Rache ist süß? Shitstorm verhindern bei Beschwerden im Vertrieb

Trotz intensiver Bemühungen kann es vorkommen, dass Unternehmen Kundenwünsche nicht in ausreichender Weise erfüllen. Ob selbstverschuldet oder nicht, kundenseitig entsteht oft Unzufriedenheit, die in Beschwerden im Vertrieb münden kann. Wenn nun deren Charakter umschwingt – von negativem Feedback hin zur klaren Absicht, dem Verursacher des Ärgers zu schaden – wird es gefährlich.

Beschwerden im Vertrieb
Bei Beschwerden im Vertrieb ist proaktiver Frustabbau gefordert © olly/stock.adobe.com

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Das schnelle Ergreifen der richtigen Maßnahmen ist dann essentiell, um den Schaden durch einen möglichen „Shitstorm“ so gering wie möglich zu halten – auch für den Vertrieb.

Dass es vier- bis sechsmal so teuer sein kann, neue Kunden zu werben, als Bestandskunden zu halten, ist weitläufig bekannt. Einen entsprechend großen Fokus legen viele Unternehmen daher zurecht auf das Management der Kundenbeziehungen. Der richtige Umgang mit Beschwerden im Vertrieb ist hierbei ein wichtiger Bestandteil.

Speziell in der heutigen Zeit – mit weltweiter Vernetzung durch Social Media, einflussreichen Online-Plattformen und drohenden Shitstorms – können sich vereinzelte schlechte Erfahrungen rasend schnell hochschaukeln und in schweren Verunglimpfungen münden. Massiver Imageschaden inklusive.

Untersuchung des Vergeltungsverhaltens bei Beschwerden im Vertrieb

Solche Verunglimpfungen hat nun ein Forscherteam aus Kanada intensiv beleuchtet. In den Untersuchungen befasste man sich nicht wie bereits häufig betrachtet mit Maßnahmen, diese zu verhindern.

Im Vordergrund stand vor allen Dingen die Frage nach der richtigen Reaktion, um negativen Entwicklungen in der Praxis effektiv begegnen zu können und diese auszubremsen.

  • Welche Motive haben die Kunden?
  • Welche Auswirkungen auf Empfinden und Verhalten kann man beobachten?
  • Fühlen sie sich im Anschluss besser? Oder schlechter?

Im Mittelpunkt der Studie stand sogenanntes „Vergeltungsverhalten“, also Situationen, die über einfache Beschwerden hinausgehen. Situationen, in denen Kunden ein Unternehmen für ein Fehlverhalten bestrafen, sozusagen „Rache nehmen“ wollen.

Dies kann einerseits direkt passieren – persönlicher Kontakt, z.B. Zurechtweisen eines Mitarbeiters, andererseits indirekt – öffentlich, z.B. Beschwerden auf einer Online-Plattform. Eine differenzierte Betrachtung beider Varianten ist zwingend erforderlich, damit im Bedarfsfall gezielt reagieren werden kann.

Direktes Vergeltungsverhalten

Durch eine unternehmensseitige Verfehlung entsteht in der Kundenwahrnehmung ein Ungleichgewicht. Die Hauptmotivation derjenigen, die sich in ihrem Ärger direkt und persönlich ans Unternehmen wenden, liegt in der Wiederherstellung dieses Ungleichgewichts.

Getreu dem Ausspruch „Rache ist süß“ fühlen sie sich besser, nachdem sie ihrem Ärger Luft gemacht haben. Etwaige „Rachegelüste“ nehmen kontinuierlich ab. Weitere negative Auswirkungen können durch volle bzw. Überkompensation verhindert werden.

Indirektes Vergeltungsverhalten

Im Gegensatz dazu zielen Kunden, die ihre Frustration indirekt über Social Media, Webseiten oder Mundpropaganda äußern, auf einen Einbezug der Öffentlichkeit ab.

Hier zeigt die Studie jedoch, dass sich die entsprechende Wirkung mit dem „Trinken von Salzwasser bei Durst“ vergleichen lässt. Durch die allgemeine Diskussion werden Betroffene fortwährend an die Verfehlung erinnert, der Ärger bleibt, die Kunden fühlen sich schlechter.

Zudem kann die wahrgenommene Ungerechtigkeit nur schwer beseitigt werden, da nicht sichergestellt ist, dass die Unternehmen die Situation überhaupt richtig einordnen.

Genau hier liegt Ihre Chance: Gehen Sie proaktiv auf verärgerte Kunden zu – überraschen Sie beispielsweise mit einer unerwarteten Entschädigung – signalisieren Sie Ihr Interesse und ermöglichen so direkten, kontrollierbaren statt indirekten Frustabbau.

3 zentrale Handlungsempfehlungen für den Umgang mit Beschwerden im Vertrieb

1 Beobachten Sie kontinuierlich die einschlägigen Social Media- und Online-Plattformen und identifizieren Sie indirektes Vergeltungsverhalten.

Bauen Kunden ihren Frust über Dritte ab, besteht die Gefahr einer sich unkontrollierbar (viral) entwickelnden Negativpublicity, etwa eines so genannten „Shitstorms“. Um dies rechtzeitig zu erkennen ist es essentiell, dass Ihr Beschwerdemanagement regelmäßig auf den relevanten Plattformen aktiv ist und versucht, Trends offenzulegen. Tools wie „Google Alerts“ oder „Sysomos“ können dabei helfen.

2  Gehen Sie proaktiv auf sich dort äußernde Kunden zu – und erreichen Sie somit direkte statt indirekte Konfrontation.

Identifizieren Sie ausufernde Beschwerden im Vertrieb, erzeugen Sie mit einer persönlichen Kontaktaufnahme unerwartete positive Überraschung. Ziel sollte sein, indirekte in direkte Auseinandersetzungen zu verändern. Diese sind deutlich einfacher kontrollierbar. Und außerdem zeigen Sie als Unternehmen Interesse an der Situation und Ihre Kunden fühlen sich persönlich besser.

3  Setzen Sie auf Kompensation, aber seien Sie sich der jeweiligen Wirkung in diesem sehr sensiblen Bereich bewusst.

Entschädigungen sind wichtige Instrumente, um wahrgenommene Ungleichgewichte zu kompensieren. Kunden, die sich direkt an Sie wenden, erwarten mindestens einen vollen Ausgleich, um den entstandenen Ärger zu ersetzen.

Treten Sie eigenständig mit sich vorher indirekt äußernden Kunden in Kontakt, sind positive Effekte bereits ab einer simplen, ehrlichen Entschuldigung spürbar.

Die proaktive Transformation von indirekten zu direkten Vergeltungsverhalten erlaubt nicht nur eine bessere Kontrolle, sondern gibt Ihren Kunden auch die Chance auf wirksamen, befreienden Frustabbau. Sie schützen sich davor, dass sich Beschwerden im Vertrieb zu Shitstorms entwickeln und können bereits mit einer Entschuldigung Teilwiedergutmachung erreichen.

Von Christian Schmitz, Niklas Heimann und Jan Helge Guba

Information: Der Artikel basiert in Teilen auf der 2018 im Journal of the Academy of Marketing Science erschienenen Studie von Yany Grégoire, Fateme Ghadami, Sandra Laporte, Sylvain Sénécal und Denis Larocque mit dem Titel „How can firms stop customer revenge? The effects of direct and indirect revenge on post-complaint responses”.

Prof. Dr. Christian Schmitz

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