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Datenschatz ist die Währung der Zukunft
Wer beispielsweise die scharfe Trennung von Vertrieb und Service auflöst, erschließt damit brachliegendes Potenzial. Meint Anne-Rose Raisch, Geschäftsführerin des Raisch Instituts.
Die Transformation von der Industrie- zur nach-industriellen Gesellschaft ist in vollem Gange. Und der Wandel zeitigt ähnlich dramatische Folgen wie der Übergang von der vor-industriellen zur Industriegesellschaft. So ist oft von einer gänzlich neuen Arbeits- und Unternehmenskultur die Rede, die der Transfer mit sich bringe.
Als gesichert gilt: Wissen ist schon jetzt der wichtigste Motor für wirtschaftlichen Erfolg. Und seine Bedeutung wird sich noch verstärken. Damit sind Unternehmen jedweder Branche gefordert, ihr Wissen systematisch aufzubereiten und in Form einer gemeinsamen Datenbasis verfügbar zu machen.
Diesen Wissensschatz mit den Mitteln der Digitalisierung auf allen Ebenen nutzbar zu machen und dann auch kreativ zu nutzen, ist das Gebot der Stunde.
In aller Regel sitzen Unternehmen auf einem immensen Informationsschatz, der bislang weitgehend unstrukturiert frei innerhalb der Firma flottiert – in Abteilungen, in Teams und in den Köpfen der Mitarbeitenden.
Der Vertrieb braucht jetzt einen mentalen Wandel im Umgang mit Kunden
Um die Erwartungen moderner Kunden zu erfüllen, muss der Vertrieb sich anpassen und neue Fähigkeiten und Techniken erlernen sowie den Umgang mit neuen Tools.
Mehr lesenSilo-Strukturen zwischen Vertrieb und Service aufbrechen
Allerdings wird dies nur dort wirklich gut funktionieren, wo mit der rein technischen Digitalisierung die Einführung einer neuen Unternehmenskultur einhergeht. Denn: In den Köpfen der Mitarbeitenden steckt nicht nur jede Menge Wissen, sie sind logischerweise auch geprägt von einem Denken, das sich an überkommenen Hierarchie- und Silo-Strukturen orientiert.
Solche Silo-Strukturen, in denen jeder Unternehmensbereich weitgehend für sich arbeitet, sind im Zeitalter der Digitalisierung kontraproduktiv. Schließlich übernimmt Software mehr und mehr die entscheidende Rolle als Differenzierungsmerkmal und Innovationstreiber. Das verkürzt die Innovationszyklen rasant.
Um schnell und angemessen auf die oft disruptiven Veränderungen der Marktanforderungen eingehen zu können, müssen alle Teams auf unternehmensrelevantes Wissen zugreifen können. Und sie müssen im Sinne des gesamten Unternehmens zusammenarbeiten.
Trennlinien auflösen
Zu den drängendsten Aufgaben in diesem Zusammenhang gehört die Auflösung der bislang scharfen Trennlinien zwischen Vertrieb und Service. Denn beide stehen im direkten Kontakt zum Kunden, dem Dreh- und Angelpunkt jedes Unternehmens. Der Markt hat dafür sogar schon ein Schlagwort kreiert: Servitization.
Gründe für einen Schulterschluss zwischen Vertrieb und Service
- Das größte Wertschöpfungspotenzial liegt heute im Service. Dienstleistungen rund um ein Produkt bringen in aller Regel einen deutlich höheren Deckungsbeitrag als der Verkauf, zumal dort häufig mit Rabatten operiert wird.
- Der Kunde legt heute hohen Wert auf die begleitenden Services. Kundennähe und Qualität des Services werden zunehmend zum Verkaufsargument.
- Beide Bereiche, Service und Vertrieb, können sich gegenseitig befruchten. Oft gewinnt der Servicetechniker Erkenntnisse, die der Vertrieb nutzen kann, und umgekehrt.
- Die Digitalisierung ermöglicht neuartige Geschäftsmodelle. Bei denen der Hardwarehersteller nicht seine Maschine verkauft, sondern deren Performance beziehungsweise Produktivität – Pay for Performance, Pay for Productivity, P4P – oder sich für die Nutzung bezahlen lässt – pay per use. Das stärkt die Bedeutung des Services – die Maschine bringt schließlich nur Geld, wenn sie läuft. Service wird zu einem wesentlichen Vertriebsargument und zum entscheidenden Wertschöpfungs-Faktor.
3 Stellhebel für das Zusammenwirken von Service und Vertrieb
- Wissen durch Digitalisierung nutzbar machen
- Die internen Prozesse anpassen
- Eine neue Unternehmenskultur mit flachen Hierarchien und offenem Wissensaustausch entwickeln, die den Wandel unterstützt und fördert. Dabei geht es vor allem darum, die Menschen, die den Wandel umsetzen sollen, zur Änderung ihrer Arbeitsweise und ihres Mindsets zu befähigen
Um Wissen durch Digitalisierung nutzbar zu machen, sind zunächst die technischen Voraussetzungen zu schaffen. Das heißt: Produkte, Maschinen und Anlagen datentechnisch vernetzen und in die digitale Welt einbinden.
Vor allem größere Unternehmen sind in dieser Hinsicht meist schon recht weit. Sie können ihre Produkte digital „remote“ überwachen, deren Performance in Echtzeit kontrollieren, vorausschauende Wartung, die Predictive Maintenance, realisieren und auf Basis ihrer Daten Wirtschaftlichkeitsberechnungen anstellen, um nur einige Beispiele zu nennen.
Auch im Service-Bereich hat sich in den vergangenen Jahren viel in Sachen Digitalisierung getan. Unternehmen wie GMS Development etwa entwickeln Software-Tools, mit denen Service-Organisationen ihre Arbeit weitgehend digitalisieren.
Wissensschatz aus Service und Vertrieb gemeinsam nutzen
Das bringt nicht nur einen erheblichen Effizienzgewinn, es hilft, den vorhandenen Wissensschatz zu erschließen. Denn alle servicerelevanten Daten befinden sich in einem System – bis hin zu Vertragsdaten, Wartungsintervallen, Reklamationen und bereits erbrachten Instandsetzungsarbeiten inklusive Beschreibung von Fehlern und deren Behebung. Klar, dass sich diese Daten auch nutzen lassen, um neue, wissensbasierte Geschäftsmodelle zu entwickeln und vorhandene zu optimieren.
Spätestens hier wird deutlich, welches Potenzial an nutzbringenden Informationen in einer solchen Service-Datenbank für den Vertrieb steckt. Umgekehrt gibt es längst digitale Vertriebs-Tools, die ähnlich viel Wissen enthalten, das hilfreich auch für den Service sein kann. Es macht also Sinn, beide Bereiche miteinander zu verknüpfen – technisch und auf der menschlichen Ebene.
Während allerdings die Digitalisierung von Maschinen und einzelnen Abteilungen heute schon in manchem Unternehmen auf einem guten Weg ist, hinken die internen, bereichsübergreifenden Prozesse oft noch hinterher.
Da wird zwar mit einem modernen CRM System gearbeitet, doch dessen Daten sind nicht für alle Mitarbeiter und Abteilungen gleich transparent und entfalten daher nicht annähernd ihr tatsächliches Potenzial.
- Um es konkret zu machen: Allzu oft greifen Vertriebs-Innen- und -Außendienst, technischer Support, Ersatzteilverkauf und Service-Abteilung nicht auf dieselben Kundendaten zu.
- Hinzu kommt: Die Mitarbeiter in den einzelnen Bereichen sind es nicht gewohnt, übergreifend zu agieren.
- Das Ergebnis: Der Kunde erlebt das Unternehmen nicht als verlässliche Einheit, sondern als vielstimmiges, eher volatiles Gegenüber.
Schlüssige Nutzenargumentation für den Vertrieb erarbeiten
Was für den Vertrieb hilfreich wäre:
Der Service bekommt im Alltag unzählige Informationen, die für den Vertrieb nützlich sein könnten. Ein guter Vertriebler macht aus solchem Wissen eine schlüssige Nutzenargumentation.
Etwa:
- Welche Wettbewerbsfabrikate stehen in den Produktionshallen der Kunden?
- Was erzählen die Bediener der verschiedenen Maschinen?
- Was ist beim Bedienpanel des Wettbewerbsprodukts einfacher oder schwieriger und warum?
- Wann steht der Kauf einer neuer Produktionsanlage an?
Auch der Ersatzteilverkauf arbeitet seine Aufträge sauber ab, versäumt aber in der Regel, den Vertrieb darüber zu informieren, dass der Kunde schon zum x-ten Mal diese Spindel oder jene O-Ringe braucht – und das innerhalb kürzester Zeit. Das wäre für den Vertrieb interessant, vor allem aber auch für die Entwickler.
Wir reden von Customer Sales Journey und unterbrechen die Kette zum Kunden immer wieder. Klar: Es ist ein erheblicher Aufwand, die technischen und organisatorischen Voraussetzungen zu schaffen und alle Beteiligten auf ein Level zu bringen.
Wer allerdings auf Dauer wettbewerbsfähig bleiben will, hat keine Wahl. Es führt also kein Weg dran vorbei, das Unternehmen zu digitalisieren und die Prozesse und Systeme so anzupassen, dass das interne Wissen größtmöglichen Nutzen bringt.
Das hat im Übrigen einen nicht zu unterschätzenden Zusatznutzen: Systematisch aufbereitetes Wissen bleibt in den Systemen verfügbar, auch wenn ein Wissensträger das Unternehmen verlässt.
Menschen mitnehmen
Zum Nutzen allerdings gehört zwingend, dass die Menschen, die das umsetzen müssen, den Sinn dahinter verstehen. Und dass sie möglichst schnell und konkret wahrnehmen, welche Vorteile die Veränderungen für ihre eigene Arbeit und für ihr Unternehmen bringen.
8 Handlungsempfehlungen für die Transformation mit einem motiviertem Team
- Bilden Sie ein Team, dessen erklärte Aufgabe es ist, die Grenzen zwischen Vertrieb und Service aufzulösen oder zumindest durchlässig zu machen. Suchen Sie sich dafür Menschen, die offen, kommunikativ und kreativ sind. Die Lust auf Neues haben und in Chancen denken. Bestärken Sie dieses Projekt-Team darin, „out of the box“ zu denken und im Zweifel auch ungewöhnliche Schritte zu gehen. Innovationen leben immer vom Blick über den Tellerrand hinaus.
- Statten Sie dieses Team mit möglichst weitreichenden Kompetenzen aus – und nach Möglichkeit mit einem Budget, über das es frei, allerdings nachweislich zielgerichtet, verfügen kann.
- Fall es ein Digitalisierungs-Team in Ihrem Unternehmen gibt, sorgen Sie für den Schulterschluss zwischen dem Digitalisierungs- und dem Projekt-Team.
- Sorgen Sie dafür, dass Ihr Projekt-Team seine lang-, mittel- und kurzfristigen Ziele definiert, schriftlich fixiert und in den jeweils betroffenen Abteilungen öffentlich macht, zum Beispiel durch ausgehängte Plakate, Infos an Pinnwänden oder Aufkleber an Türen. Das macht sie verbindlich.
- Die Ziele sollten regelmäßig, ideal ist ein- oder zweiwöchentlich, überprüft und bei Bedarf feinjustiert werden.
- Wichtig: Jedes Team-Meeting muss in eine klare Aufgabenverteilung münden, die schriftlich fixiert wird: Wer macht was bis wann.
- Das Projekt-Team sollte die jeweils betroffenen Teams und Mitarbeitenden eng einbinden, regelmäßig über Ziele, Aktivitäten und Erfolge informieren, Anregungen und Feedback einholen. Das hat zwei Effekte: Es bringt laufend Input aus der täglichen Praxis ins Projekt, und es motiviert die Kolleginnen und Kollegen, sich einzubringen und dem Ganzen positiv gegenüberzusehen. Auch hierfür bieten sich Jour-Fixe-Termine im Abstand von zwei bis vier Wochen an.
- Belohnen Sie, wenn das Projekt-Team oder die jeweiligen Abteilungen kreative Lösungsansätze und aktives Vorangehen zeigen. Machen Sie diese Ansätze innerhalb des Unternehmens öffentlich und bewerten Sie diese positiv.
Schnelle Erfolge anstreben
- Wesentlich gerade zum Start eines solchen Projekts ist, dass die Betroffenen schnell erste Erfolge erleben. Das stärkt die Motivation. Sinnvoll ist es daher, sich zunächst auf Teilschritte zu fokussieren, die sich relativ einfach umsetzen lassen und rasche Effekte versprechen.
- Zu Beginn seiner Arbeit sollte das Vertriebs und Service-Team die potenziellen Schnittstellen zwischen beiden Abteilungen identifizieren. Darauf aufbauend lassen sich Szenarien entwickeln, die zeigen, welche Informationen für die jeweils andere Abteilung nützlich sein könnten. Und welche Prozesse potenziell geeignet sind, den Informationsfluss zu fördern.
- Anhand dieser Szenarien gilt es auszuloten, welche dafür erforderlichen Daten in welcher Form bereits verfügbar sind. Auskunft darüber kann das Digitalisierungs-Team oder, falls es ein solches nicht gibt, die IT geben.
- Hilfreich ist es darüber hinaus zu identifizieren, welche Daten für das Projekt sinnvoll wären, bislang aber nicht erfasst oder verfügbar sind. Muss das Projekt ohne diese Daten auskommen, sind alternative Lösungen gefragt. Oder die gewünschten Daten lassen sich zu vertretbarem Aufwand und innerhalb eines akzeptablen Zeithorizonts beschaffen. Auch für die Umsetzung dieser Maßnahme ist das Projekt-Team verantwortlich.
Management muss mitspielen
Entscheidend für die erfolgreiche Zusammenführung und Kooperation von Vertrieb und Service ist die Rückendeckung und Förderung durch die Geschäftsleitung. Nur wenn das Management dahintersteht und die Transformation will, kann Ihr Zusammenführungs-Projekt gelingen.
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