BWL-Studium und einiger Zeit als Unternehmensberater bringt er jetzt künstliche Intelligenz in den Vertrieb. www:hadoco.de

Dr. Lydia Polwin-Plass

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