Warum variable Vergütungsmodelle krank machen können

Variable Vergütungsmodelle sind im Vertrieb ein bewährtes Instrument zur Motivationssteigerung. Doch gibt es auch Zweifel, ob diese Modelle tatsächlich immer einen Mehrwert darstellen.

Obwohl variable Vergütungssysteme im Vertrieb die Motivation steigern, kann es vorkommen, dass sie zu hohem Stress führen. Besonders bei unerfahrenen Mitarbeitenden.
Obwohl variable Vergütungssysteme im Vertrieb die Motivation steigern, kann es vorkommen, dass sie zu hohem Stress führen. Besonders bei unerfahrenen Mitarbeitenden.© WavebreakmediaMicro/stock.adobe.com

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Ein Bochumer Forschungsteam um Johannes Habel, Sascha Alavi und Kim Linsenmayer hat im Rahmen einer im renommierten Journal of Marketing erschienenen Studie negative Effekte auf die mentale Gesundheit von Vertriebsmitarbeitern untersucht.

Die Forscher kamen zu der Erkenntnis, dass variable Vergütungsmodelle unter gewissen Umständen zu Stress führen und geben Empfehlungen, wie Vertriebsführungskräfte dies vermeiden können.

Variable Vergütungsmodelle als Motivationsinstrument

Variable Vergütungsmodelle werden in zahlreichen Unternehmen genutzt, um die Motivation der Außendienstmitarbeiter zu steigern. In den USA liegt der variable Vergütungsanteil bei ca. 40% der Gesamtvergütung im Vertrieb. In Deutschland sind es immer noch rund 25%. Die variable Vergütung schafft dabei einen messbar positiven Leistungsanreiz bei den Außendienstmitarbeitern.

Diese erhöhte Motivation führt letztlich zu einer besseren Performance der Mitarbeiter und des Unternehmens. Obwohl Anreizsysteme im Vertrieb Gang und gäbe sind, stehen Vertriebsführungskräfte vor der Frage, wie groß der variable Anteil sein soll und ob unter Umständen negative Folgen auftreten könnten.

Beeinträchtigt variable Vergütung die Gesundheit?

Im Rahmen ihrer Studie untersuchten Johannes Habel von der Universität Houston und Sascha Alavi und Kim Linsenmayer vom Sales Management Department der Ruhr-Universität Bochum, ob und inwieweit die Gesundheit von Vertriebsmitarbeitern durch eine variable Vergütung beeinträchtigt werden kann.

Sie kamen zu der Erkenntnis, dass Anreizsysteme im Vertrieb zunächst zu einem höheren Performancelevel führen. Gleichzeitig fühlten sich Vertriebsmitarbeiter mit einem größeren variablen Vergütungsbestandteil eher gestresst und emotional erschöpft.

Diese Erschöpfung führt zu einer erhöhten Anzahl an Krankheitstagen und folglich zu einer Reduktion der Leistung im Zeitablauf. Die Wissenschaftler erklären diesen Zusammenhang mit der Unsicherheit der variablen Vergütung.

Das Gehalt ist für Mitarbeiter ein wichtiger Faktor. Wenn der variable Anteil größer wird, wird gleichzeitig ein größerer Anteil der Vergütung unsicher. Diese empfundene Unsicherheit kann dann zu Stress führen. Falls das Stresslevel kontinuierlich steigt, kann es vorkommen, dass Vertriebsmitarbeiter eine Pause benötigen.

Gilt dies für jeden Vertriebsmitarbeiter?

Die Forscher untersuchten in ihrer Studie auch die Frage, unter welchen Umständen ein größerer variabler Vergütungsbestandteil zu Stress führt. Individuelle Faktoren wie die Berufserfahrung oder die bisherigen Leistungen eines Vertriebsmitarbeiters spielen hierbei eine Rolle.

Erfahrenere Vertriebsmitarbeiter können ihre eigenen Fähigkeiten besser einschätzen und fühlen sich auch mit einem größeren variablen Gehaltsanteil sicherer als unerfahrene Kollegen.

Daneben spielt die Konstanz der eigenen Leistung laut den Wissenschaftlern eine zentrale Rolle: Falls die bisherige Performance konstant war, sind Vertriebsmitarbeiter selbstbewusster und somit weniger stressanfällig.

Neben den individuellen Faktoren ist das soziale Umfeld ein wichtiges Element. Wenn ein Vertriebsmitarbeiter sich als Teil des Teams sieht und ein gutes Verhältnis zu Kollegen und Vorgesetzten pflegt, ist der Mitarbeiter in der Regel selbstbewusster. Dies führt dazu, dass die empfundene Unsicherheit schrumpft und es unwahrscheinlicher ist, dass das Stresslevel steigt.

Es gibt verschiedene Wege, die negativen Effekte auf die Gesundheit der variablen Vergütung abzuschwächen. Johannes Habel, Sascha Alavi und Kim Linsenmayer empfehlen die folgenden Verhaltensweisen:

3 Schritte, um gesundheitliche Probleme bei variabler Vergütung zu vermeiden

1 Allgemein: Mögliche Nachteile nicht außer Acht lassen

Auch wenn sich Provisionsmodelle bei der Vergütung als Motivationsinstrument bewährt haben, sollten Vertriebsführungskräfte mögliche negative Konsequenzen nicht vernachlässigen. In ihrer Studie zeigten die Forscher, dass ein großer variabler Vergütungsbestandteil durchaus negative Folgen für die Gesundheit von Vertriebsmitarbeitern haben kann.

2 Recruiting: Bewerber genau prüfen

Bereits vor der Einstellung eines potenziellen Vertriebsmitarbeiters können Vorgesetzte im Bewerbungsgespräch sicherstellen, dass die variable Vergütung eher nicht zu Stress führt. Es sollte darauf geachtet werden, dass Bewerber bereits eine gewisse Erfahrung mitbringen und die bisherigen Leistungen eine gewisse Konstanz zeigen, bzw. berufsunerfahrene Bewerber ausgenommen werden oder ein höheres Fixum erhalten.

Gleichzeitig sollten Bewerber in der Lage sein, sich gut in das Team einzufügen und soziale Kontakte zu knüpfen. Sollten diese Eigenschaften nicht überprüft werden können, gilt es andere stressbezogene Faktoren zu checken, wie die persönliche Belastbarkeit oder das soziale Netzwerk eines Bewerbers.

3 Vertriebsteam: Mitarbeiter unterstützen

Vertriebsführungskräfte sollten in der Lage sein, den Teamzusammenhalt zu stärken und bereit sein, Vertriebsmitarbeiter zu unterstützen. Insbesondere eine konstante Leistung ist das Ziel. Falls es mit der Unternehmenspolitik vereinbar ist, sollten zudem Vergütungsmodelle personalisiert sein. So können erfahrenere Vertriebsmitarbeiter, die ein sehr starkes Verhältnis zu Kollegen und Vorgesetzten haben, einen höheren variablen Gehaltsanteil haben, während bei unerfahrenen Verkaufsberatern eher der fixe Vergütungsbestandteil groß sein sollte.

Fazit der Experten Obwohl Anreizsysteme im Vertrieb die Motivation steigern, kann es vorkommen, dass performanceabhängige Vergütungssysteme zu Stress führen. Insbesondere unerfahrene Vertriebsmitarbeiter mit schwankenden Leistungen sind besonders anfällig. Vertriebsführungskräfte sollten aus diesem Grund besonders bei diesen Teammitgliedern mögliche negative Auswirkungen im Auge behalten.

Von Jan Helge Guba, Leon Engelberg und Thomas Marquardt

Information: Der Artikel basiert in Teilen auf der 2021 im Journal of Marketing erschienenen Studie von Johannes Habel, Sascha Alavi und Kim Linsenmayer mit dem Titel „Variable Compensation and Salesperson Health“.

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Dr. Jan Helge Guba

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