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Strategisches Kundenmanagement für Verkäufer
In größeren Unternehmen liegen im Rahmen des Qualitätssystems Definitionen vor, was unter Schlüsselkunden zu verstehen ist. Spezifische Anhaltspunkte wie Umsatzvolumen und die Wettbewerbssituation entscheiden darüber, ob es sich um einen Kunden handelt, mit dem auf strategischer Ebene zusammengearbeitet wird. Für den Erfolg dieser Beziehung ist es wichtig, dass eine Entwicklungspartnerschaft besteht und dass der Kunde zum Ideengeber gemacht wird, der das jeweilige Geschäft beflügelt.
In diese wichtigen Kunden sollten Sie Ihre Energien hauptsächlich investieren. Nehmen Sie deren Ideen und Vorschläge ernst und prüfen Sie sie sorgfältig, auch wenn sie vielleicht nicht direkt realisierbar sind. Ein Verkäufer muss sich immer vor Augen halten, dass Kunden keine Produkte, sondern Problemlösungen kaufen.
Key Account Manager: Der Verkäufer als Manager an der Schnittstelle zum Kunden
Die geeignete Funktion für den Umgang mit Schlüsselkunden erfüllt das Key Account Management (KAM). KAM beruht auf der Erkenntnis, dass die meisten Unternehmen ca. 80% ihres Gewinns mit weniger als 20% ihrer Kunden erwirtschaften. Doch auch diese 20% unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Bedeutung. Etwa auf der Basis von Alleinstellungsmerkmalen sowie Umsatz und Gewinnmarge mit diesen Kunden werden aktuelle oder potenziell wichtige Key Accounts ausgewählt und gezielt bearbeitet.
Diese genießen in allen Belangen Priorität vor anderen Kunden. In dieser Geschäftsbeziehung ist besonders von Bedeutung, ihr echten Interessen zu erkennen und ihre Sichtweise und Standpunkt in den Vordergrund zu stellen. Denn von der Geschäftsbeziehung sollen beide Seiten profitieren und für die Markterfordernisse fit gemacht werden. Die Umsetzung dieser Strategie bedeutet eine eng begrenzte Auswahl von echten Key Accounts. Erfahrungsgemäß schafft es ein Verkäufer nicht, mehr als einen oder zwei Schlüsselkunden adäquat zu betreuen.
Kernaufgabe für den Key Account Manager ist es, beim Kunden den Eindruck einer vermeintlichen Austauschbarkeit der eigenen Produkte zu reduzieren, und zwar ohne Preis- und Konditionszugeständnisse machen zu müssen. Denn beide Seiten wissen, dass im Rahmen einer solchen Partnerschaft kleinliches Feilschen und kompromisslose Ausnutzung der Verhandlungsmacht fehl am Platze ist. KAM hat sich dabei zu einem Konzept für die konsequente Kundenorientierung des Gesamtunternehmens entwickelt. Der Verkäufer wird zum Manager der Schnittstelle zwischen Kunde und Unternehmen.
Der Champion in der Kundenorganisation bringt das Geschäft vorwärts
Bereits lange vor einem größeren Geschäftsabschluss muss der Kontakt zum Kunden hergestellt werden, vor allem, wenn Wettbewerb existiert oder die Beschaffungsentscheidung noch nicht abschließend gefallen ist. Der Verkäufer muss dabei die Bedürfnisse des Kunden kennen und ihn entsprechend beraten. In vielen Fällen ist ein Champion in den Reihen des Kunden notwendig, um den Auftrag zu erhalten.
Dieser Champion kann aus verschiedenen Funktionen kommen, z. B. aus Technik oder Einkauf. Er muss nicht der Entscheidungsträger sein, aber er wird von der Entscheidung profitieren und steht dem Geschäft daher grundsätzlich positiv gegenüber. Wenn Sie es schaffen, in der Kundenorganisation für ein Geschäft einen Champion aufzubauen und zu überzeugen, ist dies bereits die halbe Miete für den Auftrag.
Der Champion ist in der Organisation des Kunden vernetzt und wird gehört. Deshalb erhält er von Ihnen und Ihren Kollegen weitergehende Informationen und Vertrauen. Im Gegenzug können Sie sich meist darauf verlassen, dass er Ihnen Hinweise zu Chancen und Wettbewerbern gibt. Er weiß, dass er sich auch unter schlechten Umständen auf Sie und Ihr Unternehmen verlassen kann, und bringt das Geschäft vorwärts. Zwischen Verkäufer und Champion besteht gewöhnlich eine überdurchschnittlich gute Arbeitsbeziehung. Allerdings weiß der Betreffende gewöhnlich nicht, dass er Champion ist – und sollte es auch nicht wissen.
Der wahre Entscheider ist derjenige, der über das Budget verfügt
Wenn nicht der Champion der Entscheidungsträger ist, wer ist es dann? Jeder strategisch operierende Verkäufer weiß, dass er den wahren Entscheider, den wirklichen Käufer identifizieren muss.
Der wahre Entscheider ist vereinfacht gesagt derjenige, der über das Budget verfügt. Mit ihm muss verhandelt werden, um zu einer tragfähigen Entscheidung und Vereinbarung zu kommen. Ansonsten besteht das Risiko, dass Sie mit nicht entscheidungsberechtigten Personen verhandeln und ein Ergebnis erarbeiten – nur um anschließend wieder von vorne anfangen zu müssen, wenn der wahre Entscheider das Spielfeld betritt. Dieser Verhandlungstrick „Neuer Spieler“ ist in Einkäuferkreisen gut bekannt und wird manchmal bewusst verwendet.
Mit gezielten Fragen zu Beginn einer Verhandlung kann man böse Überraschungen auf ein Minimum begrenzen, etwa „Wen müssen wir noch dazu holen, wenn wir eine Entscheidung treffen wollen?“ oder „Wenn wir heute zu einer Einigung kommen, könnten wir beide dann den Vertrag unterschreiben?“. So erfahren Sie relativ schnell, woran Sie sind.
Weitere Verhandlungstricks
Doch auch wenn Sie als Verkäufer wissen, mit wem Sie es in einer Verhandlung und abseits davon zu tun haben, sollten Sie dennoch nicht übersehen, dass es bzgl. der Teilnehmer und Entscheider weitere Tricks gibt, die Sie kennen sollten. Hierzu noch zwei klassische Beispiele:
- „Red Herring“ nennt man ein Ablenkungsmanöver – eine Taktik also, die eine Verhandlungspartei gezielt von ihren Zielen abbringen soll. Typischerweise werden dabei alte Geschichten aufgebracht, die mit der aktuellen Verhandlung nichts zu tun haben. Die dafür Verantwortlichen (etwa Ihr Vorgänger) sitzen nicht mit am Tisch. Sie sollten diesen Sachverhalt auf jeden Fall zurückstellen und ggf. später aufgreifen.
- Ein weiterer beliebter Verhandlungstrick ist, einen Vertragsabschluss bei offenen Forderungen mit dem Hinweis zu verzögern, dass die eigene Entscheidungsbefugnis begrenzt ist und dass „höhere Ebenen entscheiden müssen“. Dies können Vorgesetzte, Rechtsabteilung oder Unternehmensleitung sein. Die effektivste Gegenmaßnahme ist, dass Sie keine weiteren Zugeständnisse machen, sondern ebenfalls auf Ihre nächsthöhere Ebene verweisen.
Zur Person
Dr. Guido Wenski war Einkäufer in der Halbleiterindustrie und ist heute freiberuflicher Berater und Verhandlungstrainer. Weitere Artikel zum Verhandeln finden Sie auf seiner Homepage www.wenski-consulting.com.
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