Der Vertrieb komplexer Dienstleistungen – ohne den Kunden zu überfordern

Wir alle haben schon einmal versucht, einen komplizierten Zusammenhang zu verstehen – und mussten dann aufgeben. Gut fühlt sich das nicht an. Genau das erlebt ein Kunde im Gespräch mit einem Berater, der ihm eine komplexe Dienstleistung erklärt. Der Kunde muss diese verstehen, damit er sich am Ende für die richtige Alternative entscheiden kann. Das ist aber oftmals schwierig und frustrierend.

Kunden
Der Vertrieb komplexer Dienstleistungen – ohne den Kunden zu überfordern© Fotolia_73247077_XS_copyright.jpg

View: 9.223 Kommentieren: 0

Komplexe, aber notwenige Dienstleistungen gibt es in vielen Bereichen: etwa bei Finanz-, Versicherungs- oder Rechtsdienstleistungen. Vielen Kunden fehlt das spezifische Wissen, um diese auf Anhieb zu verstehen. Die Konsequenzen sind weitreichend: Die Kunden werden während der Beratungsgespräche frustriert. Dadurch fühlen sie sich mental erschöpft und darüber hinaus meistens auch unfair behandelt. Schließlich ist es die Aufgabe des Beraters, das Angebot verständlich zu formulieren. Darunter leiden Kundenzufriedenheit, -loyalität und das Image des Anbieter-Unternehmens.

Was genau passiert, wenn ein potenzieller Kunde mit komplexen Dienstleistungen konfrontiert wird? In einer aktuellen wissenschaftlichen Studie zeigen Sven Mikolon, Anika Kolberg, Till Haumann, und Jan Wieseke, dass auch dieses Thema hochkomplex ist.

Denn die einfache Folgerung „je mehr Komplexität, desto mehr ist der Kunde erschöpft“ gilt nur eingeschränkt. Ab einem gewissen Komplexitätsgrad schaltet der Kunde einfach ab und gibt es auf, die Dienstleistung zu verstehen. Er denkt nicht mehr viel nach, spart mentale Energie und ist weniger frustriert. Also alles kein Problem? Der Kunde reguliert die Komplexitätsproblematik selbst? – Leider nicht.

Es gibt zwei weitere Probleme, die mit einem hohen Komplexitätslevel verbunden sind. Erstens bleiben Kunden auch wenn sie „abschalten“ zu einem gewissen Grad mental erschöpft. Eine Entscheidung müssen sie letztlich trotzdem treffen und sich dafür zwingend mit der Dienstleistung beschäftigen. Die Frustration bleibt also und führt direkt zum zweiten Problem: Die frustrierten Kunden empfehlen das Unternehmen nach dem Abschluss seltener weiter und/oder wechseln in Zukunft selbst den Anbieter, gehen also verloren.

Was sollte also getan werden, um die Kundenabwanderung zu vermeiden?

Es ist wichtig, in der Praxis unbedingt die Servicekomplexität zu verringern. Dazu kann man standardisierte Produkte anbieten, um dem Kunden die Entscheidung zu erleichtern. Dennoch kann Kunden, die ein großes Verständnis für die Dienstleistungen zeigen, immer noch eine individuelle Lösung angeboten werden. Für einige Dienstleistungen kann die Komplexität jedoch nicht verringert werden. Dann müssen andere Lösungen gefunden werden.

Die folgenden drei Empfehlungen können dabei helfen, dass Kunden die Dienstleistungen trotz hoher Komplexität verstehen:

1. Finden Sie heraus, ob Ihr Kunde überfordert ist

Sie sollten in der Lage sein, in einem Kundengespräch zu erkennen, ob sich der Kunde überfordert fühlt. Achten Sie auf Zeichen der Ermüdung und geistiger Erschöpfung wie zum Beispiel Gähnen, gesteigertes Blinzeln oder Herumzappeln. Versuchen Sie außerdem herauszufinden, ob der Kunde sich bereits mit der Dienstleistung auskennt oder nicht. So können Sie den Kunden einem bestimmten Typen zuordnen und Ihre Strategie im weiteren Gesprächsverlauf anpassen.

2. Passen Sie ihre Verkaufsstrategie dem Kunden an

Sollte einem Kunden wichtiges Wissen über den Bereich der Dienstleistung fehlen, wird er schnell überfordert sein. Sie sollten ihm helfen, die Dienstleistung leichter zu verstehen. Benutzen Sie eine einfache Sprache statt Fremdwörter, bildliche Sprache statt Fakten und Adjektive anstelle von Zahlen. Der richtige Weg ist nicht, mehr Informationen zu geben, sondern die vorhandenen anders zu verpacken. Auch Skizzen können hilfreich sein.

3. Halten Sie die richtigen Informationen bereit

Oftmals erhalten Kunden in Kundengesprächen weitere Informationen wie Flyer oder Broschüren über das Unternehmen und bestimmte Dienstleistungen. Wichtig ist, dass die Informationen auf den  jeweiligen Kunden zugeschnitten werden. Sie sollten in der Lage sein, wenigstens zwei unterschiedliche Broschüren auszuhändigen – eine Version in einer leicht verständlichen Sprache für Neukunden und eine weitere Version in Fachsprache mit Zahlenbeispielen und technischen Informationen für erfahrene Kunden. Denn was nutzen all die schönen Zahlen, wenn der Kunde damit nichts anfangen kann?

Von Jan Wieseke, Anika Kolberg und Luisa Kuschke

Weiterführende Info: Teile der Studie werden unter dem Titel “The Complex Role of Complexity: How Service Providers Can Mitigate Negative Effects of Perceived Service Complexity When Selling Professional Services” in der nächsten Ausgabe des Journal of Service Research erscheinen. Online ist die Publikation bereits seit Januar 2015 verfügbar.

Prof. Dr. Jan Wieseke

Kommentar hinzufügen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert