Roboter, Avatare und Computer: Wo bleibt denn da der Verkäufer?

Carsten Kutzner

Verkaufsleiter und Verkäufer müssen umdenken und sich auf die Erwartungen des digital denkenden Kunden einstellen. Dazu sind neue Kompetenzen notwendig – und eine Weiterbildung, die auf den nachhaltigen Aufbau dieser Fähigkeiten fokussiert ist.

Digitalisierung
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Fortschreitende Automatisierung

Vor allem in vielen B2C-Bereichen und im Einzelhandel droht der Verkäufer auszusterben. Es ist einmal mehr der Internetgigant Amazon, der als Vorreiter auftritt: Mitte Januar 2018 hat Amazon in Seattle, USA, den ersten Supermarkt ohne Kasse eröffnet. Das Sortiment bei „Amazon go“ ist überschaubar, die Grundausrichtung klar: Der Kunde soll nicht merken, dass er ein Kunde ist, der etwas kauft.

Sensoren und Algorithmen erkennen, was er kauft. Die Vermessung des Kunden schreitet voran: Per Gesichtserkennung und künstlicher Intelligenz erfassen die Kameras, wie er sich fühlt. Die Bezahlung erfolgt natürlich übers Smartphone. Mitarbeiter bekommen die Kunden nicht mehr zu sehen – Ausnahme sind die Hilfskräfte, die die Regale auffüllen.

Stirbt der Verkäufer aus? Wird er nach und nach durch Roboter und Avatare ersetzt? Wird Big Data wichtiger als der authentische Kundenkontakt, ist der Algorithmus wichtiger als die emphatische Kundenbeziehung? Noch ist es nicht soweit. Auch in virtuellen Welten ist die menschliche Nähe unerlässliches Kriterium für die gelungene Beziehung zwischen dem Kunden und dem Unternehmen. Echte Erfahrungen werden immer wertvoller im ansonsten digitalen Raum. Was bedeutet das konkret?

Vertriebskompetenzen für die neue digitale Arbeitswelt

Vertriebskonsequenz 1: Verknüpfen Sie die Online- und die Offline-Welt

Es geht nicht darum, sich der Digitalisierung zu verschließen. Nutzen Sie die neuen Chancen, die Ihnen geboten werden. Ihre Verkäufer und Sie müssen beides können: Den virtuell-digitalen Kunden dort abholen, wo er sich gerne aufhält und eine gute Beziehung zu ihm aufbauen.

Konkretes Beispiel: Der Kunde betritt den Baumarkt. Er sucht Terrassenplatten. Der Verkäufer erfragt den Wohnort und nutzt Google Earth, um Haus, Garten und Terrasse des Kunden einzusehen – „Ah ja, er hat einen Pool im Garten“ – und stimmt sein Verkaufsgespräch darauf ab: „Die Terrassenplatten hier passen doch wunderbar zu Ihrem Pool!“

Sicher: Nicht jeder Kunde ist bereit, seinen Wohnort preiszugeben. Worum es aber geht: Überlegen Sie, inwiefern es möglich ist, die neuen digitalen Möglichkeiten im konkreten Verkaufsgespräch im Sinne des Kunden zu nutzen.

Vertriebskonsequenz 2: Weg vom Entweder-oder-Denken

Der Onlinehandel revolutioniert den Einkauf, den Verkauf – und unser aller Leben. Vergessen Sie aber nie, insbesondere im stationären Einzelhandel und überall dort, wo es zu einem persönlichen Kundenkontakt kommt, Ihre Stärken auszuspielen. Also: Mit welchen spezifischen Vorteilen, die sich eben nicht digital ersetzen lassen, können Sie punkten?

Denken Sie an Ihre Individualität, an die Atmosphäre in Ihrem Laden oder in Ihren Kundenkontakten, an Ihre haptischen Produkte zum Anfassen. Denken Sie an die direkte und menschliche Interaktion zum Kunden, an Ihre Kompetenz in Situationen, in denen der unmittelbare Kontakt von Mensch zu Mensch entscheidend ist, etwa an Reklamationen oder heiße Verkaufsverhandlungen. Menschen möchten emotionale Einkaufserlebnisse in der konkreten Kommunikation mit Menschen, die sie in ihren Kaufentscheidungen auch bestätigen.

Verabschieden Sie sich von jedem Entweder-oder-Denken: Überlegen Sie, in welchen Bereichen Sie den Digitalisierungsgrad erhöhen müssen und welche Optionen Sie nutzen können, um dem Kunden „digital“ entgegenzukommen. Eine App, mit der der Kunde in seiner Wunsch-Bäckerei die belegten Brötchen vorbestellt, sie dann abholt – die App meldet: „Alles fertig!“ – und mit Kreditkarte per App bezahlt: Warum nicht, wenn der Kunde dies wünscht?

Zugleich jedoch sollte der Bäcker ganz traditionell über die Kompetenz verfügen, den Einkauf als emotionales Event für die Kunden zu zelebrieren, die ihre Brötchen klassisch im Laden aussuchen wollen.

Vertriebskonsequenz 3: Digital-analoge Weiterbildung vorantreiben

Klar ist: Ihre Verkäufer sollten in der Onlinewelt und in der Offlinewelt zuhause sein. Dazu beschäftigen Sie sich – am besten in Anlehnung an die spezifischen Herausforderungen und Gegebenheiten Ihrer Branche und Kundenklientel – mit der Frage: Welche Kompetenzen müssen Ihre Verkäufer unbedingt aufbauen oder vertiefen?

Verabschieden Sie sich auch hier vom Entweder-oder-Denken: Der digital erfahrene Verkäufer sollte neben der Kommunikation per Twitter, Facebook und Co auch das persönliche Gespräch von Angesicht zu Angesicht beherrschen.

Während sich der in unzähligen Akquisitionstelefonaten sturmerprobte Kollege mit dem Gedanken vertraut macht, dass es Kunden gibt, die die Online-Beratung von Bildschirm zu Bildschirm favorisieren. Dabei sitzen Verkäufer und Kunde zum Beispiel an ihren jeweiligen PCs, eine Konferenzsoftware erlaubt es, dass sich der Kunde auf der Internetseite des Verkäufers einloggt und dessen virtuelles Online-Büro betritt: Die Online-Beratung kann starten.

Also: Führen Sie einen digital-analogen Kompetenz-Check durch, verschaffen Sie sich einen Überblick über die Kompetenz-Gaps und schließen Sie die – analogen oder digitalen – Lücken mit Weiterbildung.

Vertriebskonsequenz 4: Digital-analoge Vertriebsstruktur aufbauen

Wie gesagt: Ihre Verkäufer müssen dort sein, wo sich Ihre Kunden aufhalten. Und das ist zunehmend die digitale Welt. Wo also ist es sinnvoll, dem Kunden offline zu begegnen, wo eher online, etwa mithilfe von Social Media? Verkauf wird digital anders, Verkauf wird digital herausfordernder, weil sich die Zielgruppen immer mehr differenzieren und sich die mediale Erreichbarkeit komplexer gestaltet.

Darum: Ihre Verkäufer müssen klassisch mit dem Kunden interagieren und zugleich über Smartphone, Tablet und PC mit ihm kommunizieren können. Womit wir wieder beim Thema Weiterbildung sind…

Vertriebskonsequenz 5: Arbeitsplatzbeschreibungen „digital“ ergänzen

Ist die digital-analoge Vertriebsstruktur realisiert, können Ihre Verkäufer beim Kunden nicht nur per Flip-Chart oder Whiteboard präsentieren. Sie bestreiten ihre Präsentation – falls notwendig und von Kundenseite erwünscht – auch mit Tablet oder Smartphone. Der digitalen Präsentation lassen sie die digital organisierte Angebotsphase folgen. Auch danach geht es digital weiter: Eine App auf dem Smartphone erlaubt die rasche Planung und Organisation des nächsten Besuchstages. So kann der Verkäufer zum Beispiel eine digital automatisierte Terminbestätigung an den Kunden senden.

Erfolgsentscheidend ist wiederum: Ihre Mitarbeiter können beides. Wobei es nicht erforderlich ist, dass alle Verkäufer alles können. Warum nicht den kontaktfreudigen Beziehungsmanager im Team haben, der den persönlichen Kontakt aufbaut – und den internetaffinen Verkäufer, der Social Media zur Akquisition nutzt und die Aufträge mit Smartphone, App und Online-Beratung generiert!

Der Autor

Carsten Kutzner ist IT-Experte für Salesprozesse und Spezialist für Vertriebsberatung und Vertriebssteuerung. Als Mitglied der Geschäftsführung der INtem®-Trainergruppe in Mannheim ist der Führungskräfte- und Verkaufstrainerausbilder dort zuständig für die Bereiche Key-Account-Management und Trainereinsatz.

Zudem ist er Buchautor und Speaker, Q-Pool-zertifiziert, Mitglied im BDVT e.V. und Experte für INtem®-LIMBIC®-Sales: Emotionales Verkaufen und Führen nach den neusten neurowissenschaftlichen Erkenntnissen, www.intem.de

Carsten Kutzner

Ein Kommentar zu “Roboter, Avatare und Computer: Wo bleibt denn da der Verkäufer?

  1. Günter Heini

    Sehr guter Artikel.

    Was ich festhalten möchte: Weg vom Entweder-oder-Denken ist das Entscheidende heute. Vertriebsprofis, die die Chancen der Digitalisierung nutzen und gleichzeitig die menschliche Beziehung zum Kunden stärken, werden zukünftig im Vorteil sein.

    Wenn Kunden eine App wünschen, um den Zahlungsverkehr zu vereinfachen, okay. Sie sollen es haben, ist ja technisch heute machbar.

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