Text Mining im Vertrieb – Mehr Abschlüsse durch Datenanalyse mit KI

Stellen Sie sich vor, Sie haben Zugriff auf ungenutzte Datenschätze wie Kundenfeedback, E-Mails, Social Media Posts – und können alle diese Infos verstehen. Zum Beispiel, um zu analysieren, warum Ihr Angebot vom Kunden abgelehnt wurde. Genau hier kommt Text Mining – Machine Learning – ins Spiel.

Auch Niederlagen gehören zum Vertriebsalltag. Dabei können die Gründe durchaus komplex und für Vertriebsmitarbeitende nicht immer direktverständlich sein. Hier hilft Text Mining.
Auch Niederlagen gehören zum Vertriebsalltag. Dabei können die Gründe durchaus komplex und für Vertriebsmitarbeitende nicht immer direktverständlich sein. Hier hilft Text Mining.© Deemerwha studio/stock.adobe.com

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Haben Sie schon einmal von „Text Mining“ gehört? Nicht? Das geht vielen so. Wenn Sie jedoch schon häufiger darüber nachgedacht haben, wie künstliche Intelligenz Ihnen helfen kann Ihren Vertrieb effektiver und effizienter zu gestalten, sollten Sie unbedingt weiterlesen. Denn Text Mining könnte einen Beitrag dazu leisten.

Was bedeutet Text Mining?

Die Analyse von Texten mit Hilfe von Machine Learning bezeichnet man als Text Mining. Text Mining ist in der Lage, Unternehmensdokumente, E-Mails von Kunden, Social Media Beiträge, Kundenfeedback, Produktbewertungen oder andere text-basierte Daten automatisch zu strukturieren und zu analysieren.

Die gewonnenen Erkenntnisse können beispielsweise als Entscheidungsgrundlage für Geschäftsstrategien oder betriebliche Maßnahmen dienen. Wie das Text Mining genauer funktioniert und welche Chancen es für Unternehmen bietet, erläutern wir im Folgenden.

Wie funktioniert Text Mining?

Unternehmen verfügen heutzutage über eine Vielzahl an Daten über ihre Kunden. Eine effiziente und gründliche Analyse dieser Daten kommt jedoch oft zu kurz.

  • Strukturierte Daten wie Name, Adresse oder Bestellhistorien von Kunden, die oftmals in Tabellenform vorliegen, sind leichter zu analysieren als andere.
  • Bei unstrukturierten Daten, wie z.B. Texten, gestaltet sich die Analyse deutlich schwieriger, da sie von herkömmlichen Software- und Datenanalyse-Tools nicht effizient verarbeitet werden können.

Laut dem Fraunhofer-Institut gehen aktuelle Schätzungen davon aus, dass mehr als 80 Prozent aller verfügbaren Informationen in Textform vorliegen. Daher braucht es Algorithmen, die in der Lage sind, unstrukturierten Text in ein strukturiertes Format zu überführen, um aussagekräftige Muster und verborgene Zusammenhänge identifizieren zu können.

Text Mining, eine Form des Machine Learning

Ein Typ solcher Algorithmen ist das Machine Learning (dt. maschinelles Lernen), eine Unterkategorie der Künstlichen Intelligenz. Das Ziel ist es, einer Maschine beizubringen, eine bestimmte Aufgabe eigenständig auszuführen und präzise Ergebnisse durch das Identifizieren von Mustern und Zusammenhängen zu liefern. Die Analyse von Texten mit Hilfe von Machine Learning bezeichnet man als Text Mining.

Text Mining ist in der Lage, lange Texte effizient, transparent und reproduzierbar zu analysieren. Die Analyse basiert dabei auf der Technologie der natürlichen Sprachverarbeitung (Natural Language Processing, kurz NLP), die es Maschinen ermöglicht, menschliche Sprache zu verstehen und eine Bedeutung und Stimmung abzuleiten.

Zahlreiche Chancen des Text Minings

  1. Text Mining ist beispielsweise in der Lage, die Stimmung von Kunden einzufangen, um Probleme mit bestimmten Produkten oder Dienstleistungen rechtzeitig zu erfassen, bevor sie sich negativ auf den Umsatz auswirken können.
  2. Es lässt sich auch kontrollieren, wie in den sozialen Medien über eine Marke oder ein Unternehmen gesprochen wird, um gegebenenfalls mit geeigneten Kommunikationsmaßnahmen oder gezielten Aktionen gegenzusteuern.
  3. Außerdem ist Text Mining in der Lage, Kundenmonitoring zu betreiben und die Kundenzufriedenheit einzufangen, sodass rechtzeitig Maßnahmen zur Stabilisierung oder Verbesserung der Kundenbeziehung ergriffen werden können, um die Abwanderung von Kunden zu verhindern.
  4. Durch die Analyse von Kundenrezensionen und Produktbewertungen können beispielsweise auch gewünschte neue Funktionen eines Produktes identifiziert werden, um das eigene Produktportfolio zu erweitern und die Kundenzufriedenheit zu erhöhen.
  5. Zudem kann die Auswertung großer Datenmengen einen guten Überblick über aktuelle Trends und Entwicklungen schaffen, die aufgegriffen und weiterverfolgt werden können.

Datenqualität ist entscheidend für den Erfolg

Neben all den Chancen, die sich durch die Verwendung von Text Mining ergeben, gibt es allerdings noch einige Aspekte zu beachten. Die Ergebnisse der Text Mining Verfahren hängen stark von der Qualität der Daten ab.

Außerdem kann die Genauigkeit der Ergebnisse variieren, je nachdem welche Datenstruktur zugrunde liegt oder welche und wie viele Methoden zur Vorverarbeitung genutzt werden.

Gute Aufbereitung der Daten

Schließlich sollte der Text vor der eigentlichen Analyse entsprechend vorbereitet werden. Dies ist notwendig, um die Rechenarbeit der Maschine zu reduzieren und die Effizienz der Algorithmen zu verbessern. Zu den Methoden der Vorverarbeitung zählen beispielsweise die Tokenisierung, bei der der Text in einzelne, zusammenhängende Teile, z.B. Wörter, Sätze oder ganze Absätze, segmentiert wird. Oder das Stemming, bei welchem die einzelnen Wörter auf ihre Stammform reduziert werden.

Um die Ergebnisse der eigentlichen Textanalyse zu verbessern, sollten zudem Stoppwörter wie z.B. Pronomen, Artikel, Präpositionen oder auch Konjunktionen wie „und“ oder „weil“ sowie Eigennamen entfernt werden, da diese Wörter zwar grammatikalisch obligatorisch, jedoch zum Verständnis des Inhaltes meistens irrelevant sind. Des Weiteren können zur Vorbereitung Wörter basierend auf ihrer grammatikalischen Funktion, z.B. Nomen, Verben, Adjektive, klassifiziert werden (sog. Part-of-speech (POS) tagging).

Analysemethoden des Text Minings

Wenn die Daten hinreichend gut vorbereitet sind, können sie dann mit Hilfe von Machine Learning Algorithmen auf bestimmte Muster oder Merkmale untersucht werden. Im Anschluss können die Ergebnisse je nach Interesse mit Hilfe verschiedener Methoden analysiert werden.

Methoden der Textanalyse

  • Die Klassifikation, bei der Texte oder Textbausteine anhand von bestimmten Regeln in vorgegebene Kategorien eingeteilt werden.
  • Das Clustering, bei dem die verschiedenen Texte in Untermengen unterteilt werden, welche sich aufgrund von vorgegebenen Kriterien ähneln.
  • Die Themenmodellierung, bei der die gleichzeitig auftretenden Wörter analysiert werden, um die zentralen Themen herauszufiltern.
  • Extraktion von Informationen, wie zum Beispiel Schlüsselwörter, Namen oder bestimmte Daten. Dazu zählt beispielsweise auch die Identifikation der am häufigsten verwendeten Wörter.
  • Die semantische Analyse, deren Ziel es ist, die Bedeutung von Wörtern und Sätzen zu verstehen, um Zusammenhänge zu erkennen und relevante Informationen zu extrahieren.
  • Die Sentimentanalyse, um Stimmungen und Gefühle aus dem Text herauszufiltern.

Um die Ergebnisse des Algorithmus zu verbessern, ist es unter Umständen sinnvoll, die Schritte der Vorverarbeitung sowie der eigentlichen Analyse abwechseln und in mehreren Wiederholungen zu durchlaufen.

Interpretation der Daten

  • Bei der Interpretation der Ergebnisse ist jedoch selbstverständlich auch Vorsicht geboten: Menschliche Kommunikation kann zuweilen sehr komplex sein, sodass durch die Maschine beispielsweise emotionale Untertöne oder Ironie nur schwierig erfasst werden können.
  • Zudem erfordert die Analyse einer großen Menge an Daten eine hohe Rechenleistung sowie einen großen Speicherplatz, was hohe Kosten mit sich bringen kann.
  • Da die analysierten Texte sensible und persönliche Daten enthalten können, kann es außerdem zu Datenschutzproblemen kommen.

Trotz dieser Nachteile stellt Text Mining ein wertvolles Verfahren für Unternehmen dar, das datengestützte Entscheidungsunterstützung bieten und dadurch einen Wettbewerbsvorteil schaffen kann. Schließlich müssen wir davon ausgehen, dass erhebliche textbasierte Datenschätze in vielen Vertriebsorganisationen schlummern, ohne bislang genutzt zu werden.

Ein Anwendungsbeispiel: Aus Angebotsabsagen lernen

Wie künstliche Intelligenz helfen kann, Angebotsabsagen zu analysieren

Auch Niederlagen gehören zum Vertriebsalltag – ob der Verlust von Kunden oder Absagen auf Angebote. Die Gründe für eine Absage können dabei durchaus komplex und für Vertriebsmitarbeitende nicht immer direkt ersichtlich sein.

Da die Erstellung eines Angebots meist sehr zeitaufwändig ist, wäre es hilfreich zu wissen, aus welchen konkreten Gründen sich ein Kunde gegen ein Angebot entschieden hat. Mit Hilfe von „Text Mining“ ist dies möglich.

Im Entscheidungsprozess für oder gegen ein Angebot können viele Faktoren eine Rolle spielen. Da die zeitlichen und personellen Ressourcen zur Erstellung eines Angebots begrenzt sind, stellt sich die Frage, auf welchen Aspekt Vertriebsmitarbeitende sich bei der Angebotserstellung fokussieren sollten.

  1. Ist es wichtiger, die Beziehung zum Kunden in den Mittelpunkt zu rücken?
  2. Sollten sie sich besser auf eine anschauliche und gut strukturierte Präsentation konzentrieren?
  3. Ist eine möglichst detaillierte Preiskalkulation das Maß der Dinge?

Je umfangreicher und teurer das Angebot, desto bedeutender ist es natürlich, den Zuschlag zu erhalten. Daher ist die nachträgliche Analyse zur Bestimmung der Gründe, warum ein Angebot konkret abgelehnt wurde, für Unternehmen äußerst wertvoll.

Oftmals wird nur intern nach Gründen gesucht, z.B. nach Eigenschaften der zuständigen Vertriebsmitarbeitenden z.B. wenig Eigeninitiative, wenig Kundenorientierung, ethische Prinzipien, Wissenslücken oder nach bestimmten Unternehmenspraktiken wie z.B. keine Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten, fehlendes Training der Mitarbeitenden.

Aber wäre es nicht spannend, darüber hinaus die externe Perspektive zu analysieren und Kunden zu den Gründen zu befragen, warum sie sich gegen das ihnen unterbreitete Angebot entschieden haben?

Externe Daten aus Kundeninterviews

Um dies herauszufinden, können beispielsweise im Nachgang Interviews mit den Kunden geführt werden. Diese im Detail auszuwerten ist jedoch aufgrund ihrer Datenstruktur nicht so einfach.

An dieser Stelle kommt das „Text Mining“ ins Spiel, also die systematische Analyse und Strukturierung von Texten. Um das darin versteckte Potenzial zu beleuchten, haben Forscher rund um Peter Nguyen in einer Studie 113 Kundeninterviews, die nach einer Angebotsabsage geführt wurden, analysiert und nach den Gründen durchsucht.

Spannend ist bereits die Stichprobe: 113 Interviews wurden geführt. Im Ergebnis bedeutet das 1.500 Seiten Text. Eines wird bei so viel Datenmaterial schnell klar: Dieses von Hand durch Menschen auszuwerten hätte einen immensen Aufwand bedeutet. Die Preise der unterbreiteten Angebote variierten zwischen 300.000 und 1,3 Mio. US Dollar. Von den 113 Kunden aus dem B2B-Bereich waren 57 Bestandskunden und 56 Neukunden.

Es sollte herausgefunden werden, ob es bei der Angebotsabsage eine Rolle spielt, ob bereits eine Beziehung zwischen dem Kunden und dem Vertriebsmitarbeitenden besteht oder nicht.

Deshalb übernahm im Nachgang zu den Interviews die Maschine – zumindest nach einer kurzen (teilautomatisierten) Vorbereitung der Daten: Zur Vorverarbeitung wurde zunächst „POS tagging“ angewandt, bei welchem Wörter basierend auf ihrer grammatikalischen Funktion (z.B. Nomen, Verben, Adjektive etc.) klassifiziert werden. Die dadurch gefundenen Nomina wurden alle in ihre Singularform umgewandelt und gezählt. Nomen, die sich auf den individuellen Kunden, Zulieferer sowie auf die zugrundeliegende Branche bezogen, wurden eliminiert. Außerdem wurden unspezifische Nomen sowie alle Nomina, die in weniger als 1% der Fälle vorkamen, herausgefiltert. Die meistgenannten Nomina in absteigender Reihenfolge waren: Angebot, Person, Zeit, Präsentation, Jahr, Service, Thema, Unternehmen, Vertrag, Art/Weise, Programm, Punkt, Ausschreibung, Preis, Veränderung, Qualität, Team etc.

Mit Hilfe weiterer Schritte konnten die Nomina zu bestimmten Oberthemen kategorisiert werden. Dabei übernahm der Algorithmus vor allem die Aufgabe zu bestimmen, welche Themen aus Sicht der Interviewten zusammengehören.

Ein Thema war beispielsweise die „Vertragsbewertung“, bei dem Wörter wie „Preis“ und „Kosten“ mit einer hohen Wahrscheinlichkeit vorkommen, oder ein anderes Thema „Präsentation“, bei dem Wörter wie „Präsentation“, „Darstellung“ und „Team“ mit einer hohen Wahrscheinlichkeit genannt werden.

Der Algorithmus ist allerdings nicht in der Lage, die Bezeichnung der Themen eigenständig festzulegen. Dies muss manuell vom Anwender gemacht werden. Somit gibt es immer noch einen Anteil der Analyse, der nicht automatisch erfolgen kann.

Die optimale Anzahl an Themen lässt sich allerdings mit Hilfe eines Optimierungsverfahrens bestimmen. In der Studie betrug die optimale Anzahl der Themen fünf. Diese sind in absteigender Reihenfolge der Relevanz:

  • Vertragsbewertung
  • Präsentation
  • Ideenvorschläge
  • vergangene Beziehung
  • Probleme mit Managern oder Mitarbeitenden

Nach einer weiteren Analyse der Häufigkeit der Nennung der jeweiligen Themen und Unterthemen konnten schließlich die Kernergebnisse interpretiert werden:

  • So zeigte sich, dass Neukunden Angebote am meisten aufgrund der Vertragsevaluation abgelehnt wurden.
  • Bei Bestandskunden hingegen wurden die Angebote am häufigsten aufgrund der vergangenen Beziehung sowie aufgrund von Problemen mit Managern oder Mitarbeitenden abgelehnt.
  • Des Weiteren konnte die Studie zeigen, dass Angebote von Neukunden eher durch einen zentralen triftigen Grund abgelehnt wurden, hingegen wurde das Angebot von Bestandskunden meist aufgrund von mehreren Gründen abgelehnt.

Diese Ergebnisse sind zum Beispiel relevant, um die Verteilung personeller Ressourcen zu optimieren. So können Vertriebsmitarbeitende den richtigen Fokus bei der Angebotserstellung legen.

Fazit der Experten

  • Da in der Studie die Angebote von Neukunden eher aufgrund von wenigen Fehlern abgelehnt wurden, sollten Vertriebsmitarbeitende im Angebot sehr deutlich auf ihre Vorteile und ihren Mehrwert eingehen und viel Zeit für die Angebotserstellung zu investieren.
  • Bei Bestandskunden könnte es hilfreich sein, vor einer Vertragsverlängerung an der Beziehung zum Kunden zu arbeiten und diese ggf. zu verbessern.

Impulse für die Vertriebspraxis

Erstens zeigt die Studie die unterschiedlichen Herausforderungen bei der Angebotserstellung zwischen Neu- und Bestandskunden.

Zweitens – und vielleicht noch viel wichtiger – zeigt sie ein vielversprechendes Anwendungsfeld künstlicher Intelligenz im Vertriebsmanagement.

 

Von Jan Helge Guba und Nadine Guba

Information: Der Artikel basiert in Teilen auf der 2023 im Journal of Personal Selling & Sales Management erschienenen Studie von Peter Nguyen, Scott B. Friend, Kevin S. Chase und Jeff S. Johnson mit dem Titel „Analyzing sales proposal rejections via machine learning“. Und in Teilen auf dem 2020 im R&D Management erschienenen Artikel von David Antons, Eduard Grünwald, Patrick Cichy und Torsten Oliver Salge mit dem Titel „The application of text mining methods in innovation research: current state, evolution patterns, and development priorities“.

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Dr. Jan Helge Guba

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