Onboarding im Vertrieb neu gedacht: So machen Sie Ihre Verkäufer schneller produktiv

Bis neue Mitarbeitende im Vertrieb und Service ihre volle Produktivität erlangen, vergehen in der Regel 12 bis 18 Monate. Die Kosten dafür steigen schnell in sechsstellige Höhen. Ein neuer Ansatz, der Wissen in einem moderierten Prozess vermittelt, kann die Einarbeitungszeit signifikant reduzieren und zugleich positive psychologische Effekte generieren.

Wie werden neue Mitarbeitende schneller produktiv und glücklich? Nehmen Sie die Neuen mit auf eine moderierte Onboarding Journey.
Wie werden neue Mitarbeitende schneller produktiv und glücklich? Nehmen Sie die Neuen mit auf eine moderierte Onboarding Journey.© fizkes/stock.adobe.com

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Anne-Rose Raisch, Geschäftsführerin des RAISCH-Instituts für Personal- und Organisationsentwicklung, erklärt, wie eine solche Onboarding Journey funktioniert: „Die Situation ist ebenso bekannt wie prekär: Die vielzitierten Babyboomer bereiten sich auf ihren Ruhestand vor. Damit fallen in den kommenden zehn bis zwölf Jahren rund 30 Prozent aller Erwerbstätigen in Deutschland als Arbeitskräfte aus. Vor allem für mittelständische Unternehmen kann sich diese Entwicklung zu einem massiven Problem auswachsen, zumal viele der jetzt 50- bis 65-Jährigen zu ihren Leistungsträgern zählen“.

Klar, dass angesichts der heute schon angespannten Lage auf dem Arbeitsmarkt und des sich abzeichnenden Umbruchs qualifizierte Mitarbeiter gefragter sind denn je. Umso mehr sehen sich die Unternehmen vor der Aufgabe, ihre neuen Verkaufs- und Servicemitarbeitenden so effektiv und effizient wie nur möglich an Bord zu holen. Und dafür zu sorgen, dass sie frühzeitig ihre volle Produktivität entfalten.

Das ist heute umso schwieriger, als häufige Arbeit im Homeoffice dazu führt, dass die Neuen geringere Chancen haben, einfach mal eine Kollegin oder einen Kollegen anzusprechen, um eine Frage „auf dem kurzen Dienstweg“ zu klären.

Damit ein Onboarding optimal gelingt, sollte die Wissensvermittlung nicht länger als eine Aneinanderreihung punktueller Ereignisse wie Workshops oder Seminare begriffen werden. Wesentlich zielführender ist es, die Probanden auf eine Reise mitzunehmen, auf der sie sich weitgehend eigenverantwortlich das Wissen aneignen, das sie für ihren neuen Job fit macht.

Moderierter Lernprozess

Dass die Transformation von Seminarwissen in praktisches Verhalten eher selten gelingt, ist sattsam bekannt. Folgt man den Ergebnissen einschlägiger Studien, setzen weniger als ein Fünftel aller Workshop-Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihr dort erworbenes Wissen dauerhaft in die Praxis um. Die Mehrheit fällt relativ rasch wieder in alte Routinen zurück. Ganz abgesehen von jenen, die schlicht nichts umsetzen.

Ein in Stufen gegliederter, professionell aufgebauter und moderierter Lernprozess – mit Medienwechseln und regelmäßigen Feedback-Schleifen – kann die Einarbeitungszeit um ein Drittel oder mehr verkürzen.

Einige US-amerikanische Unternehmen, allen voran Google, setzen diese Erkenntnis schon seit Jahren für das Onboarding neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Erfolg um. Wie ein solcher Onboarding-Prozess aussehen kann, soll im Folgenden am Beispiel einer Lernreise für Mitarbeitende in Vertrieb oder Service gezeigt werden. Der Einfachheit halber wählen wir die maskuline Form, selbstverständlich sind damit auch Mitarbeiterinnen gemeint.

In 6 Stufen zur persönlichen Onboarding Journey im Vertrieb

Erster Arbeitstag: Der neue Vertriebs- oder Service-Mitarbeiter bekommt eine kurze Einführung, lernt seinen Paten kennen und bekommt den persönlichen Zugang zu seiner Online-Plattform. Sie ist in den kommenden Wochen und Monaten die Basis für seine ganz persönliche Onboarding Journey.

1. Stufe: Einführung ins Unternehmen

Wie alle folgenden Stufen ist auch Stufe 1 modular aufgebaut. Jedes Modul endet mit einigen unterhaltsamen, quizähnlichen Aufgaben, die auf das erworbene Wissen zurückgreifen. Mit dem Erreichen einer bestimmten Punktzahl gilt die jeweilige Aufgabe als erledigt. Dies wird übersichtlich auf der Plattform angezeigt: Aufgabe abgeschlossen = grün, in Arbeit = gelb, noch nicht gestartet = grau.

  1. Das erste Modul, „Herzlich willkommen zu Ihrer Onboarding Journey“, bietet eine kurze Einführung in die Lernreise.
  2. Das zweite Modul macht den neuen Mitarbeiter mit den wichtigsten Eckdaten und der Historie seines neuen Arbeitgebers vertraut.
  3. Es folgt das dritte Modul, das die Unternehmenskultur und die Unternehmenswerte zum Inhalt hat.
  4. Im vierten Modul „Management und Leadership“ erfährt der Proband einiges zu den Führungskräften und zur Führungskultur.
  5. Modul fünf bringt dem neuen Mitarbeiter das Organigramm und seine Ansprechpartner nahe.
  6. Das sechste und letzte Modul dieser Lernstufe gilt dem Austausch mit der dafür zuständigen Führungskraft, dem Mentor. Dieser Austausch bietet dem Neuen die Gelegenheit, weitere Fragen zu stellen, seinen bisherigen Eindruck von der Onboarding Journey zu reflektieren oder eventuell Verbesserungsvorschläge zu machen. Damit ist der erste Meilenstein erreicht.

2. Stufe: Die Welt der Kunden

Der Proband erfährt, welchen Kunden sein neuer Arbeitgeber Produkte und Dienstleistungen anbietet. Er lernt das Kundenportfolio kennen – mit wichtigen Eckdaten wie Mitarbeiterzahl, Umsatz und sonstigen Details, erfährt Wichtiges über Key Accounts, Branchen und Industriezweige.

Außerdem widmet sich ein Modul den wichtigsten Wettbewerbern mit Stärken und Schwächen gegenüber dem eigenen Unternehmen und sonstigen wettbewerbsrelevanten Informationen.

3. Stufe: Das Produkt- und Dienstleistungsportfolio

Diese Stufe informiert über Produkte und Dienstleistungen inklusive technischer Grundlagen, Anwendungsgebiete und Besonderheiten.

4. Stufe: Der Service

Hier erfährt der Neue alles Wichtige zum Leistungsspektrum seines neuen Unternehmens im Service-Bereich – vom Service vor Ort über Reparaturen, Verbrauchsmaterialien, Ersatzteile, Applikationstrainings für Kunden bis gegebenenfalls hin zu Hotlines und Consulting-Angeboten.

5. Stufe: Das Marketing

Gegenstand dieser Lernstufe sind die Positionierung des Unternehmens im Markt und seine Marketing-Aktivitäten – online, offline, auf Messen, Events und in den Medien.

6. Stufe: Die Unternehmensprozesse

Abläufe und Prozesse werden hier im Detail erläutert – von IT-Systemen über interne Trainings bis hin zur Sales Administration und den Verkaufsprozessen.

Lernerfolg kommunizieren und festigen

Jede Lernstufe ist – siehe Stufe 1 – in mehrere Module unterteilt und endet mit einem Gespräch mit der Führungskraft. Zusätzlich lassen sich zwischen den Lernstufen Workshops und Trainings einbauen – abhängig von den Inhalten, dem Bedarf des Unternehmens und der Zielperson oder Zielgruppe der Onboarding Journey. Diese Workshops und Trainings dienen zum einen der Festigung bereits gelernter Inhalte, zum anderen bereiten sie die nächste Lernstufe vor.

Für jede Lernstufe ist ein Zeitfenster definiert, innerhalb dessen die Aufgaben zu bewältigen sind. Innerhalb dieses Zeitfensters legt der Proband eigenverantwortlich fest, wann er sich mit dem nächsten Thema beschäftigt. Dabei informiert ihn seine Plattform sehr übersichtlich über seine Lernfortschritte und Start- und Enddatum für die aktuelle Lernstufe. Sind alle Aufgaben und Module erledigt, gilt der jeweilige Meilenstein als erreicht.

Unterhaltsamer Mix

Der Erfolg der Onboarding Journey hängt nicht zuletzt davon ab, wie die Lerninhalte vermittelt werden. Es empfiehlt sich daher, mit einem unterhaltsamen Mix an Präsentationsformen die Spannung hochzuhalten und das Interesse immer wieder neu zu wecken. Im Blended Learning Format wechseln sich idealerweise gute erklärende Texte beispielsweise mit Bildern, Videoeinspielungen, Grafiken, kurzen PowerPoint Präsentationen, eLearning Modulen, Podcasts und sonstigen Darreichungsformen ab.

Auch die Aufgaben, die zu jedem Modul gehören, sollten nicht nur einen hohen Erkenntniswert haben, sondern einen ebensolchen Unterhaltungswert.

Die Inhalte der Journey richten sich an den Rahmenbedingungen des Unternehmens und dem Informationsbedarf der neuen Mitarbeiter aus. Sie werden je nach Situation auf einzelne Personen und/oder Funktionen im Unternehmen oder auf ganze Gruppen zugeschnitten. Und selbstverständlich ist das Unternehmen gefordert, selbst Inhalte beizusteuern – entweder fertig produziert oder als Idee.

Plattform als virtuelles Nachschlagewerk

Da der Schwerpunkt beim Onboarding auf Online-Trainings liegt, ist die Onboarding Journey zeit- und ortsunabhängig – und die Inhalte lassen sich bei Bedarf relativ schnell aktualisieren. Wichtig ist auch, dass die neuen Mitarbeiter ihre Lerninhalte jederzeit wieder einsehen können. Taucht beispielsweise in der täglichen Arbeit ein Thema auf, das in einem der Lernmodule behandelt wurde, dient die Onboarding Plattform als virtuelles Nachschlagewerk.

Der Aufbau der Plattform als eine Art Wissensdatenbank wirkt sich nicht zuletzt bei nachfolgenden Onboardings positiv aus. Hier finden die Neuen möglicherweise online Antworten auf Fragen, mit denen sich ihre Vorgänger bereits beschäftigt haben.

Für international tätige Unternehmen empfiehlt es sich, die Onboarding Plattform mehrsprachig anzubieten. Gegebenenfalls ist es sinnvoll, eigene Personalentwickler oder, so vorhanden, die unternehmenseigene Akademie mit der Plattform vertraut zu machen. So ist man beim Aufbereiten und Einstellen neuer Inhalte nicht zwingend auf externe Dienstleister angewiesen.

Natürlich sind Inhalte und Medien der Lernreise ganz nach Bedarf und Marktentwicklung austausch- und erweiterbar. So lassen sich begleitende Praxistrainings oder Transfer Coachings einbauen, die helfen, das Gelernte weiter zu vertiefen und zu verinnerlichen.

Training „on the job“

Von enormer Bedeutung für Verkäufer in der Einarbeitungsphase sind Besuche bei Kunden gemeinsam mit erfahrenen Kolleginnen oder Kollegen und begleitende Präsenztrainings. Bei einem solchen Training „on the job“ lernen sie Kosten-Nutzen-Argumentationen und Einwand-Behandlungen am konkreten Beispiel kennen. Ihr eigenes Können und das erfahrener Kollegen wird erlebbar und sie bekommen nützliche Praxistipps.

In die begleitenden Präsenztrainings empfiehlt es sich, auch erfahrene externe Trainer/Coaches einzubeziehen. Denn: Während interne Kollegen die Produkte ihres Unternehmens gut kennen und beispielsweise technische Produktinformationen hervorragend mit Verkaufsargumenten verknüpfen können, hat ein Trainer von außen auch die verkaufspsychologischen Aspekte im Blick – von der Begrüßung und den Small-Talk über Gesprächsführung, Körpersprache und Wording bis hin zum erfolgreichen Abschluss des Gesprächs.

Bekanntlich ist die Weiterentwicklung eigener Mitarbeiter deutlich wirtschaftlicher als die Suche auf dem Arbeitsmarkt oder gar das gezielte Abwerben bei der Konkurrenz. Auch für die Höherqualifizierung vorhandener Mitarbeiter lässt sich die Onboarding Plattform in modifizierter Form einsetzen. Beispielsweise um einen Vertriebler vom Junior bis hin zum Senior oder Key Account Manager weiterzuentwickeln.

Der psychologische Effekt

Ein durchaus wesentlicher Aspekt ist bislang unerwähnt: der psychologische Effekt. Ein neuer Vertriebsmitarbeiter, den sein Unternehmen auf eine solch hoch professionelle Onboarding-Reise schickt, lernt ganz nebenbei den transparenten Leistungsgedanken kennen, der dieser Reise zugrunde liegt. Und er schließt daraus automatisch auf die Professionalität des ganzen Unternehmens. Das motiviert dazu, möglichst rasch ein ähnlich hohes Professionalitäts-Niveau anzustreben.

Unsere Erfahrungen zeigt, dass diese Art der Wissensvermittlung signifikant bessere und nachhaltigere Ergebnisse bringt als punktuelle Lernevents. Damit spart eine moderierte Lernreise Ressourcen und Kosten.

Sie sorgt dafür, dass Vertriebs- und Servicemitarbeiter schneller ihre volle Produktivität erreichen. Und das wiederum stärkt die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens.

Führungskräfte aktiv einbinden

Ein entscheidender Erfolgsfaktor allerdings ist und bleibt die aktive Einbindung der Führungskräfte. Sie müssen den Lernenden als Coaching-Partner zur Seite stehen und sie unterstützen. Es empfehlen sich daher begleitende Coaching-Sessions für Führungskräfte und Paten.

Zum einen, damit sie wissen, womit sich ihre neuen Mitarbeitenden während ihrer Onboarding Journey beschäftigen. Zum anderen, damit sie auf der Höhe der Zeit bleiben und die Vorlieben und Bedürfnisse der nachwachsenden Generationen verstehen.

Denn nur dann sind sie in der Lage, ihre Neuen effektiv zu unterstützen, deren Lernerfolg nachzuhalten, ihre Lernreise zu optimieren und sie zu motivieren. Das alles zahlt am Ende auf die Qualität und Geschwindigkeit des Onboardings und damit auf die gesamte Unternehmensperformance ein.“

Fazit der Expertin

Lernen als Prozess

  • Nachhaltiges Lernen findet als Prozess statt.
  • Weniger als ein Fünftel aller Seminarteilnehmer setzen ihr dort erworbenes Wissen in der Praxis um.
  • Das Wechselspiel zwischen Mitteln und Methoden ist wesentlich für den Erfolg.
  • Kommunikation und Feedback sind essenziell.
  • Führungskräfte und Paten sind gefordert, die Lernenden aktiv zu begleiten.

Kosten und Nutzen

  • Neue Vertriebs- oder Service-Mitarbeiter brauchen 12 bis 18 Monate oder länger, um 100 Prozent Produktivität zu erreichen.
  • Eine professionelle, moderierte Onboarding Journey kann diese Zeit um 30 Prozent oder mehr verkürzen.
  • Damit ergibt sich ein Kosten-Nutzen-Effekt von gut einem Jahresgehalt.

Zum Unternehmen

Das RAISCH-Institut für Personal- und Organisationsentwicklung hat eine Onboarding Journey wie oben beschrieben entwickelt. Sie ist zugeschnitten auf mittelständische Unternehmen, die ihr Onboarding effektiver und effizienter machen wollen. Für Fragen steht Anne-Rose Raisch gerne zur Verfügung.

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Anne-Rose Raisch

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