Neue Herausforderung für Vertriebsmanager: Hybride Teams führen

Beim Führen hybrider Teams kämpfen die Führungskräfte auf der operativen Ebene von Unternehmen oft mit vielen Schwierigkeiten. Diese unterschätzt das Top-Management häufig.

Beim Führen hybrider Teams kämpfen die Führungskräfte auf der operativen Ebene oft mit vielen Schwierigkeiten. Auch weil die Routine noch fehlt.
Viele Führungskräfte haben in der Corona-Zeit Erfahrungen mit dem Führen von hybriden Teams gesammelt. Es fehlt jedoch noch die Routine.© Alex from the Rock/stock.adobe.com

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Beim Führen hybrider Teams kämpfen die Führungskräfte auf der operativen Ebene von Unternehmen oft mit vielen Schwierigkeiten. Diese unterschätzt das Top-Management häufig.

Viele Vertriebsführungskräfte haben in der Corona-Zeit erste Erfahrungen mit dem Führen von Mitarbeitern und Teams auf Distanz gesammelt. Sie haben hierin jedoch noch wenig Routine entwickelt – insbesondere, wenn es um das Führen hybrider Teams geht.

Denn mit der Herausforderung, dass ein Teil ihrer Mitarbeiter weitgehend im Homeoffice und ein anderer primär im Betrieb arbeiten möchte, sind sie nicht selten erst konfrontiert, seit die Homeoffice-Pflicht nicht mehr besteht. Entsprechend verunsichert sind sie.

Die Wünsche der Mitarbeiter sind sehr verschieden

Eine zentrale Ursache hierfür ist: Bis zum Auslaufen der Homeoffice-Pflicht gab es Corona-bedingt eine gesetzliche Regelung, wann und in welchem Umfang Unternehmen ihren Beschäftigten die Arbeit im Homeoffice ermöglichen mussten.

Doch seit dem Wegfall dieser Regelung sind deren Führungskräfte nicht selten mit den unterschiedlichsten Wünschen ihrer Mitarbeiter, wo sie wann arbeiten möchten, konfrontiert. Während manche mit der Begründung „In den zurückliegenden Monaten ging es doch auch“ künftig nur noch im Homeoffice arbeiten möchten, wollen andere wieder Fulltime im Betrieb sein. Und während manche an zwei festen Wochentagen zuhause arbeiten möchten, wollen andere dies situativ entscheiden.

Auf all diese Wünsche und Erwartungen der Mitarbeiter aus Mitarbeiter- und Unternehmenssicht angemessen zu reagieren, ist für die Vertriebsleitung nicht leicht – auch weil es in den meisten Betrieben noch keine auf Erfahrung basierenden Richtlinien für das Arbeiten im Homeoffice gibt. Zudem haben Mitarbeiter aufgrund ihres Arbeitsvertrags oft gar keinen Anspruch auf mobiles Arbeiten. Also müssen die Führungskräfte dies mit ihren Mitarbeitern selbst aushandeln.

Dies ist in der Praxis in vielen Unternehmen nur bedingt möglich, denn heute werden ihre Kernleistungen meist in bereichsübergreifender Teamarbeit von Spezialisten unterschiedlicher Provenienz erbracht. Hieraus ergeben sich auch Notwendigkeiten für die Zusammenarbeit, die nicht selten eine Präsenz erfordern. Also gilt es, die Präsenzzeiten zu koordinieren. Der Vertrieb ist dagegen mobiles Arbeiten gewöhnt.

Auf Erfahrungen basierende Richtlinien fehlen

Doch die funktionsübergreifende Zusammenarbeit gestaltet sich im Betriebsalltag oft schwierig, weil die Mitarbeiterwünsche bezüglich ihrer Arbeitsgestaltung so verschieden sind. Nicht selten vernimmt man denn auch im Gespräch mit Führungskräften seit Auslaufen der Homeoffice-Pflicht Klagen wie:

Zuweilen komme ich mir wie der Pflegedienstleiter eines Krankenhauses vor, der geradezu darum betteln muss, dass seine Mitarbeiter kommen, damit der Betrieb läuft.

Dies gilt insbesondere dann, wenn ungeplant die Präsenz eines Mitarbeiters, der zur betreffenden Zeit eigentlich im Homeoffice arbeiten wollte bzw. sollte, im Betrieb erforderlich ist. Dann kämpfen Führungskräfte seit Corona plötzlich mit massiven Widerständen, weil dieses Ansinnen mit den Plänen des Mitarbeiters kollidiert – zum Beispiel, weil er oder sie zuhause auch Kinder betreuen muss. Oder am Vormittag noch einen Arzttermin hat, oder am Nachmittag zu einem Geburtstag eingeladen ist. Vor Corona undenkbar.

Entsprechend wichtig sind beim hybriden Arbeiten Rahmenrichtlinien, zum Beispiel in Form einer Betriebsvereinbarung, die nicht nur regeln unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang ein Arbeiten im Homeoffice möglich ist, sondern auch wie in solchen „Konfliktsituationen“ zu verfahren ist.

Diese Richtlinien sollten zwar einen möglichst großen Spielraum zur individuellen Ausgestaltung bieten, jedoch zugleich einen Rahmen vorgeben, inwieweit zum Beispiel in der Einarbeitungszeit ein Arbeiten im Homeoffice möglich ist – ähnlich wie dies seit Jahren in den meisten Betrieben zum Beispiel bei den Arbeitszeiten der Fall ist.

Denn existiert ein solcher definierter Rahmen nicht, lässt das Unternehmen seine Führungskräfte speziell auf der operativen Ebene sprichwörtlich im Regen stehen. Zudem erhöht sich das Konfliktpotenzial in der Beziehung Führungskraft- Mitarbeiter.

Denn angenommen eine Führungskraft sagt zu den Wünschen eines Mitarbeiters aufgrund einer betrieblichen Notwendigkeit „nein“. Dann kann dieser Interessenkonflikt nicht immer einvernehmlich gelöst werden, und das „Nein“ der Führungskraft wird von dem Mitarbeiter, wie die Praxis zeigt, nicht selten als Ausdruck eines autoritären Verhaltens interpretiert bzw. als Beleg dafür, dass die Beziehung zwischen ihm und der Vertriebsleitung nicht stimmt. Zuweilen wird sogar ein Mobbing-Vorwurf laut.

Dass ein solcher Orientierungsrahmen oft noch nicht existiert, liegt daran, dass das Thema „hybrid arbeiten“ für die meisten Unternehmen noch recht neu ist. Dies ist jedoch auch ein Indiz dafür, dass viele obere Führungskräfte unterschätzen, wieviel Konfliktpotenzial das Arbeiten in hybriden Teams birgt und welche Risiken damit verbunden sind.

Die zentrale Ursache hierfür ist: Für die meisten Top-Manager von Großunternehmen mit mehreren Standorten – eventuell gar in verschiedenen Ländern – ist das Arbeiten in hybriden bzw. virtuellen Teams geübte Praxis. Ihre Treffen bzw. Meetings mit Kollegen im In- und Ausland fanden auch schon vor Corona weitgehend virtuell statt und dabei sammelten sie die Erfahrung: Diese Form der Zusammenarbeit funktioniert.

Also gehen viele Top-Manager unbewusst davon aus: Dies funktioniert auch problemlos auf den uns nachgeordneten Ebenen. Dabei sind dort die Arbeitsinhalte und Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit ganz andere.

Top-Führungsteams sind keine Arbeitsteams

Wenn sich das Top-Führungsteam eines Unternehmens virtuell trifft und dabei ein Mitglied in München, ein anderes in Hamburg und ein weiteres in London, New York oder Shanghai sitzt, dann geht es in der Regel primär darum, sich im Kollegenkreis über die strategische Marschrichtung abzustimmen und gewisse Grundsatzentscheidungen zu treffen.

Deren Umsetzung, die eine engere Zusammenarbeit im Alltag erfordert, findet aber auf den nachgeordneten Ebenen bzw. an den einzelnen Standorten statt. Das Top-Team nimmt in der Organisation also primär eine Steuerungs- und Koordinierungsfunktion wahr, es ist aber nicht in den eigentlichen Leistungserbringungsprozess involviert.

Deshalb ist auf der Top-Ebene vieles möglich, was auf der operativen Ebene nicht möglich ist. Hinzu kommt: Auf die Top-Ebene von Unternehmen gelangen nur Personen, die ihre Excellence in der Vergangenheit schon oft bewiesen haben. Das heißt, sie verfügen über die nötige Fachkompetenz für ihre Position und die erforderliche persönliche Reife, sich selbst zu steuern und ihre Arbeit effektiv zu organisieren. Das ist auf den nachgeordneten Ebenen oft nicht der Fall.

Der Reifegrad der Mitarbeiter divergiert

Auf der Bereichs-, Abteilungs- und Teamebene hat eine Führungskraft stets auch Mitarbeiter, die wenn nicht eingearbeitet, so doch an das Wahrnehmen gewisser komplexer Aufgaben erst noch herangeführt werden müssen, also einer individuellen Förderung bedürfen. Das ist, wenn die Mitarbeiter weitgehend im Homeoffice arbeiten, oft nur erschwert möglich.

Zudem gibt es, außer den Mitarbeitern, die sich selbst führen und organisieren können, auch solche, denen man ab und zu über die Schulter schauen muss bzw. die das Eingebunden-sein in ein Team für ihre Motivation brauchen. Das heißt nicht, dass sie schlechte Mitarbeiter sind, doch wenn sie im Homeoffice weitgehend allein gelassen werden, können sie sich schnell zu solchen entwickeln.

Erfahrene Vertriebsführungskräfte wissen das. Deshalb haben sie ihre Mitarbeiter auch in der Vergangenheit schon abhängig von ihrer fachlichen und persönlichen Reife unterschiedlich geführt. Wenn die Mitarbeiter aber einen großen Teil ihrer Arbeitszeit im Homeoffice verbringen, fällt ihnen dies schwer.

Zudem erhöht sich das Konfliktpotenzial. Das fängt bei der Frage an, wem man als Führungskraft in welchem Umfang ein Arbeiten zuhause gestattet. Angenommen, eine Führungskraft sagt zu einem Mitarbeiter, der weitgehend zuhause arbeiten möchte: „Ihr Kollege darf zwar drei Tage in der Woche im Homeoffice arbeiten, aber Sie sollten maximal einen Tag dort arbeiten, weil Sie sich schlechter selbst führen und motivieren können.“ Dann kommt die Führungskraft schnell in Teufels Küche – egal wie sie diese Aussage sprachlich verpackt.

Oder angenommen eine Führungskraft sagt zu einem Mitarbeiter „Bei Ihnen würde ich es begrüßen, wenn Sie weitgehend im Büro arbeiten würden, weil Sie häufig Flüchtigkeitsfehler machen und wichtige Details vergessen.“ Dann hat die Führungskraft schnell einen Dauerkonflikt – egal, mit wie vielen Beispielen aus dem Arbeitsalltag sie ihre Entscheidung begründet.

Es existiert noch keine Kultur des hybriden Arbeitens

Doch nicht nur deshalb stellt das Führen hybrider Teams im Betriebsalltag oft eine große Herausforderung dar. Wenn ein großer Teil ihrer Mitarbeiter weitgehend im Homeoffice arbeitet, müssen die Führungskräfte auch ihr Führungs- und Kommunikationsverhalten überdenken und neu justieren.

Sie müssen viele Führungsroutinen, die sie im Lauf der Jahre zum Beispiel beim Delegieren von Aufgaben oder Feedback geben entwickelt haben, über Bord werfen und neue entwickeln. Das erfordert seine Zeit – auch, weil in den meisten Betrieben noch keine Kultur des hybriden Arbeitens existiert. Diese muss sich erst noch entwickeln.

Dies ist nur möglich, wenn die Unternehmen in der Übergangsphase in das „Neue Normal“ den Führungskräften die nötige Unterstützung gewähren, weil sie hierfür zum Teil auch ein neues Selbstverständnis und neue Skills entwickeln müssen. Zudem müssen die Unternehmen beim Versuch, eine Kultur der hybriden Zusammenarbeit in ihrer Organisation zu verankern, die möglichen Folgewirkungen ihrer Entscheidungen bedenken.

Hierfür ein Beispiel.

Bereits heute artikulieren Führungskräfte nicht selten, dass sie den Eindruck haben, seit ihre Mitarbeiter vermehrt im Homeoffice arbeiten, würde der Teamspirit sinken und die Wechselbereitschaft der Mitarbeiter steigen.

Wenn nun die Mitarbeiter zu 50 Prozent zuhause arbeiten, stellt sich die logische Folgefrage: Braucht dann noch jeder Mitarbeiter seinen eigenen Schreibtisch im Betrieb oder können wir unsere Büroflächen um die Hälfte reduzieren? Rein rational betrachtet lautet die Antwort darauf gewiss „ja“.

Doch eng damit verbunden ist die Frage: Wie wirkt es sich auf die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen aus, wenn sie keinen eigenen Platz im Betrieb mehr haben? Sinkt dann bei vielen außer der Lust ins Büro zu kommen auch die Identifikation mit dem Unternehmen noch weiter? Vermutlich ja, denn nicht alle Mitarbeiter wollen „digitale Nomaden“ sein. Viele wollen ihren angestammten, eigenen Platz im Unternehmen haben.

Fazit: Studie soll Antworten auf offene Fragen liefern

Eine allgemeingültige Antwort auf die Frage, wie mit diesem Befund umzugehen ist, gibt noch nicht; unter anderem, weil außer den Mitarbeitern auch die Geschäftsmodelle der Unternehmen und somit auch ihre Bedürfnisse sehr verschieden sind. Deshalb müssen die Lösungen vermutlich individuelle sein.

Diese gilt es im Try-and-error-Verfahren zu entwickeln – und zwar im Laufe der Zeit zunehmend anhand erfahrungsgestützter Daten und weniger aufgrund individueller Meinungen. Deshalb hat das IFIDZ in seiner aktuellen Führungskräftebefragung für die Studie „Führung und Leadership im digitalen Zeitalter“ einen Schwerpunkt auf das Thema „Führen auf Distanz“ bzw. „Führen hybrider Teams“ gelegt. Die Teilnahme an der anonymen Befragung dauert circa 15 Minuten.

 

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Barbara Liebermeister

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