Was Anreizsysteme im B2B-Vertrieb mit Hockey-Schlägern zu tun haben

Anreizsysteme werden eingesetzt, um den Vertrieb zu einer möglichst hohen Leistung zu motivieren. In der Praxis macht jedoch nicht jeder Mitarbeitende immer konstant über einen längeren Zeitraum gleichmäßig Umsatz. Welche Auswirkungen haben unterschiedliche Provisionsmodelle auf konstante Leistung?

Wenn der Arbeitseinsatz sachte beginnt und zum Endspurt stark ansteigt, spricht man vom Hockey Schläger-Effekt.
Wenn der Arbeitseinsatz sachte beginnt und zum Endspurt stark ansteigt, spricht man vom Hockey Schläger-Effekt.© Mike Orlov/stock.adobe.com

View: 1.041 Kommentieren: 2

Einen relevanten Teil der jährlichen Vertriebskosten machen Bonuszahlungen aus. Das Gehalt von Vertriebsmitarbeitern besteht häufig aus einem fixen und einem variablen Teil. Den variablen Teil erhalten die Verkaufsberater, wenn sie vertraglich fest gelegte Verkaufsziele erreichen.

Im Idealfall sollen diese Boni dazu führen, dass Vertriebsmitarbeitende kontinuierlich einen hohen Arbeitseinsatz zeigen. Doch es ist oft zu beobachten, dass Vertriebsmitarbeiter nur zu bestimmten Zeitpunkten ein erhöhtes Maß an Einsatzbereitschaft aufweisen.

Wie wirken Anreizsysteme, die eine lange Zeitspanne provisionieren?

Insbesondere bei Anreizsystemen, die den Erfolg über längere Zeiträume messen und belohnen treten ganz typische Verhaltensmuster auf. Die internationalen Forscher Kinshuk Jerath und Fei Long beschreiben in ihrer aktuellen Studie drei mögliche Verhaltensweisen.

 

1 Der „Hockey-Schläger“

Häufig ist zu beobachten, dass Vertriebsmitarbeiter zu Beginn eines Messzeitraums zunächst geringen Leistungseinsatz zeigen, z.B. zu Jahresbeginn, um diesen dann zum Ende massiv zu steigern – der sogenannte „Endspurt“. Dies passiert am ehesten, wenn hohe Verkaufsziele mit einem relativ geringen Bonus belohnt werden.

Die Forscher erklären den Effekt damit, dass die Vertriebsmitarbeiter aufgrund der Höhe der möglichen Bonuszahlung zu Beginn abwarten, ob das Ziel überhaupt realistischerweise erreichbar ist. Später stecken die Vertriebsmitarbeiter dann große Bemühungen in die Arbeit, um den Bonus zu erhalten.

Weil die der Einsatz zunächst konstant auf niedrigem Niveau liegt und dann zum Ende stark nach oben geht, sprechen Forscher aufgrund der grafischen Darstellung dieses Verhaltens auch vom „Hockey-Schläger“ (engl. hockey-stick).

2 Sich auf den Lorbeeren ausruhen

Bietet das Unternehmen einen relativ hohen Bonus für das Erreichen von hohen Verkaufszielen, werden Vertriebsmitarbeitende dazu animiert, sofort sehr viel Einsatz in die eigenen Verkaufsbemühungen zu stecken. Ist das Ziel jedoch einmal erreicht, kann es schnell zu einem Absinken der Leistung kommen. Das ist der Grund, warum Obergrenzen für variable Vergütung bei leistungsstarken Mitarbeitenden oft keine gute Idee sind.

3 Aufgeben

Eine ähnliche Verhaltensweise ergibt sich, wenn klar wird, dass ein Ziel nicht mehr erreichbar ist. Auch dann sinkt die Leistung oft rapide ab und die Kräfte werden für den nächsten Messzeitraum „geschont“.

Stufenweise Erfolgs-Provisionierung belohnt gleichmäßigen Arbeitseinsatz

Gerade diese Verhaltensweise gibt auch schon einen Hinweis darauf, wie Vertriebsführungskräfte Anreizsysteme gestalten können, um unerwünschte Effekte zu vermeiden.

So führt etwa die stufenweise Belohnung von Erfolgen in der Regel dazu, dass die Vertriebsmitarbeiter jederzeit engagiert arbeiten. Die Vertriebsmitarbeiter arbeiten hierbei zunächst auf moderate Verkaufsziele hin. Daraufhin wird versucht, das nächsthöhere Ziel zu erreichen.

Letztlich handelt es sich bei er Studie im Journal of Marketing Research um eine reine Simulation von Vertriebsmitarbeiterverhalten auf Basis rationaler Abwägungen: „Wie optimiere ich die Relation auf Einsatz und Belohnung, sodass es meinen Bedürfnissen entspricht?“

In der Praxis spielen selbstverständlich deutlich mehr Aspekte eine Rolle und das Verhalten wird nur in den seltensten Fällen einem exakten Schema folgen. Dennoch ist es spannend, dass sich das simulierte Verhalten durchaus in Vertriebsorganisationen in der Praxis wiederfinden lässt.

Kosten der Anreizsysteme

Ein weiterer interessanter Aspekt der Studie ist, dass die Autoren die Kosten der Anreizsysteme unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Verhaltensweisen mit simuliert haben.

„Hier zeigt sich, dass eine typische „Hockey-Schläger-Kurve“ zwar nicht die optimale Performance bringt, aber zumindest in der Regel die kostengünstigste Variante darstellt, da dieses Verhalten häufig im Zusammenhang mit vergleichsweise geringen Bonuszahlungen steht.

„Verschieben“ von Umsatz ein weithin zu beobachtendes Problem

Was sich Jerath und Long nicht angesehen haben, was im Zusammenhang mit Anreizsystemen aber auch häufig als Problem gesehen wird, ist das „Verschieben“ von Umsatz in die nächste Messperiode, wenn ein Bonus bereits erreicht wurde. Dies ist sicherlich nicht immer zu verhindern, stellt aber eine zusätzliche Herausforderung für die Ausgestaltung von Anreizsystemen dar.

Fazit des Experten Seien Sie sich immer darüber im Klaren, dass Anreizsysteme nicht unbedingt die Wirkung haben, die Sie erwarten. Mitarbeitende im Vertrieb sind häufig kreativ darin ihr Verhalten derart anzupassen, dass sie unter der Berücksichtigung festgelegter Bonus- und Zielhöhen ihren Arbeitseinsatz optimieren.

Insbesondere im Hinblick darauf, dass es häufig schwierig ist im Vorhinein einzuschätzen, ob ein Ziel angemessen oder aber zu hoch oder zu niedrig ist, bedeutet das für Vertriebsorganisationen sehr sensibel in der Gestaltung ihrer Anreizsysteme zu sein.

Der Vetriebsnewsletter

Das Neuste aus der Vertriebswelt — direkt in Ihrem E-Mail Postfach!

Hier anmelden

Newsletteranmeldung

*“ zeigt erforderliche Felder an

Name*
Die Informationen, die Sie uns zur Verfügung stellen, werden in Übereinstimmung mit unseren Datenschutzbestimmungen verwendet. Sie haben die Möglichkeit jederzeit Ihre Angaben zu widerrufen.

Dr. Jan Helge Guba

2 Kommentare zu “Was Anreizsysteme im B2B-Vertrieb mit Hockey-Schlägern zu tun haben

  1. Ralf Zeuner

    Bottom up-Planungen sind im Vertrieb eher selten bzw. werden nur zum Check genutzt. Dies bedeutet aber auch, dass der Plan in der Regel vorgegeben wird, aber in jedem Falle der Auslöser der Provisionsregel und deren Regulativ ist. Mitarbeiter:innen, die ihrerseits planen und ihre Provision am Plan optimieren ? so meine (25 Jahre in Leitungsfunktionen gesammelten) Erfahrungen ? sind meistens sehr gute Leute. Andere können das gar nicht. Essentiell ist, dass das Unternehmen das Jahresziel erreicht, oder besser übertrifft (es ist da gerade für die Top-Leute wichtig, noch etwas nach oben zu haben). Ansonsten sind die Pläne ja in der Regel, zumindest in meiner Branche, auch über das Jahr ?gephased?, so dass dies natürlich auf die Provisionsziele zutreffen muss. Mich hat an dem Artikel ehrlicherweise gestört, dass man permanent das Gefühl hat, dass der Autor unterstellt, Vertriebsmitarbeitende handeln gegen die Interessen der Firma, tricksen rum und holen nie das raus, was möglich ist. Das stimmt für nicht mal 5% ? also statistisch schon mal NICHT.

    • Birgit Ahlers

      Hallo Herr Zeuner, vielen Dank für Ihren Kommentar. Tatsächlich ist der Autor davon überzeugt, dass Anreizsysteme Vertriebsmitarbeiter positiv motivieren und sinnvoll sind, wenn sie klug gestaltet sind. Die Erkenntnisse zeigen, wie Führungskräfte dies steuern können und welche Auswirkungen ihre Entscheidungen auf des Ergebnis haben. Mitarbeiter können sich nur im Rahmen dieser Vorgaben bewegen. Sollte das den Unternehmenszielen nicht dienlich sein, liegt darin kein böser Wille, sondern erfordert eine Anpassung des Modells.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert