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Wer diese Frage im Unternehmen stellt – ob als Vertriebsleitung, Account Manager oder Geschäftsführer – löst selten Einigkeit aus. Entweder bekommt man gar keine Antwort oder viele, die kaum miteinander übereinstimmen. Und genau darin liegt das Problem: Die wenigsten Unternehmen wissen wirklich, wie viel Vertrieb sie brauchen, um ihre Ziele zu erreichen.
Mit dem Einzug von Künstlicher Intelligenz verändert sich die Frage nach der optimalen Mitarbeiterzahl im Vertrieb grundlegend: Nicht mehr die Zahl der Köpfe entscheidet über den Erfolg, sondern die intelligente Verzahnung von Mensch, Daten und Technologie.
Die bittere Wahrheit: Bauchgefühl ersetzt kein System
Lange Zeit wurde diese Frage „aus dem Bauch heraus“ beantwortet. Daumenwerte und Erfahrungswissen, Umsatzformeln, irgendetwas wird schon passen. Doch diese Vorgehensweise ist riskant. Denn: Wer den Personalbedarf im Vertrieb nicht sauber berechnet, plant blind.
Die Folgen sind bekannt:
- Zu wenig Personal – Leads bleiben unbearbeitet, Potenziale ungenutzt
- Zu viel Personal – Kosten steigen, Produktivität sinkt
- Und am Ende: Ziele werden verfehlt, weil der Weg dorthin nicht sauber geplant war
Selling-Plan statt Sales-Plan: Der Umsetzungsplan für die Vertriebsziele
In vielen Unternehmen ist der Weg von der Vertriebsstrategie zum Vertriebserfolg eine Blackbox. Ob die angestrebten Ziele erreicht werden, hängt oft vom Zufall ab. Das gilt es gerade in … Mehr lesenVon der Daumenregel zur Datenlogik: Sales Capacity Planning
Heute ist die Zeit des „Bauchgefühls“ vorbei. Wer Umsatzziele erreichen will, braucht Sales Capacity Planning – eine datenbasierte Methode, um genau zu ermitteln, wie viel Vertriebskapazität tatsächlich vorhanden ist und wie viel benötigt wird, um Ziele realistisch zu erreichen.
Dabei fließen Kennzahlen ein wie:
- Conversion Rate
- durchschnittlicher Umsatz pro Kunde
- Verkaufszyklen
- Kontaktfrequenzen und Verfügbarkeiten pro Mitarbeitendem
Diese Daten lassen sich heute mit modernen CRM-Systemen und BI-Tools automatisiert erfassen. KI hilft, Prognosen zu verbessern und Muster zu erkennen – etwa, wann ein zusätzliches Teammitglied den größten Hebel auf Umsatzwachstum hätte.
Der entscheidende Perspektivwechsel heißt: Weg von „Wie viele Köpfe?“ – hin zu „Wie viel Vertriebszeit pro Kundentyp?“
Neue Rollen im modernen Vertrieb
„Vertrieb“ ist heute kein homogener Block mehr. Stattdessen haben sich spezialisierte Rollen entlang der gesamten Customer Journey etabliert – von der Leadgenerierung bis zur Kundenbindung. Jede dieser Rollen erfüllt eine klar definierte Funktion und trägt dazu bei, Effizienz und Kundennähe zu steigern.
1. Business Development Representative (BDR) / Sales Development Representative (SDR)
Sie sind die modernen Hunter. Ihr Fokus liegt auf der Neukundengewinnung – datenbasiert, digital und gezielt. Sie identifizieren potenzielle Kunden, qualifizieren Leads mit Hilfe von KI-gestützten Tools und bereiten den Erstkontakt für den Vertrieb vor.
2. Account Executive (AE)
Verantwortlich für den eigentlichen Abschlussprozess. Sie übernehmen qualifizierte Leads, führen Verhandlungen und bringen Deals zum Abschluss. Ihr Erfolgsmaßstab: Abschlussquote, Umsatz pro Deal und Deckungsbeitrag.
3. Inside Sales Manager
Sie konzentrieren sich auf Bestandskundenpflege, Cross- und Upselling. Oft arbeiten sie hybrid – telefonisch, digital und im direkten Kundenkontakt. Ihr Ziel: bestehende Beziehungen festigen und Umsatzpotenziale im Bestand heben.
4. Customer Success Manager (CSM)
Sie sichern die langfristige Kundenzufriedenheit nach dem Kauf. Ihr Beitrag: Churn, also Kundenabwanderung, vermeiden, Wiederkäufe fördern und Kunden zu Fürsprechern machen. Damit tragen sie maßgeblich zur Steigerung des Customer Lifetime Value bei.
5. Digital Sales Manager
Sie steuern digitale Lead-Strecken, nutzen Marketing Automation und orchestrieren Kampagnen über verschiedene Kanäle hinweg. Ihr Fokus liegt auf der Verzahnung von Vertrieb, Marketing und Datenanalyse.
6. PreSales Engineer / Solution Consultant
Unterstützt den Vertrieb in technisch anspruchsvollen Verkaufsprozessen. Er übersetzt komplexe Produktfeatures in kundenspezifische Lösungen und erhöht so die Abschlusswahrscheinlichkeit bei erklärungsbedürftigen Produkten.
7. Key Account Manager (KAM)
Verantwortlich für strategisch wichtige Kundenbeziehungen. Sie agieren als Bindeglied zwischen Kunde und Unternehmen, entwickeln gemeinsame Wachstumsstrategien und sichern langfristige Partnerschaften.
8. Revenue Operations (RevOps)
Diese Rolle sorgt für die operative Klammer über alle Vertriebseinheiten hinweg. RevOps verbindet Marketing, Sales und Customer Success zu einem integrierten System, sorgt für Datenqualität, Prozessklarheit und einheitliche Erfolgsmessung.
Die zentrale Frage lautet also nicht mehr: Wie viele Leute braucht der Vertrieb? Sondern: Welche Kompetenzen fehlen uns, um das Ziel zu erreichen?
KI verändert den Personalbedarf im Vertrieb
Nicht jede Vertriebsaufgabe braucht noch einen Menschen. Künstliche Intelligenz, Automatisierung und Self-Service-Systeme übernehmen heute viele Routineaufgaben – vom Lead Scoring bis zur Angebotserstellung.
Unternehmen müssen heute zweigleisig denken:
1. Welche Aufgaben übernehmen Systeme effizienter?
2. Wo braucht es unbedingt menschliche Kompetenz – Empathie, Verhandlung, Vertrauen, Kreativität?
Ein Beispiel: Früher waren fünf Mitarbeitende nötig, um 1.000 Leads pro Monat zu bearbeiten. Heute filtert KI automatisch 700 unqualifizierte Kontakte heraus – die verbleibenden 300 bearbeitet ein dreiköpfiges Team deutlich gezielter. Das spart Kosten und steigert gleichzeitig den Erfolg pro Kontakt.
Kurz gesagt: KI reduziert nicht zwingend Personal, sie verschiebt Kapazitäten – von der Akquise hin zum Beziehungsmanagement
KI als Hebel für Produktivität – nicht als Ersatz für Menschen
Künstliche Intelligenz verändert also nicht einfach die Zahl der Mitarbeitenden im Vertrieb, sondern die Art, wie diese Zahl zustande kommt. Wo früher mehr Personal eingestellt wurde, um steigende Zielvorgaben zu bewältigen, entstehen heute Produktivitätsgewinne durch KI-gestützte Prozesse.
Das heißt: Unternehmen brauchen nicht zwangsläufig weniger, sondern anders aufgestellte Mitarbeitende. Gefragt sind Vertriebsprofis, die Technologie verstehen, Daten interpretieren und daraus gezielte Kundenstrategien ableiten.
Messbare Wirksamkeit mit KPIs statt reiner Kopfzahl
Ein modernes Vertriebsteam wird heute nicht mehr an Kopfzahlen gemessen, sondern an Wirksamkeit. Hierbei sind folgende KPIs wichtig
1 Sales Velocity –Wie schnell wandelt sich ein Lead in Umsatz?
Die Sales Velocity ist Geschwindigkeit × Qualität. Sie zeigt, wie schnell Dein Vertrieb Umsatz generiert – also den Wert pro Zeiteinheit und kombiniert dabei mehrere Faktoren für eine ganzheitlichere Kennzahl.
Formel: Sales Velocity = (Anzahl der Opportunities × Durchschnittlicher Dealwert × Win Rate) / (Sales Cycle Länge)
Beispiel:
- 50 Opportunities
- Ø Dealwert = 10.000 €
- Win Rate = 20 %
- Sales Cycle = 40 Tage
Sales Velocity = (50 × 10.000 × 0,2) / 40 = 2.500 € Umsatz pro Tag
Ziel ist es, den Umsatzfluss beschleunigen, indem man an allen vier Stellschrauben arbeitet:
- Mehr qualifizierte Leads (Opportunities)
- Höherer Dealwert
- Bessere Abschlussquote
- Kürzerer Sales Cycle
2 Deal Efficiency – Wie viel Aufwand braucht ein Abschluss?
Die Deal Efficiency misst, wie effizient ein Vertriebsteam oder ein einzelner Vertriebsmitarbeitender Abschlüsse erzielt. Wie viel Umsatz bringt mir eine gewonnene Opportunity – und was musste ich investieren, um sie zu bekommen?
Formel: Es gibt keine einheitliche Definition, aber eine gängige Berechnungslogik lautet:
Deal Efficiency = (Deal Wert × Win Rate) / Sales Effort (Zeit, Kosten, Touchpoints)
Je höher dieser Wert, desto effizienter arbeitet der Vertrieb – weil er mit weniger Aufwand mehr hochwertige Abschlüsse erzielt.
Beispiel aus der Praxis: Zwei Vertriebsmitarbeitende erzielen beide 100.000 € Umsatz. Aber:
| Verkäufer A | Verkäufer B | |
| Anzahl Deals | 10 | 4 |
| Durchschnittlicher Dealwert | 10.000 € | 25.000 € |
| Akquisezeit pro Deal | 20 Std | 10 Std |
| Win Rate | 25 % | 40 % |
Ergebnis: Verkäufer B hat eine deutlich höhere Deal Efficiency. Er macht weniger, aber größere Abschlüsse mit kürzerer Vorlaufzeit und höherer Trefferquote. Das zeigt: Effizienz schlägt Aktivität.
Deal Efficiency hilft also, folgende Fragen zu beantworten
- Wie produktiv arbeitet mein Vertrieb tatsächlich?
- Welche Kundensegmente oder Branchen bringen den höchsten ROI?
- Wo vergeuden wir Zeit (z. B. durch unqualifizierte Leads oder zu lange Verhandlungen)?
- Wie gut stimmen Marketing und Vertrieb in der Lead-Qualifizierung zusammen?
3 Customer Lifetime Value – Wie nachhaltig sind Kundenbeziehungen?
Der Customer Lifetime Value (Kundenlebenszeitwert) gibt an, wie viel Umsatz oder Gewinn ein Kunde im Laufe seiner gesamten Beziehung zu Deinem Unternehmen generiert – abzüglich der Kosten, die für Betreuung, Service oder Vertrieb anfallen. Er hilft Unternehmen, zwischen „lohnenden“ und „weniger lohnenden“ Kunden zu unterscheiden – und so Ressourcen gezielt einzusetzen. Wie viel ist ein Kunde langfristig wirklich wert – nicht nur beim ersten Kauf, sondern über seine gesamte Laufzeit hinweg?
Formel vereinfacht:
(Durchschnittlicher Jahresumsatz pro Kunde × durchschnittliche Kundenbindungsdauer) – Akquisitions- und Betreuungskosten
Beispiel:
- Durchschnittlicher Jahresumsatz: 10.000 €
- Kundenbeziehung: 5 Jahre
- Akquise- und Betreuungskosten: 8.000 €
- CLV = (10.000 € × 5) – 8.000 € = 42.000 €
Das heißt: Dieser Kunde bringt Dir im Lebenszyklus 42.000 € Nettowert.
Früher dachten Unternehmen in Abschlüssen. Heute denken sie in Beziehungen. Der CLV zeigt, ob sich Investitionen in Marketing, Vertrieb oder Service langfristig auszahlen.
Ein Kunde, der anfangs teuer in der Akquise ist, kann über Jahre hinweg sehr profitabel werden – etwa durch Wiederkäufe, Serviceverträge oder Cross-Selling.
Diese Kennzahlen zeigen: Mehr Mitarbeitende bedeuten nicht automatisch mehr Umsatz. Entscheidend ist, wie produktiv jedes Teammitglied wirkt – und ob Prozesse so aufeinander abgestimmt sind, dass Produktivität nicht verpufft.
Strategische Vertriebsplanung: Struktur folgt Strategie
Die Größe eines Vertriebsteams ergibt sich nicht aus dem Bauchgefühl heraus, sondern aus der Vertriebsstrategie. Ein wachstumsorientiertes Unternehmen braucht andere Rollen als eines, das sich auf Kundenbindung konzentriert.
Beispiele:
- Wer neue Märkte erschließen will, braucht mehr Business Development
- Wer bestehende Kunden ausbauen will, braucht Customer Success
- Wer digital verkaufen will, braucht Marketing/Sales Automation und Inside Sales
Deshalb: Erst Strategie definieren, dann Struktur ableiten – nicht umgekehrt.
Inside Sales: So verkauft man komplexe Produkte erfolgreich am Telefon
Erklärungsbedürftige Produkte am Telefon verkaufen? Funktioniert das überhaupt? „Sogar äußerst erfolgreich! Man muss nur wissen wie“, erklärt Rolf Stirnkorb, Vertriebsleiter des B2B-Vertriebspartners SUXXEED. Im folgenden … Mehr lesenNew Work verändert die Kapazitätsplanung
Die Diskussion um „Wie viele Mitarbeitende braucht der Vertrieb?“ muss heutzutage auch Arbeitszeitmodelle berücksichtigen. Remote-Arbeit, Teilzeit, Jobsharing oder 4-Tage-Woche machen eine 1:1-Umrechnung in Vollzeitkräfte unmöglich.
Zudem zeigt sich: Motivierte Mitarbeitende arbeiten effizienter. Unternehmen, die auf psychologische Sicherheit, flexible Strukturen und klare Zielsysteme setzen, erzielen mit kleineren Teams oft bessere Ergebnisse.
Von Output zu Outcome: Das neue Leistungsverständnis
Früher zählte, wie viele Anrufe jemand machte oder wie viele Angebote geschrieben wurden. Heute zählt, was dabei herauskommt: Kundennutzen, Zufriedenheit, Wiederkaufrate. Der Fokus verschiebt sich damit von Aktivität auf Wirksamkeit und Kundenerfolg – und das verändert auch die Personalplanung.
Praxisbeispiel: SaaS-Unternehmen plant datenbasiert
Ein Softwareanbieter mit 10 Mio. € Jahresumsatz möchte 20 % wachsen. Anhand seiner CRM-Daten berechnet das Unternehmen: Jeder Account Executive schafft im Schnitt 1,25 Mio. € Umsatz. Für 2 Mio. € zusätzlich braucht es also 1,6 neue Vollzeitstellen. Gleichzeitig reduziert KI den administrativen Aufwand um 15 %.
Ergebnis: Statt zwei neuen Sales-Mitarbeitenden reicht ein Vollzeit- plus ein halber Inside-Sales-Posten, flankiert von Marketing Automation.
Fazit: Die neue Formel für Vertriebserfolg
Die Frage „Wie viele Mitarbeitende braucht der Vertrieb?“ lässt sich heute nicht mehr mit einer Zahl beantworten. Es ist eine strategische Balance zwischen Menschen, Maschine und Markt. Wer den Personalbedarf datenbasiert plant, Rollen klar definiert und KI gezielt einsetzt, erreicht präzisere Umsatzplanung, höhere Motivation und geringere Kosten.



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