Unvergessliche Kundenerlebnisse: Zwischen KI und japanischer Teezeremonie

Michael Okada

Wie bleibt der Vertrieb in einer digitalisierten und zunehmend von KI dominierten Welt menschlich? Während alle nur an Innovation denken, könnte gerade die Tradition der Schlüssel zum erfolgreichen Verkaufsprozess sein. Ein Experte berichtet.

Was wäre, wenn der Schlüssel zu erfolgreichen Kundenbeziehungen in uralten Traditionen verborgen läge?
Was wäre, wenn der Schlüssel zu erfolgreichen Kundenbeziehungen in uralten Traditionen verborgen läge?© Budi/stock.adobe.com

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Während künstliche Intelligenz und Chatbots die Welt im Sturm erobert und den Vertrieb neu definiert, drängt sich eine Frage auf: Brauchen wir überhaupt noch menschliche Vertriebsmitarbeiter?

Eine Studie von McKinsey aus dem Jahr 2017 ergab, dass „drei von vier B2B-Kunden es vorziehen, nicht persönlich mit Vertriebsmitarbeitern zu interagieren“.

Vor diesem Hintergrund spricht der deutsch-japanische Software-Unternehmer, Vertriebsexperte und TEDx-Speaker, Michael Okada, über die Auswirkungen von KI auf den Vertriebsprozess und verrät seinen Schlüssel zu nachhaltigen Kundenbeziehungen und Unternehmenserfolg.

Mensch vs. Maschine: Das Problem des modernen Vertriebs

Die KI kennt bereits alle Bedürfnisse unserer Kunden, analysiert ihre Wünsche in Echtzeit und optimiert Angebote mit einer Präzision, die Menschen kaum erreichen können. Wie können wir in einer Welt voller Beliebigkeit und Austauschbarkeit noch hervorstechen? Wo liegt der Unterschied, der uns auszeichnet?

Das Geheimnis außergewöhnlicher Kundenbeziehungen liegt in den alten Traditionen der japanischen Teezeremonie verborgen.

Die japanische Teezeremonie wird von vier Prinzipien geleitet: Harmonie, Reinheit, Stille und Respekt. Diese Werte bilden das Alleinstellungsmerkmal, das in einer von Algorithmen dominierten Welt den entscheidenden Unterschied macht.

Was Vertrieb mit der japanischen Teezeremonie zu tun hat

Das Ziel einer japanischen Teezeremonie ist es, jede Begegnung zu einem einmaligen Ereignis zu machen – ein Erlebnis, das den Teilnehmenden das Gefühl gibt, wirklich wertgeschätzt zu werden.

Präsenz und Vertrauen stehen dabei im Mittelpunkt. Stellen Sie sich vor, jedes Meeting mit Ihren Kunden würde unvergesslich bleiben. Warum sollte sich Ihre Kunden je wieder mit weniger zufrieden geben?

Diese Art der Wertschätzung hinterlässt einen bleibenden Eindruck, der weit über das übliche Transaktionsmodell hinausgeht. Im Gegensatz zu den flüchtigen und oft oberflächlichen Verkaufsstrategien, die heute vorherrschen, fokussiert sich die japanische Teezeremonie auf den Aufbau von Beziehungen, die auf Loyalität und tiefem Vertrauen basieren.

Andererseits geht es aber auch nicht um unterwürfige Freundlichkeit oder übertriebene Empathie. Es geht um die sorgfältige Führung des Kunden durch eine genau geplante Abfolge von Schritten, die zusammen ein immersives Erlebnis kreieren, in welchem der Kunde die Hauptrolle spielt – und nicht der Verkaufsprozess.

Dies beginnt bereits beim Betreten des Geländes und setzt sich konsequent fort bis zur Verabschiedung. Jeder Moment ist darauf ausgerichtet, ein prägendes Erlebnis zu gewährleisten. Dabei wird nichts dem Zufall überlassen, um das perfekte Kundenerlebnis zu schaffen.

Der Kunst der Details im Vertriebsgespräch: Vom Sitzplatz bis zum Interieur

Der Teufel steckt im Detail – ganz besonders im Vertrieb. Es beginnt mit scheinbaren Kleinigkeiten wie der Sitzordnung. In der japanischen Teezeremonie ist der Sitzplatz weit mehr als eine Formalität und keine kulturelle Eigenheit. Vielmehr ist die Wahl des Sitzplatzes eine strategische Kunstform, ein Zeichen des Respekts, die in unseren westlichen Geschäftspraktiken allzu oft vernachlässigt wird.

Dieses Detail fordert uns heraus, unsere Interaktion mit Kunden zu überdenken. Im hektischen Treiben des westlichen Geschäftslebens wird die Kunst des Kundenerlebnisses häufig von der Priorität der Effizienz verdrängt. Es klingt banal, doch wenn wir die Sitzplatzphilosophie aus der Teezeremonie adaptieren, verändern wir die Art und Weise, wie wir Geschäfte machen. Und es sind nicht nur die Sitzplätze: die Inneneinrichtung, die Inhalte der Gespräche, jedes Element wird in der Teezeremonie sorgfältig geplant.

Nichts wird dem Zufall überlassen, denn das Ziel ist klar: ein Erlebnis zu schaffen, in dem sich der Gast nicht nur wohl fühlt, sondern das er auch genießt.

Von der Theorie in die Praxis: Unvergessliche Kundenerlebnisse

Aber wie erreichen wir das eigentlich? Wer einmal an einer japanischen Teezeremonie teilgenommen hat, wird das Erlebnis nie wieder vergessen. Wie steht es mit Ihren Kunden, können sie ein Treffen mit Ihnen niemals wieder vergessen? Wenn nicht, wie gelingt es uns, dass jede Kundenpräsentation so eindrücklich bleibt wie eine japanische Teezeremonie?

Die Kunst besteht darin, die vier Prinzipien anzunehmen und die Schritte zu beherrschen, die eine Teezeremonie so besonders machen:

1 Prinzip: Harmonie 和 (Wa)

In der Teezeremonie wird alles getan, um ein möglichst harmonisches Erlebnis zu gestalten, nichts darf dieser Harmonie abträglich sein. Deshalb wird von der Einrichtung bis zur Sitzordnung alles aufeinander abgestimmt, um ein harmonisches Erlebnis zu schaffen.

Dasselbe gilt für Kundenmeetings: Erinnern Sie sich an das Prinzip der Harmonie, wenn Sie über Prozessabläufe und Ordnung sprechen, aber Ihr Büro aussieht wie ein Schlachtfeld. Oder allgemeiner formuliert: Wenn Sie ein fantastisches Essen genießen, aber das Restaurant unordentlich und der Service schlecht ist.

Was beim Kunden in Erinnerung bleibt, ist dann womöglich nicht Ihr Vortrag oder das leckere Essen, sondern das Durcheinander im Hintergrund. Deshalb wird in der japanischen Teezeremonie nichts dem Zufall zu überlassen.

2 Prinzip: Reinheit 清 (Sei)

Es geht dabei um die Reinheit und Offenheit des Geistes. Gerade in der anfänglichen Vertriebsphase ist das entscheidend für das Verständnis der Kundenbedürfnisse. Das Problem ist, dass wir durch Erfahrungen mit vorherigen Kunden oft unbewusst Annahmen und Denkweisen im Kopf haben, die wir auf neue Kunden projizieren.

Wir fangen schon beim Erstkontakt an, unsere Standardlösungen und -produkte zu „verkaufen“, ohne uns im Vorfeld überhaupt die Mühe zu machen, die Kundenbedürfnisse wirklich zu verstehen, denn: Wir wissen doch schon ganz genau, was der Kunde will!

Doch selbst wenn zwei Kunden aus derselben Branche kommen, sind sie dennoch vollkommen verschieden und der Vertriebsprozess muss dementsprechend individuell auf jeden Kunden zugeschnitten werden. Wie können wir etwas erfolgreich verkaufen, wenn wir nicht verstehen, was der Kunde wirklich will? Und wie können wir etwas verstehen, wenn wir nicht offen sind?

Es geht bei dem Prinzip der „Reinheit“ darum, nicht mit Vorurteilen und Annahmen in das Kundengespräch zu gehen und sich vorher nicht bereits alle Lösungen und Antworten zurechtgelegt zu haben. Wir müssen wie ein unbeschriebenes Blatt sein, auf das jeder Kunde andere Ziele und Bedürfnisse schreibt.

3 Prinzip: Stille 寂(Jaku)

Die besten Vertriebler sind heutzutage keine großen Redner, sie sind großartige Zuhörer. Sie stellen Fragen. Sie hören zu. Etwas, das wir kaum noch kennen. Wir hören uns die Meinung und Wünsche der Kunden zwar an, haben aber meist bereits ein vorgefertigtes „Rezept”, das wir ihnen als Lösung liefern.

Fragen Sie sich deshalb vor Ihrem nächsten Kundentermin: Hören Sie zu, um einfach nur zu antworten oder hören Sie zu, um zu verstehen? Um zu helfen, die Lücken im Geschäftsprozess zu erkennen und um Lösungen zu schaffen?

4 Prinzip: Respekt 敬 (Kei)

In der japanischen Teezeremonie bleiben Rang und sozialer Status vor der Tür. Status – alle begegnen sich auf Augenhöhe. Sollte dasselbe nicht auch für das interne Vertriebsteam gelten? Vertrieb ist keine Einzelunternehmung. Es wird von der Vertriebsassistenz über die Vertriebsunterstützung bin hin zur Angebotserstellung gemeinsam eine Lösung für den Kunden erarbeitet.

Wenn es aber keinen Respekt für die Arbeit und den Beitrag jedes Mitglieds unabhängig der Position in der Hierarchie gibt, fehlt das, was ein Team zusammenhält. Ohne Respekt bleibt das Team ein Haufen Einzelgänger, die mehr Zeit damit verbringen, ihre persönlichen Vorteile zu suchen. Doch mit Respekt wird aus diesen Einzelgängern eine eingespielte Mannschaft, die zusammen durch dick und dünn geht.

Indem wir diese 4 Prinzipien, gleichzeitig und konstant, anwenden, schaffen wir Kundentreffen, die mehr sind als nur eine Übermittlung von Informationen. Sie werden zu einem Erlebnis, das Ihre Kunden – wie eine japanische Teezeremonie – nie wieder vergessen werden.

Fazit des Experten

Machen wir uns nichts vor: Kein Kunde wacht morgens mit dem dringenden Bedürfnis auf, heute einen Verkäufer anzurufen. Und wenn er es doch tun muss, warum behandeln wir ihn dann nicht zuerst als Menschen und dann als Kunden?

Die Prinzipien der japanischen Teezeremonie ermöglichen es uns, eine tiefe und dauerhafte Beziehung zu unseren Kunden aufzubauen, die auf Vertrauen, Zufriedenheit und gegenseitigem Respekt basiert. Führt das immer zum Verkaufserfolg? Natürlich nicht. Aber es ist der authentische, ehrliche Weg zu verkaufen und spiegelt die Art wider, wie wir selbst und auch unsere Kunden behandelt werden möchten. Wie viel Zeremoniell und Wertschätzung bieten Sie Ihren Kunden aktuell? Denken Sie darüber einmal nach.

Zur Person

Der deutsch-japanische TEDx-Speaker und Vertriebsexperte Michael Okada ist seit mehr als 30 Jahren im nationalen sowie internationalen Verkauf tätig. Seinen Erfolg führt er auf die Integration japanischer Traditionen, wie der Teezeremonie, in den modernen Verkaufsprozess zurück.

 

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