Vertriebsindikator: Schlägt der Vertrieb als Früh-Indikator den Ifo-Geschäftsklima-Index?

Frühzeitige Prognosen gesamtwirtschaftlicher Entwicklungen haben eine große Bedeutung. Das zeigt der Blick von Politikern und Unternehmen auf des ifo-Geschäftsklima-Index, den derzeit bedeutsamsten Indikator für Entwicklungen des BIP. Warum fragt eigentlich niemand den Vertrieb?

Warum nicht den Vertrieb fragen? Der Vertriebsindikator liefert genauere Prognosen wirtschaftlicher Entwicklungen als der ifo-Geschäftsklima-Index.
Warum nicht den Vertrieb fragen? Der Vertriebsindikator basiert auf Vertriebskennzahlen, die der Vertrieb regelmäßig erhebt und die sehr genaue Prognosen der Geschäftsentwicklung erlauben.© peshkova/stock.adobe.com

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Vertrieb liefert zuverlässigere Zahlen zur Entwicklung des BIP

Für die Daten werden Einschätzungen von Geschäftsführern gesammelt und zu einem Index gewichtet. Doch niemand fragt Daten aus dem Vertrieb ab. Warum eigentlich nicht?

Christian Schmitz und ein Team deutscher Wissenschaftler konnten im Rahmen ihrer Studie zeigen, dass der Vertrieb für langfristigere BIP Prognosen sogar zuverlässigere Zahlen liefert als der ifo-Index.

Vertriebskennzahlen werden regelmäßig erfasst

Unternehmen nutzen bereits Vertriebskennzahlen zur Prognose der eigenen Performance. Im makroökonomischen Kontext wurde der Vertrieb jedoch trotz seiner Schlüsselrolle in Unternehmen bisher weniger betrachtet. Aus diesem Grund entwickelte ein Forscherteam der Ruhr-Universität Bochum bestehend aus Christian Schmitz, Janina-Vanessa Schneider, Jan Helge Guba, Michael Ahlers und Jan Wieseke einen vertriebsbasierten Indikator und untersuchte seine Prognosestärke.

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Unter anderem der direkte Kontakt zum Kunden spricht für den Vertrieb als Schlüsselinformationsquelle. Hinzu kommt, dass der Vertrieb in den meisten Fällen im stetigen Austausch mit anderen Unternehmensbereichen steht und die gesammelten Informationen sammeln und filtern kann, um so ein Gesamtbild der Geschäftssituation herstellen zu können.

In 3 Schritten zum Vertriebsindikator

  1. Abfrage Sales Funnel
    In ihrer Studie bedienten sich die Wissenschaftler dem Sales Funnel (Verkaufstrichter). Dieser visualisiert den Verkaufsprozess in drei Schritten: Zunächst wird ein Lead generiert. Hierbei handelt es sich um einen potenziellen Kunden, der ein Kaufinteresse aufweist. Es folgen die Angebotsphase und schließlich der Vertragsabschluss.
    Basierend auf dem Sales Funnel und Einschätzungen von Vertriebsmitarbeitern zu den einzelnen Stufen lässt sich so ein Indikator bilden.
  2. Gewichtung mit Unternehmensgröße und Branche
    Diesen kann man in einem weiteren Schritt mit der Unternehmensgröße und der Branche gewichten, um so jede Antwort gemäß ihrer relativen Bedeutung für das BIP zu berücksichtigen.
  3. Abfrageparameter für hohe Prognosequalität
    Die Forscher untersuchten in ihrer Studie in einem weiteren Schritt unter welchen Umständen dieser Indikator besonders gute Prognosen liefert.
    Die Vorhersage ist für den bisher betrachteten Zeitraum von vier Jahren (mit 3584 ausgefüllten Fragebögen von Vertriebsführungskräften) sogar genauer als die des etablierten ifo-Index.
    • Insbesondere für längerfristige Zeiträume, das heißt 3-6 Monate im Voraus, liefert der Vertriebsindikator zuverlässige Prognosen.
    • Zudem ist die Prognosequalität höher, wenn es sich um kleinere Unternehmen Die Forscher erklären die erhöhte Genauigkeit bei kleineren Unternehmen mit dem Informationsfluss. Wichtige Informationen aus anderen Unternehmensbereichen kommen so leichter und schneller in den Vertrieb.
    • Ebenso verhält es sich bei längeren Verkaufszyklen. Diese ermöglichen einen erweiterten Planungshorizont und einen intensiveren Austausch von Informationen.
    • Daneben ist die Genauigkeit des Vertriebsindikators höher, wenn der befragte Vertriebsmitarbeiter eine höhere Berufserfahrung aufweist. Erfahrenere Mitarbeiter sind aufgrund ihres Fachwissens dazu befähigt, die Geschäftssituation systematischer einzuschätzen.

Welche Vorteile bietet ein Vertriebsindikator und wofür eignet er sich?

1 Der Vertrieb als Informationsquelle für Unternehmen und Politik

Wenn es darum geht, die Konjunktur einer Volkswirtschaft vorherzusagen, wurde der Vertrieb in der Vergangenheit weniger betrachtet. Dies ist verwunderlich, da der Vertrieb direkt mit Kunden interagiert und somit wertvolle Informationen über die Geschäftssituation besitzt.

Der von den Forschern entwickelte Indikator kann somit eine wichtige Informationsquelle für makroökonomische Entwicklungen und folglich relevant für politische Entscheidungen sein.

2 Der Indikator als Benchmark für die eigene Performance

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Unternehmensperformance zu messen. Falls ein Vergleich zu Konkurrenten aus derselben Branche gezogen werden soll, kann der vertriebsbasierte Indikator für das eigene Unternehmen mit dem Branchendurchschnitt verglichen werden.

3 Der Vertriebsindikator als Imageverbesserung für den Vertrieb

Trotz der wichtigen Rolle des Vertriebs für ein Unternehmen kämpft dieser Bereich in gewissen Teilen mit einem schlechten Image. Die Etablierung eines Vertriebsindikators, der auf Informationen aus den Vertriebsorganisationen basiert kann dabei helfen, das Ansehen des Vertriebs zu verbessern.

Mithilfe des Vertriebsindikators zur Vorhersage wirtschaftlicher Entwicklungen lässt sich aufzeigen, wie wichtig der Vertrieb und die Informationen sind, die durch Vertriebsmitarbeiter gesammelt werden.

Prognosen spielen in vielerlei Hinsicht eine große Rolle. Insbesondere die Konjunktur eines Landes und die Prognosen hierfür sind für Unternehmen und Politik von besonderem Interesse. Firmen treffen strategische Entscheidungen und in der Politik werden basierend auf diesen Prognosen die Weichen gestellt.

Fazit des Experten In ihrer Studie entwickelten Christian Schmitz und ein Team weiterer deutscher Forscher eine Kennzahl zur Vorhersage wirtschaftlicher Entwicklungen. Diese Kennzahl basiert auf den Evaluierungen von Vertriebsführungskräften. In ihrer Studie untersuchten die Wissenschaftler zudem, inwieweit dieser vertriebsbasierte Indikator als Kennzahl dient und unter welchen Umständen die Kennzahl besonders genau ist.

Von Jan Helge Guba und Thomas Marquardt

Information: Der Artikel basiert in Teilen auf der 2021 im Marketing ZFP erschienenen Studie Christian Schmitz, Janina-Vanessa Schneider, Jan Helge Guba, Michael Ahlers und Jan Wieseke mit dem Titel „Development and Analysis of a Sales-Based Leading Indicator for Economic Developments“.

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Prof. Dr. Christian Schmitz
Dr. Jan Helge Guba

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