Kaltakquise: So geht’s übers Vorzimmer ran an den Entscheider

In unserem Interview mit dem Verkaufstrainer und Kaltakquise-Experten Tim Taxis lesen Sie, wie Sie geschickt mit der Assistenz des Entscheiders umgehen, warum Fragetechniken zielführender sind als „Sagetechniken“, wie Sie herausfinden, was Ihrem Kunden wichtig ist, und wie Sie „Keine Zeit“-Antworten vermeiden und gut auf „Kein Interesse“-Antworten reagieren.

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Oft ist eine der ersten Hürden beim Kalttelefonat, von der Assistenz zum Entscheider durchgestellt zu werden. Was empfehlen Sie für den Umgang mit dem Vorzimmer?

Tim Taxis: Auch im Vorzimmer gilt: Brechen Sie Ihre bisherigen Denk- und Verhaltensmuster – machen Sie also vieles anders als bisher – und Sie lösen den Widerstand gar nicht erst aus. Wenn Sie denken „Oh Gott, der Vorzimmer-Drache“, dann wird sich Ihre Einstellung in Ihrem Gespräch widerspiegeln – ob Sie das wollen oder nicht. Widerstand ist die Folge. Das Vorzimmer hat noch dazu ein ganz feines, intuitives Gespür für Nervosität und Unsicherheit. Bleiben Sie ganz relaxt.

Überlegen wir dazu einfach mal, wer da sitzt, im Vorzimmer. Ein Drache? Ein fieser Wächter, der keinen durchlässt? Nichts von alledem. Da sitzt ein Mensch. Wie Sie und ich. Mit all seinen Bedürfnissen und Wünschen. Begegnen Sie diesem Menschen auf Augenhöhe. Weder überhöhen wir das Vorzimmer noch uns selbst. Denn: Wie würden Sie sich verhalten, wenn Sie merken, dass jemand schnell an Ihnen vorbei will, Sie arrogant oder unterwürfig behandelt? Dann ist es mit dem Respekt dahin und Sie würden an Stelle der Vorzimmerdame auch eher blocken, oder?

Ja, da haben Sie Recht. Welches sind denn Ihre Lieblingstechniken fürs Vorzimmer?

Tim Taxis: Starten Sie folgendermaßen ins Gespräch:

„Guten Morgen Frau Vorzimmer, mein Name ist Tim Taxis.“ Pause

„Guten Morgen.“

„Sagen Sie, Frau Vorzimmer, ist der Vorname Nachname heute schon im Haus?“ Durch diese Struktur, also Nachname und Vorname ihres Chefs plus der Erweiterung „heute schon im Haus“ wird die Dame unterbewusst denken „Die kennen sich schon, die sind bereits in Kontakt“. Dadurch werden Sie in rund einem Drittel der Fälle gar kein „Worum geht es?“ mehr hören und direkt durchgestellt! Wichtig: Sagen Sie nicht „zu sprechen“, das löst sonst den „Worum geht es?“-Reflex aus. Falls sie doch sagt:

„Worum geht es?“, sagen Sie ganz einfach:

„Um seine Druckmaschinen, speziell die XR3. Bitte geben Sie ihn mir!“

Das ist meine Lieblingstechnik, die Eh-klar-Technik. Das war natürlich nur ein inhaltliches Beispiel. Münzen Sie es entsprechend auf Ihre Branche und Ihr Angebot um. Durch die kurze Antwort „Um seine Druckmaschinen“ zeigen Sie relaxte Souveränität, durch die Erweiterung „speziell…“ vermeiden Sie weitere Nachfragen. Mit „Bitte geben Sie ihn mir“ behalten Sie die Gesprächsführung.

Weil das Vorzimmer für unsere Leser sicherlich eine besondere Hürde darstellt: Haben Sie noch eine weitere Vorzimmer-Technik für uns?

Tim Taxis (lacht): Ja, viele…nur befürchte ich, dass die Zeit unseres Interviews dafür nicht ganz ausreicht. Gerne noch diese ausgewählte Technik, ich nenne sie die Selbstverständlichkeits-Technik. Es ist eh selbstverständlich, dass die Vorzimmerdame wissen möchte, worum es geht. Daher können Sie auch so vorgehen und werden noch sicherer erfolgreich sein:

„Guten Morgen Frau Vorzimmer, mein Name ist Tim Taxis.“ Pause

„Guten Morgen.“

„Frau Vorzimmer, Sie wollen ja sicherlich wissen, worum es geht, bevor Sie mich mit Vorname Nachname verbinden, gell!“

„Ja, bitte…“

„Es geht um seine Druckmaschinen, speziell die XR3. Is‘ er heute schon im Haus?“

„Ja, er ist da.“

„Dann geben Sie ihn mir bitte. Danke Ihnen.“

Funktioniert in der Praxis einwandfrei.

Sie sagen, die wichtigste Kompetenz im Verkauf sei die Fähigkeit, zielgerichtete, strukturierte und effektive Fragen zu stellen. Warum ist das aus Ihrer Sicht so?

Tim Taxis: Ganz einfach: Wir Vertriebler reden meist zu viel – und texten den Angerufenen im schlimmsten Fall von Anfang an zu. Das mag natürlich kein Kunde. Denn: Argumente und Behauptungen schließen den Geist – Fragen öffnen ihn. Fragen lösen keinen Widerstand aus – im Gegenteil, Sie werden mit Fragen anstatt Argumenten sehr viel erfolgreicher sein.

Ein Beispiel: Angenommen, Sie seien ein Baumaschinenhersteller und wollen Ihrem Kunden, zum Beispiel dem Inhaber eines Handwerksbetriebs, Ihre neue Bohrmaschine schmackhaft machen. Dann können Sie sagen:

„Herr Kunde, unsere neueste Innovation ist der Bohrmaschine, die Sie aktuell noch einsetzen, weit überlegen. Unsere Maschine saugt nämlich das Material, das beim Bohren aus der Wand gelöst wird, direkt auf.“

Und jetzt vergleichen Sie die Wirkung dieser Aussage einmal mit der Wirkung der folgenden Frage:

„Herr Kunde, wenn es eine Maschine gäbe, die das Material, das beim Bohren aus der Wand gelöst wird, direkt aufsaugt, was würde das dann für Ihre Arbeit bedeuten?“

Jetzt wird sich der Kunde selbst die guten Argumente – also die Kaufargumente – für Ihr Produkt geben. Seine Argumente können Sie dann ganz einfach aufgreifen und zum Abschluss überleiten, denn: Der Kunde wird wohl kaum Einwände gegen seine eigenen Argumente vorbringen…

Ersetzen Sie daher mehr und mehr Ihre Sagetechniken durch Fragetechniken!

Verraten Sie uns 3 oder 4 Ihrer persönlichen Lieblings-Akquisefragen im Gespräch mit dem Entscheider?

Tim Taxis: Gern. Ich habe mich lange mit dem Thema Fragetechniken beschäftigt. Mein Ziel war es, eine Methode zu entwickeln, mit der jeder Vertriebler für jede Situation genau die Informationen bekommt, die er für seinen Verkaufserfolg braucht. Das sind die sogenannten Entscheidungskriterien. Jeder Mensch bzw. Kunde geht unbewusst eine Liste von Kriterien durch, bevor er seine Entscheidung trifft. Wenn Sie alle Entscheidungskriterien Ihres Kunden kennen, ist das, als könnten Sie in sein Herz und sein Hirn hineinschauen. Dafür habe ich bereits vor Jahren die TAXIS-Methode entwickelt. Sie ist ganz einfach: Erst leiten Sie Ihre Fragen ein, indem Sie den thematischen Fokus setzen, dann stellen Sie die folgenden Fragen. An einem konkreten Beispiel:

„Herr Kunde, wenn Sie an die optimale Umsetzung eines gemeinsamen Trainings denken…

Was ist Ihnen dabei wichtig? Worauf kommt es Ihnen dabei an?“

Das ist die erste Frage, die direkt auf seine Wünsche und Entscheidungskriterien abzielt. Ihr Kunde wird sich offen mitteilen, weil er merkt, dass Sie echtes Interesse an ihm – und nicht nur an Ihrem Abschluss – haben. Durch die bewusste Verdopplung erzielen Sie eine starke Sogwirkung und ziehen die Gedanken des Kunden direkt ins Gespräch hinein. Wenn er geantwortet hat, fragen Sie ganz einfach:

„Und was ist Ihnen darüber hinaus noch wichtig?“

Durch die erste Frage bekommen Sie nie alle Entscheidungskriterien, weil der Kunde keine bewusste, strukturierte Kriterienliste im Kopf hat. Deshalb fragen Sie weiter in die Tiefe mittels der zweiten Frage. Diese Frage wiederholen Sie in unterschiedlichen Formulierungen, bis der Kunde sagt: „Das ist alles, worauf es mir ankommt.“

Dadurch, dass Sie ihn durch Ihre gezielte, effektive Gesprächsführung durch seine eigenen Wünsche führen, wird er das Gespräch als sehr angenehm und interessant empfinden und Sie – das ist das Beste daran – automatisch mit der Lösung bzw. der Wunscherfüllung verbinden. Das macht Ihren Verkaufserfolg sehr viel einfacher.

Zum Schluss wiederholen Sie nochmals seine Wünsche und fragen:

„Von Ihren Kriterien, Herr Kunde, was ist Ihnen davon am Wichtigsten?“

Durch die Antwort wissen Sie jetzt, worauf der Kunde seinen Fokus legt – und können Ihren eigenen Fokus in Argumentation und Angebotserstellung gezielt darauf ausrichten.

Wie kann ich es schaffen, bei „Keine Zeit“- oder „Kein Interesse“-Sagern im Gespräch zu bleiben?

Tim Taxis: Auch das ist einfacher, als die meisten Vertriebler meinen. Auch hier gilt: Machen Sie nicht das, was jeder klassischerweise macht. Der Hintergrund ist folgender: Wir nehmen einen Einwand als Widerstand, also Druck, wahr und reagieren automatisch mit Gegenargumenten, also Gegendruck. Wie in der Physik, so verhält es sich auch in der Psychologie: Druck erzeugt Gegendruck. Wenn Sie auf Druck, also einen Einwand, Gegendruck, also Argumente, liefern, werden Sie nicht wirklich erfolgreich sein. Beide Parteien verlieren Energie – aber keiner bewegt sich. Ergebnis: Ende des Gesprächs, ohne Erfolg. So macht Akquise sicher keinen Spaß…

Machen Sie es daher eher wie in den asiatischen Kampfkünsten: Hier geht keiner mit Gegendruck gegen die Energie des Angreifers vor. Diese wird vielmehr abgeleitet. In der Einwandbehandlung heißt das: Lassen Sie Unrat vorbeischwimmen und stellen Sie dann eine Frage. Einwände werden mit Gegenargumenten kräftiger, mit Durchlassen und Fragen erlöschen sie.

Beispiel: Der Kunde sagt „Kein Interesse“. Dann können Sie sagen:

„Ah, verstehe Sie. Wenn Sie sagen ‚Kein Interesse‘, dann weil Sie nichts einsetzen oder bereits einen Partner haben?“

Oder: „Ah, verstehe Sie, Sie haben andere Prioritäten. Was im Bereich XY brennt Ihnen gerade unter den Nägeln?“

Oder: „Ah, verstehe Sie. Dann hab ich nur noch eine letzte Frage, ist das ok?“ – „Was im Bereich XY wünschen Sie sich von einem zusätzlichen Lieferanten, dass Sie sagen: ‚Wenn Sie das können, dann möchte ich mir das anschauen‘? Was gibt es da, Herr Kunde?“

Und bzgl. des Einwands „Keine Zeit.“: Wenn Sie mit „Herr Kunde, darf ich gleich zum Punkt kommen?“ in Ihre Akquise-Telefonate einsteigen, wird der Keine-Zeit-Einwand für Sie der Vergangenheit angehören.

So, Frau Lenssen, jetzt hab ich noch eine Frage an Sie: „Heiß auf Kaltakquise“ war das Thema und Sie hatten eingangs unseres Gesprächs noch Zweifel, ob das möglich sein kann. Wie geht es Ihnen jetzt damit?

Vielen herzlichen Dank für das Gespräch und Ihre Tipps.

Vertriebszeitung.de-Fazit:

Tim Taxis schafft es, Kaltakquise aus der „Schmuddelecke“ des Vertriebs herauszuholen. Seinen Beispielen und Techniken merkt man an, dass er sie selbst „am eigenen Leib“ – oder vielmehr an dem seiner Kunden – getestet hat. Sie sind absolut alltagstauglich. Mit seiner Methode strahlt Tim Taxis Authentizität und Menschlichkeit in der Akquise aus. Wenn Sie sich näher mit seinen Techniken beschäftigen, denken Sie vielleicht – wie ich – hier und da mal: „Das kann man doch nicht machen!“ Aber selbst dann haben Sie am Ende bestimmt Lust, die Tipps von Tim Taxis einfach auszuprobieren. Ihren nächsten Telefonaten sehen Sie dann auch mit Spannung oder freudiger Erwartung entgegen. Vielleicht sind Sie dann sogar „heiß auf Kaltakquise“.

 

Lesen Sie auch Teil 1 unseres Interviews mit Tim Taxis: Heiß auf Kaltakquise – ist das wirklich möglich?

 

Zur Person:
Tim Taxis
– Experte für nachhaltige Geschäftskunden-Akquisition und Dozent an der ESB Business School der Hochschule Reutlingen. Der diplomierte Betriebswirt war viele Jahre in verschiedenen Vertriebspositionen in der Industrie und im komplexen Dienstleistungsgeschäft tätig. 2007 gründete er sein Unternehmen Tim Taxis Trainings und zählt heute zu den renommiertesten Verkaufstrainern und Speakern im deutschsprachigen Raum. Zu seinen Kunden gehören DAX-Konzerne, klassische Mittelständler sowie internationale Marktführer. www.tim-taxis-trainings.de

Esther Lenssen

Ein Kommentar zu “Kaltakquise: So geht’s übers Vorzimmer ran an den Entscheider

  1. Renate Engel

    ?„Frau Vorzimmer, Sie wollen ja sicherlich wissen, worum es geht, bevor Sie mich mit Vorname Nachname verbinden, gell!“

    „Ja, bitte…“

    „Es geht um seine Druckmaschinen, speziell die XR3. Is‘ er heute schon im Haus?“

    „Ja, er ist da.“

    „Dann geben Sie ihn mir bitte. Danke Ihnen.“?

    Funktioniert in der Praxis einwandfrei.

    Bei mir nicht, da dann die Frage aufkommt: ?Sind sie schon Lieferant/Dienstleister bei uns? Nein? Dann senden sie uns doch bitte ihre Unterlagen zu auf die info-Mail-Adresse und ich leite diese Mail gerne weiter?

    Was ich damit sagen will, ist, dass ich kaum zum Entscheider durchgestellt werde und der Empfang/Vorzimmerdame die Anweisung hat, niemanden durchzustellen (wird mir, neben dem Verweis auf die DSGVO, sehr oft gesagt). Und wenn sie es trotzdem macht, darf sie sich später eine Standpauke anhören. Wer will schon eine Arbeitsanweisung missachten?

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