Studie: Erkenntnisse aus der Coronakrise für den B2B-Vertrieb

Die Corona Pandemie bringt die Weltwirtschaft in eine unvergleichliche Krise. Unternehmen befürchten mehrstellige Umsatzeinbußen. Eine tiefgreifende Unsicherheit macht sich breit und das Wort Rezession hört man beinahe täglich.

Wie werden in Zukunft die unterschiedlichen Kundengruppen im B2B-Vertrieb betreut?
Wie werden in Zukunft die unterschiedlichen Kundengruppen im B2B-Vertrieb betreut?© Blue Planet Studio/stock.adobe.com

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Ergebnisse einer aktuellen Studie der Ruhr-Universität Bochum mit 300 B2B-Unternehmen zeigt, dass ein Viertel der heute rezessiven Firmen und Branchen bereits vor der Corona-Krise vor kaum mehr lösbaren Problemen standen. Die Professoren Dr. Jan Wieseke und Prof. Dr. Christian Schmitz referierten in ihrem Vortrag auf den B2B Marketing Days 2020 über die Ergebnisse der Studie, die Veränderung der Vertriebskanäle und auch über mögliche Lösungsansätze.

Die Studie zum B2B-Vertrieb

Die Ruhr-Universität Bochum führt regelmäßig Umfragen zum Status Quo in den Bereichen Vertrieb- und Marketing durch. Die neueste Studie befasst sich mit dem Thema Rezession und damit, wie Unternehmen mit der aktuellen Situation umgehen und wie Vertrieb- und Marketing darauf reagieren.

Die Studie repräsentiert folgende Branchen: 19 % Maschinenbau 14 % Elektrotechnik und Elektronik, 10 % Baugewerbe, 8 % Metallindustrie, 8 % Konsumgüter, 6 % Automobilindustrie, 35 % Sonstige. Befragt wurden Entscheider. Darunter vor allem verkaufs- und Vertriebsleiter, Geschäftsführer und Vorstände.

Ein Viertel der befragten Unternehmen befand sich bereits vor Corona in der Rezession. Am schlimmsten betroffen war neben dem verarbeitenden Gewerbe die Automobil- und Elektroindustrie mit 56 % Anteil. Dazu Wieseke: „Das vergisst man gerne, weil Corona alles überschattet.“

Auch nicht so gut stand es vor Covid-19 um die Maschinenbau-Unternehmen, die Metall- und Elektroindustrie mit 39 %. Die restlichen 45 % verteilen sich auf Chemie Pharma und Healthcare (14%), Konsumgüter (10%), Baugewerbe (8%) und andere Branchen. Überhaupt nicht gefährdet vor der Krise waren Finanzdienstleister und Versicherungen.

  • Hauptursachen und größte Herausforderungen für die Krise 2019 waren Handelsstreitigkeiten zwischen USA und China mit 50 %,
  • die Klimadebatte und alternative Antriebsstränge in der Automobilindustrie mit 43 %,
  • der Brexit mit 29 %, der Fachkräftemangel mit 19 % und last but not least die Energie- und Rohstoffpreise mit 16 %.

Lösungsansätze, um den B2B-Vertrieb aus der Rezession zu führen

Im Vertrieb existieren unterschiedliche Ansätze, um mit rezessiven Erscheinungen umzugehen. Doch die am häufigsten angewendeten Strategien stimmen nicht immer mit den effektivsten und erfolgreichsten überein. Das zeigte auch die aktuelle Studie deutlich.

Die am häufigsten angewendeten Vertriebs- und Marketingstrategien

  • Interne Kommunikation steigern 75 %
  • Hoher Fokus auf größere Kunden 75 %
  • Hoher Fokus auf Key Accounts 68 %
  • Außendienst als Vertriebskanal stärken 66 %
  • Innendienst als Vertriebskanal stärken 56 %
  • Märkte erschließen 52 %
  • Werbeausgaben senken 51 %
  • Neue Produkteinführungen erhöhen 43 %
  • Arbeitseinsatz Außendienst reduzieren 39 %
  • Auf kleine Kunden fokussieren 35 %
  • Arbeitseinsatz Innendienst erhöhen 33 %
  • Vertriebsziele der Mitarbeiter stark anpassen 31 %
  • Arbeitseinsatz Außendienst erhöhen 25 %
  • Preis-Promotions erhöhen 20 %
  • Interne Prozesse automatisieren 16 %
  • Preisniveau senken 16 %

Die erfolgreichsten Ansätze für den B2B-Vertrieb

Die Erfolge der Strategien haben sich in der Studie als diametral zu den am häufigsten angewendeten Vertriebs- und Marketing Strategien erwiesen. Dazu Wieseke:

Es hat sich sogar gezeigt, dass die am meisten angewendeten Methoden zum Teil diejenigen waren die am wenigsten effektiv sind.

Am wenigsten effektiv war die Strategie die interne Kommunikation zu steigern. Auch einen hohen Fokus auf Key Accounts zu legen, erwies sich als wenig erfolgreich. Genauso verhielt es sich damit den Innendienst als Vertriebskanal zu stärken und den Arbeitseinsatz des Außendienstes zu reduzieren.

Als erfolgreichste Strategie erwies es sich, den Fokus auf kleinere Kunden zu legen und die Vertriebsziele der Mitarbeiter stark anzupassen. Auch den Arbeitseinsatz im Außendienst und die Preis Promotions zu erhöhen zeigte bedeutend mehr Erfolg.

Zudem macht es Sinn, interne Prozesse zu automatisieren, den Außendienst als Vertriebskanal zu stärken und neue Absatzmärkte zu erschließen.

Wo lohnt sich der Außendiensteinsatz am meisten?

Die Vertriebskanäle verändern sich zwar – der Außendienst jedoch ist und bleibt wichtig. Die Frage ist nur, wo lohnt sich ein hoher Aufwand der Verkäufer am meisten?

  • Bei langjährigen Kunden?
  • bei Kunden mit hohem Share of Wallet?
  • Bei Kunden mit hohem Umsatzpotenzial für den Anbieter?
  • Oder doch eher bei Kunden, mit denen der Anbieter, zum Beispiel durch gute Preisdurchsetzung, einen hohen relativen Profit erzielt?

Die Analyse ergab, dass es sich nur bis zu einem gewissen Grad lohnt, den Arbeitseinsatz bei einem Kunden überhaupt zu erhöhen. Aber wenn, dann bevorzugt bei Kunden mit hohem Umsatzpotenzial für den Anbieter.

Erkenntnisse aus der Coronakrise für den B2B-Vertrieb

Durch die Corona-Krise verändern sich die Vertriebskanäle fast noch stärker und schneller als durch die Digitalisierung.

Obwohl der Face to Face Kontakt in High Touch-Segmenten enorm eingeschränkt ist besteht doch eine überraschend hohe Akzeptanz der Video Calls und Telefon Konferenzen bei Kunden. Auch die Einstellung älterer Vertriebskollegen auf die neuen Kommunikationskanäle hat besser funktioniert als erwartet – da es keine andere Alternative gab. Gerade bei Bestandskunden funktionieren Gespräche über Video Calls prinzipiell sehr gut.

Manchmal entsteht aber der Eindruck, dass die Covid-Krise dazu führt, dass man keinen persönlichen Verkauf mehr braucht, merkt Wieseke an.

Wie aber sieht das Betreuungsoptimum aus, wie viele Kontakte machen Sinn und vor allem wie viele sind rentabel?

Durchschnittlich sind 8 Kontakte / Besuche optimal. Zusätzlich sollte jeder Mitarbeiter mit einem Betreuungskompass ausgestattet werden, um zielgenau zu steuern, wo in welcher Betreuungsintensität agiert werden soll.

  • Für kleine Kunden reicht prinzipiell der Einsatz von Call Centern und Web-Handel.
  • Im mittleren Kundensegment bewährt sich immer noch der persönliche Verkauf.
  • Und für Schlüsselkunden ist ein gut durchdachtes Key Account Management enorm wichtig. Die Währung in Corona-Zeiten ist nicht mehr die Anzahl der persönlichen Besuche, sondern die Anzahl der Gesamtkontakte. Das führt zu einem gewaltigen zusätzlichen Kontaktpotenzial, einer Steigerung von 500 auf 650 Kontakten. „Wenn man Besuche plant, macht man meist die B und C Kunden rund um die A und B Kunden einfach mit, beim Video Call hat man keine Geografie als Limitation. Das führt zu einem enormen Priorisierungspotenzial,“ ergänzt Wieseke.

Das neue Verhalten führt letztlich auch zur Diskussion, ob man überhaupt noch Firmenwagen und Bürogebäude braucht. Relevanz besitzen zudem nicht mehr nur die Großkunden, sondern auch die Kleinkunden, aber in der richtigen und für die Zielgruppe effektivsten Form.

Information

Die Studie ist immer noch im Gange und bald wird sich zeigen, wie sich die Rezession 2020 auf die Unternehmen und ihre Vertriebs- und Marketingstruktur auswirkt und welche Vertriebswege sich hier als die effektivsten erwiesen haben.

Dr. Lydia Polwin-Plass

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