Verkaufsperformance im B2B-Vertrieb: Mut zum „Nein“ zahlt sich im B2B-Vertrieb aus – unter Umständen

Eines der knappsten und wichtigsten Güter im Vertrieb ist… Zeit! Das ist auch der Grund, warum eine kürzlich erschienene wissenschaftliche Studie sich damit beschäftigt, wie Vertriebsmitarbeitende mit ihrer kostbaren Zeit effizienter umgehen können.

Sollte man das Verkaufsgespräch schnell beenden, wenn der Kunde nicht kaufen möchte?
Sollte man das Verkaufsgespräch schnell beenden, wenn der Kunde nicht kaufen möchte?© Matthew-C_peopleimages.com/stock.adobe.com

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Mut zum „Nein“ zahlt sich aus – zumindest unter Umständen

In einer kürzlich erschienenen Studie zum Thema Zeitmanagement im Vertrieb wird vorgeschlagen, Kunden mit geringer Kaufwahrscheinlichkeit abzuweisen, um mehr Zeit für andere Kunden zu haben.

Zumindest im B2C-Einzelhandel konnte ein stark positiver Effekt auf die Verkaufsperformance nachgewiesen werden – aber ist das auch auf das B2B-Umfeld übertragbar?

Vielseitigkeit ist eine gefragte Eigenschaft bei Vertriebsmitarbeitenden. Idealerweise gelingt es ihnen, sich auf die individuellen Bedürfnisse und Eigenschaften jedes einzelnen Kunden einzustellen und ihr Verhalten daran auszurichten. In der wissenschaftlichen Forschung wird dies als „Adaptive Selling“ bezeichnet.

NC2: No Conversion, No Conversation-Strategie“

Das Verkaufsgespräch wird so persönlich wie möglich auf den Kunden zugeschnitten. Doch was ist, wenn das alles nicht hilft und der Kunde trotz aller Bemühungen nicht kaufen möchte?

In diesem Fall setzt die „No Conversion, No Conversation-Strategie“ (kurz NC2), zu Deutsch „kein Abschluss, kein Gespräch“, darauf, dass Verkaufsgespräche unmittelbar abgebrochen werden, wenn Vertriebsmitarbeitende das Gefühl bekommen, dass Kunden nicht kaufen werden.

Der Vorteil dieser Strategie ist, dass sich Mitarbeitende in der frei gewordenen Zeit anderen Kunden widmen können, deren Kaufwahrscheinlichkeit deutlich höher einzustufen ist. Die Risiken einer solchen Strategie liegen allerdings klar auf der Hand:

  • Was ist, wenn die Vertriebskraft ihre gewonnene Zeit nicht effektiv einsetzen kann, beispielsweise weil keine anderen Kunden in der Nähe sind?
  • Was ist, wenn Vertriebsmitarbeitende die Kaufwahrscheinlichkeit der Kunden falsch einschätzen und ihnen durch den Abbruch der Interaktion Umsätze entgehen?
  • Was ist, wenn sich der Kunde durch den abrupten Abbruch der Interaktion schlecht behandelt fühlt und auch in Zukunft dort nichts mehr kaufen wird?

Es mag daher nicht verwundern, dass Forscher rund um den Amerikaner William L. Cron in einer 2021 erschienen Studie für den Einzelhandel gezeigt haben, dass die NC2-Strategie nicht immer zu einer Steigerung des Umsatzes führt.

Jedoch kann diese Vertriebsmethode unter gewissen Bedingungen sehr gut funktionieren.  So gab es Vertriebsmitarbeitende, die ihre Umsätze um 6 bis 68 Prozent steigern konnten.

Voraussetzungen für einen höhere Vertriebsperformance waren, dass

  • das Ladengeschäft stark frequentiert wird und Verkaufskräfte ihre Zeit anderen Kunden widmen konnten
  • Verkaufskräfte über einschlägige Berufserfahrung im Einzelhandel verfügen
  • Verkaufskräfte die Bedürfnisse ihrer Kunden gut einschätzen konnten

Können die Studienergebnisse aus dem Einzelhandel auch auf den B2B-Bereich übertragen werden?

Schließlich unterscheiden sich die Vertriebsprozesse der beiden Geschäftsmodelle doch stark voneinander:

  • Beispielsweise sind im B2B-Bereich die Vertriebskosten deutlich höher, da Vertriebsmitarbeitende für einen persönlichen Kundenkontakt in der Regel zunächst zu ihren Kunden hinfahren müssen.
  • Außerdem spielt im B2B-Bereich die Betreuung von Bestandskunden eine wesentlich größere Rolle – teilweise ist die Neukundenakquise gar irrelevant.
  • Zudem ist es für Vertriebsmitarbeitende im B2B-Bereich deutlich schwieriger einzuschätzen, ob ein potenzieller Kunde jetzt oder in Zukunft zu einem bedeutenden Kunden werden kann.

Diese und weitere Unterschiede zwischen den Voraussetzungen zur Anwendung der NC2-Strategie im Einzelhandel und B2B-Bereich sind in der folgenden Tabelle dargestellt:

 

EinzelhandelB2B-Unternehmen
KundenkontaktIm LadengeschäftBesuche der Kunden vor Ort
Kontaktaufnahme erfolgtDurch die KundenÜberwiegend durch Vertriebsmitarbeitende, es sei denn es liegt ein Notfall vor
TransaktionskostenEher geringHoch
(Einschätzen der) KundenbedürfnisseEher weniger komplexEher komplexer
Aufbau von Kundenbeziehungen durchProfessionelle Kontaktaufnahme, Freundlichkeit, Zuhören, Kundenfragen beantwortenAlle interaktionsbezogenen Kompetenzen plus die Fähigkeit beim Kunden Vertrauen aufzubauen

 

Beispielcase: So wurde getestet

Um die Effektivität der NC2-Strategie im B2B-Bereich zu bestimmen, haben Forscher rund um William L. Cron eine Befragung von 267 Vertriebsmitarbeitenden eines deutschen Unternehmens aus dem Bereich der Befestigungstechnik durchgeführt, welches Schrauben, Dübeln und Elektrowerkzeuge vertreibt.

  • Typische Kunden dieses Unternehmens sind kleine und mittlere Schreiner- und Tischlerbetriebe sowie Werkstätten.
  • Der Vertrieb läuft größtenteils direkt über Vertriebsmitarbeitende
  • Kunden können ihre Produkte jedoch auch über ein Kundencenter oder einen Online-Shop bestellen sowie in einem stationären Laden kaufen.
  • Vertriebsmitarbeitende besuchen sowohl bereits bestehende als auch potenzielle Kunden
  • 80% des Umsatzes wird von bereits bestehenden Kunden generiert wird.

Weitere Details der Studie sind in der folgenden Tabelle zusammengefasst:

 

EinzelhandelB2B-Unternehmen
Vergütungsmodell90% fix und 10% Bonus80% fix und 20% Bonus
OrganisationArbeiten in einem Ladengeschäft mit 3 bis 6 Kolleg*innen und einem VertriebsmanagerEigenständige Arbeit in zugewiesenen Vertriebsgebieten. Sind mit 5 bis 8 anderen Kolleg*innen einem Gebiet und samt Gebietsmanager zugeordnet.
Durchschnittsalter30 Jahre41 Jahre
Frauenquote76% Frauen2% Frauen
Durchschnittliche Berufserfahrung5 Jahre14 Jahre

 

Das Ergebnis

Die Forscher konnten für den B2B-Bereich belegen, dass die NC2-Strategie dann erfolgreich ist, wenn

  • Vertriebsmitarbeitende unter Zeitdruck stehen und somit nicht allen Kunden gerecht werden können, oder
  • sie in der Lage sind, eine vertrauensvolle und persönliche Beziehung zu ihren Kunden aufzubauen.

Es gibt aber auch deutliche Unterschiede zwischen den Ergebnissen der beiden Studien:

1.  Anders als im Einzelhandel konnte für den B2B-Bereich ein negativer Effekt der NC2-Strategie auf Umsatz nachgewiesen werden.

Falls Vertriebsmitarbeitende die NC2-Strategie häufig anwenden, so führt dies zwar zunächst zu höheren initialen Umsätzen im Vergleich zu Mitarbeitenden, die die Strategie weniger häufig anwenden, jedoch klingen diese mit der Zeit auch wieder stärker ab.

Anders als im Einzelhandel erwarten B2B-Kunden eine engere und vertrauensvolle Beziehung zu ihren Geschäftspartnern.

2. Es gibt einen starken positiven Effekt von einschlägiger Berufserfahrung auf das generierte Umsatzniveau.

Grund dafür ist, dass Vertriebsmitarbeitende in der Studie für den B2B-Bereich durchschnittlich älter waren und über mehr Berufserfahrung verfügen als die Vertriebsmitarbeitenden in der Studie zum Einzelhandel. Erfolgreiche Vertriebsmitarbeitende im B2B-Bereich waren in der Lage in ein und demselben Unternehmen Karriere zu machen, wohingegen selbst erfolgreiche Vertriebsmitarbeitende im Einzelhandel dazu tendieren, das Unternehmen oder den Beruf zu wechseln.

Fazit der Experten

Sowohl im Einzelhandel als auch im B2B-Bereich ist ein Effizienzfokus der Vertriebsmitarbeitenden hochrelevant. Je besser diese ihre Zeit in diejenigen Kunden mit hoher Kaufwahrscheinlichkeit investieren, desto erfolgreicher sind diese in der Regel.

Dadurch, dass sich Vertriebsprozesse im Einzelhandel deutlich von denen im B2B-Bereich unterscheiden, lässt sich die Umsetzung der Strategie im Einzelhandel aber nicht 1:1 auf den B2B-Bereich übertragen.

In jedem Fall sollten Vertriebsmitarbeitende ein Gespür für die Kaufintention ihrer Kunden entwickeln und den Kundenkontakt schneller abbrechen, falls sie die Kaufwahrscheinlichkeit ihrer Kunden als sehr gering einstufen.

 

Von Jan Helge Guba und Nadine Guba

Information: Der Artikel basiert in Teilen auf der 2023 im Journal of Personal Selling & Sales Management erschienenen Studie von William L. Cron, Sascha Alavi und Johannes Habel mit dem Titel „Adaptive selling in business-to-business markets: Contexual boundary of a selling strategy from retailing“.

 

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Dr. Jan Helge Guba

Ein Kommentar zu “Verkaufsperformance im B2B-Vertrieb: Mut zum „Nein“ zahlt sich im B2B-Vertrieb aus – unter Umständen

  1. Jens Löser

    Eine wissenschaftliche Studie der University of Horse hat kürzlich ergeben ?Ein totes Pferd zu reiten macht auch im B2B Vertrieb keinen Sinn.?🎠
    #derLÖSER

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