Fachwissen vs. Psychologie: Wie komme ich zum Vertragsabschluss im Vertrieb?

Helmut Maiwald

Verkäufer stellen schnell fest, dass viel Fachwissen über ein Produkt oder eine Dienstleistung nicht automatisch zum vertrieblichen Vertragsabschluss führt. Um den Kunden für sich zu gewinnen, bedarf es auch psychologischer Verkaufs- und Abschlusstechniken, damit sich der Kunde für dich und dein Produkt entscheidet.

Nicht nur das Produkt und die fachliche Beratung, sondern auch emotionale Faktoren geben den Ausschlag für den Vertragsabschluss.
Nicht nur das Produkt und die fachliche Beratung, sondern auch emotionale Faktoren geben den Ausschlag für den Vertragsabschluss. © ronstik/stock.adobe.com

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Kognitive Dissonanz als Bremse für einen Vertragsabschluss im Vertrieb

Der Sozialpsychologe Leon Festinger hat den Begriff Kognitive Dissonanz bei Entscheidungen wissenschaftlich untersucht.

Kognitive Dissonanz bezeichnet einen als unangenehm empfundenen Gefühlszustand. Er entsteht dadurch, dass ein Mensch unvereinbare Kognitionen hat. Kognitionen sind mentale Ereignisse, die mit einer Bewertung verbunden sind. Zwischen diesen Kognitionen wie Wahrnehmung, Gedanken, Meinungen, Einstellungen, Wünsche oder Absichten, können Konflikte entstehen.

Wenn sich jemand in diesem unangenehmen Gefühlszustand befindet, hervorgerufen durch zwei kognitive Elemente, die im Widerspruch zueinander stehen, entsteht eine Spannung. Die Person möchte diese Spannung auflösen, also einen ausgeglichenen, konsonanten Zustand herstellen bzw. wiederherstellen. Solche Spannungen können auch im Vertrieb einen Vertragsabschluss behindern.

Also, wie lässt sich diese Theorie gewinnbringend im B2B-Vertrieb anwenden?

Wenn du weißt, welche Information beim Gesprächspartner kognitive Dissonanz, also Spannung auslöst, erwähnst du diese Information explizit und bringst deine Produktlösung argumentativ so in Stellung, dass die Spannung des Gegenübers wieder aufgelöst wird.

Ein Beispiel aus der B2B-Vertriebspraxis: Stell dir vor, du vertreibst Rohstoffe, die aus erneuerbaren Ressourcen hergestellt werden. Diese können technisch ohne Probleme andere Rohstoffe ersetzen, die ökologisch verpönt sind. Deine Produkte sind aber etwas teurer als die herkömmlichen.

Du hast einen Termin bei einem potenziellen Neukunden und dich auch auf dessen Homepage informiert. Du hast gesehen, dass sie sich als grünes Unternehmen darstellen. Auf dem Besucherparkplatz siehst Du, dass das Verwaltungsgebäude auf dem Dach mit Solarzellen bestückt ist. Zusätzlich gibt es am Eingang ein großes Display, das die selbst produzierte Energie anzeigt.

Du sprichst mit dem Geschäftsführer, der für neue Lieferanten zuständig ist: »Herr Geschäftsführer, Sie sind ja superökologisch unterwegs, da Sie mit Solarenergie arbeiten.« Er fühlt sich durch dein Lob geschmeichelt.

Jetzt die Frage: »Wie sieht es denn mit den Rohstoffen für Ihre Produktion aus? Möchten Sie da nicht auch den nächsten Schritt in Richtung Ökologie machen?«

Er fühlt jetzt kognitive Dissonanz, da er im Produktsortiment nicht mit dem nötigen Umweltbewusstsein unterwegs ist. Er möchte die Dissonanz abbauen. Das kann er durch das Listen deines Sortiments erreichen. Er wird dein Sortiment aufnehmen, obwohl deine Preise etwas höher sind als die für weniger ökologische Rohstoffe. Vielleicht listet er dich zunächst nur als Zweitlieferant mit 20 Prozent seines Bedarfs, aber du hast einen Vertragsabschluss und einen Fuß in der Tür.

Technik der Reaktanz nutzen, um den Kunden verkäuferisch von Dir „wegzuschieben“

Unter psychologischer Reaktanz versteht man eine komplexe Abwehrreaktion, die als Widerstand gegen äußere oder innere Einschränkungen aufgefasst werden kann. Reaktanz wird in der Regel durch psychischen Druck oder die Einschränkung von Freiheitsspielräumen ausgelöst.

Die Reaktanz kann auch als Sonderform der kognitiven Dissonanz angesehen werden. Du benutzt diese Technik, um den Kunden verkäuferisch „wegzuschieben“ und Dich damit interessant zu machen.

Du hast vielleicht auch schon in der Praxis gemerkt, dass die Kunden zurückweichen, wenn du dich zu sehr anbiederst und der Kunde das Gefühl bekommt, dass du unbedingt verkaufen musst. Das heißt: Ziehst du den Kunden zu stark heran, weicht er zurück. Drückst du ihn weg, kommt er zu dir ran. Das ist so, als ob du jemandem ein Spielzeug wegnimmst – dann will er es erst recht haben. Lerne die unterschiedlichen Kundentypen richtig zu deuten.

Die Reaktanz wird oft in der Werbung verwendet, z.B.: So lange der Vorrat reicht. Das erzeugt eine Wahrnehmung der Verknappung. Man denkt, dass man das Produkt vielleicht nicht mehr bekommt und geht schnell in den Laden.

Bekommst du etwas nicht oder es wird dir erschwert, dann willst du es erst recht haben. Du möchtest in deiner Freiheit, etwas haben zu können, nicht eingeschränkt sein. Um diese Spannung abzubauen, bist du bereit, mehr Aufwand zu betreiben oder gar mehr für ein Produkt zu bezahlen.

Ein Beispiel aus der B2B-Vertriebspraxis: Du verkaufst Produktionsrohstoffe. Eure Maschinen sind ausgelastet. Du bist bei einem Einkäufer, der aber noch deine Preise runterhandeln möchte. Du reagierst folgendermaßen:

»Lieber Herr Mustermann, die Nachfrage ist im Moment bei uns stark angestiegen und wir kommen kaum nach, unsere anderen Kunden zu beliefern. Bei Engpässen könnte es aus Gewinnoptimierungsgründen passieren, dass zuerst diejenigen beliefert werden, die die höchsten Preise bezahlen. Sie würden dann vielleicht bei der einen oder anderen Lieferung nicht berücksichtigt werden. Bei dem von mir angebotenen Preis besteht allerdings die Chance, dass wir Sie konstant beliefern können.« So kannst du einem Vertragsabschluss zu deinem Preisangebot näherkommen.

Fazit des Experten

Den Beruf „Vertriebsmitarbeiter im Außendienst“ gibt es weder als IHK-Abschluss noch als Hochschulstudium. Aber man findet ihn in vielen Stellenanzeigen. Das bedeutet, es ist notwendig, dass sich jeder Vertriebler selbst Verhandlungs- und Verkaufsmethoden beibringen sollte, um als erfolgreicher und kompetenter Verkäufer in Erscheinung zu treten. Durch die oben skizzierten Techniken kann man mit dosiert eingesetzten Fachwissen und psychologischen Kenntnissen seine Abschlussquote erhöhen. Im Buch „Ich bin ein Verkäufer und du?“ werden weitere Techniken mit ausführlichen Beispielen beschrieben.

Fange an, deinen Verkauf noch besser zu machen! Nimm es selbst in die Hand und bilde dich stetig weiter! „Wenn du etwas veränderst, weißt du nicht, ob es besser wird. Aber wenn du etwas verbessern willst, musst du auf jeden Fall etwas verändern.“

Zur Person

Helmut Maiwald ist Experte im face-to-face Verkauf, wobei er seine langjährige Praxiserfahrung mit Theorien aus der Verkaufs- und Sozialpsychologie zu praxiserprobten Verhandlungs- und Abschlusstechniken veredelt hat. Von 2007 bis 2013 studierte er berufsintegrierend BWL an der HS-Ludwigshafen und schloss mit einem Bachelor und danach mit einem MBA ab. Seit 2016 lebt er in der Karibik und stellt sein kompaktes Verkaufswissen sowohl als Buch als auch persönlich bei gelegentlichen Jobs in Deutschland zur Verfügung.

Helmut Maiwald

Ein Kommentar zu “Fachwissen vs. Psychologie: Wie komme ich zum Vertragsabschluss im Vertrieb?

  1. Lescaille Faure

    Interessante, neue Ansätze für den Verkauf. Ich habe mir das neue Buch ?Ich bin ein Verkäufer und du?? gekauft. Es ist ein anregendes Praxis-Lehrbuch.

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